Allein machen sie dich ein

Unsere ehemalige Schwestergewerkschaft in Polen ist seit mehreren Monaten in einem Konflikt mit der Post. Im Zuge des Konfliktes muss sie aufgrund der gesetzlichen Situation immer wieder neue Aktionsformen erfinden und anwenden.

Und jedesmal eskalieren Betrieb und Staat ihre Methoden und ihre Propaganda gegen die sich selbst organisierenden Arbeiter*innen und Forderungen.

In folge eines Aufrufs an alle Postarbeiter*innen, sich ärztlich untersuchen zu lassen kam es  zu einer große Zahl von Krankmeldungen. Die sogenannte „Brieftauben-Grippewelle“ breitete sich in über 40 Postämtern in ganz Polen aus. Kennzeichen dieser Epedemie ist ein allgemeines Unwohlsein, verursacht durch Überlastung wegen schlechter Arbeitsbedingungen.

In einigen Städten war bis zu ein Drittel des Personals ausgefallen und in manch kleineren Ortschaften (wie Opole, Brzeg, Swiebodzice, Swidnica, Trzebina und Lewin) ist überhaupt niemand zur Arbeit erschienen.

Post-Protest der ZSP-IAA

Im Laufe der letzten Monate hatten sich Leute aus verschiedenene Berufen „krangemeldet“, unter anderem Lehrer*innen. Solche Aktionen werden als ein Weg angesehen, um die sehr eingeschränkten Möglichkeiten rechtmäßiger Streiks zu umgehen und die Gewerkschaften außen vor zu lassen, welche oft jegliche wirksame Aktionen der Arbeiter*innen zu unterbinden versucht.

Der Gesundheitstipp war von einem Netzwerk von Postarbeiter*innen (facebook.com/listonoszepolska/) verbreitet worden, das die Basisgewerkchaft ZSP-IAA gegründet hatte. Die Kolleg*innen haben eine Liste mit 14 Forderungen aufgestellt, die ein*e Gewerkschaftsvertreter*in am Tag vor dem Ausbruch der „Grippewelle“ übergeben hat. Darin fordern sie unter anderem eine Lohnerhöhung von 1.000 Zloty (232 EUR) und die Wiedereinstellung von Rafal C. und Zbigniew T., die wegen ihrer Gewerkschaftstätigkeit von der Postbehörde entlassen wurden.

Weitere Forderungen, wie eine Verkleinerung und Umstrukturierung der Zustellbezirke, korrekte Erfassung und Bezahlung von Überstunden oder Ausgliederung von Massendrucksachen als freiwillige Mehrarbeit, waren auf landesweiten Versammlungen von den Arbeiter*innen selbst formuliert worden. Dies geschah jedoch unabhängig von den angepassten Gewerkschaften , welche eher die Interessen des staatlich geführten Unternehmens vertreten als das Wohlergehen der Belegschaft.

Aufruf wegen

Als die Krankmelde-Aktion Ende Januar losging, hat das Management der Postbehörde sofort begonnen, die Mitglieder der ZSP-IAA zum dritten Mal vor Gericht zu zerren. Ein großangelegtes Verfahren wurde eingereicht und ein Bericht an den Geheimdienst Agentur für Innere Sicherheit (ABW) verfasst. Darin wird behauptet, dass die Gewerkschaft Betriebsgeheimnisse verraten hätte und ihr Aufruf zum Streik eine „kriminelle Handlung“ sei, mit der die ZSP-IAA versuchen würde, die Regierung zu stürzen. Die Unterstellungen in dem Dokument lauten folgendermaßen:

„Im Zusammenhang mit der Untersuchung der Verbindungen zwischen der ZSP und Gruppen von Mitarbeitern der Postbehörde, senden wir diesen Bericht an die ABW, damit diese überprüfen kann, ob deren Aktionen und die Aktionen der Arbeiter der Postbehörde, die mit ihnen zusammenarbeiten, zu einer Destabilisierung des Postberiebs führen werden. Diese Körperschaft erfüllt strategische Aufgaben zur Verteidigung der Sicherheit des Landes und der Öffentlichen Ordnung, deren Ausfall den Staat in seinen Grundfesten erschüttern könnte.

Wir informieren die Sicherheitsorgane über unseren Verdacht, dass die ZSP mit dem Aufruf zum Generalstreik ein Verbrechen begangen hat, da dieser die Postbehörde in ihrer strategischen Rolle zur Verteidigung des Polnischen Staates dem Risiko einer Handlungsunfähigkeit durch einen landesweiten Stillstand wegen Generalstreik ausgesetzt hat.“

Nichts davon konnte die Gewerkschaft jedoch abschrecken weiterzumachen, obwohl den Angeklagten bis zu 2 Jahre Haft und teure Zivilklagen drohen. Der Staat hat jedoch bisher mehrfach mit verschiedenen, lächerlichen Vorwänden eine Anmeldung als Postgewerkschaft verweigert. Die Postbehörde tut daher so, als ob die Gewerkschaft garnicht existiert. Jedoch ist klar erkennbar, dass die Arbeiter*innen weiterhin entschlossen sind, ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.

Forderung nach 1.000 Zloty Lohnerhöhung

Die ZSP-IAA wird ebenfalls weiter für die Rücknahme der Entlassung ihres Mitglieds Zbigniew T. kämpfen, der nach 36 Arbeitsjahren wegen seiner Organisatonstätigkeit gefeuert wurde. Im Januar 2019 wurde ein Gerichtsverfahren gegen die Postbehörde verhandelt und die örtliche ZSP-IAA hatte dazu eine Solidaritätskundgebung organisiert. Ein Gewerkschaftsmitglied bei der Post hat sogar gekündigt, um seine Solidarität auszudrücken, und andere haben sich ebenfalls dazu bereit erklärt, falls die Postbehörde sich weigert auf ihre Forderungen einzugehen.

Quelle:
Internationale Arbeiter*innen-Assoziation (IAA)
https://iwa-ait.org/content/postal-workers-take-action-management-goes-after-zsp

Mehr aktuelle Infos (in Englisch):

„The Post Office Attempts to Use State Counterintelligence Agency to Repress Polish Syndicalists and Industrial Action from Below“
http://zsp.net.pl/post-office-attempts-use-state-counterintelligence-agency-repress-polish-syndicalists-and-industrial

„New Wave of Protests and Threat of Repression at the Polish Post Office“
http://zsp.net.pl/new-wave-protests-and-threat-repression-polish-post-office

„Repression in the Post-Office: Another case goes before the court“
http://zsp.net.pl/repression-post-office-another-case-goes-court

Internationale Solidarität mit Polnischen Postler*innen (Aktionswoche vom 26.02. bis 04.03.2018)
(Fotos von der Internationalen Solidaritätaktionswoche vom 26.02. bis 04.03.2018)

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