Carl Windhoff (* 09.11.1872 – † 28.05.1941)

Es gab Zeiten, da wurden über sozialdemokratische
Provinzbürgermeister und Kleinfunktionäre
ganze Biographien geschrieben. Darüber, wie lieb
sie ihre Kinder hatten und darüber, was sie alles
erreichten für das Wohl der Arbeiterschaft – als
Sesselhelden. Ich möchte mich im Folgenden mit
einer kurzen Portraitierung eines tatsächlich bedeutenden
Mannes befassen. Gegen den Strom
schwimmend, persönliche Risiken und Nachteile
eingehend, erreichten er und seine Mitstreiter Au-
ßergewöhnliches. In der bisherigen Literatur zum
Thema syndikalistische Arbeiterbewegung war seine
Person nur am Rande von Bedeutung. Nicht einmal
seine Lebensdaten waren der Recherche wert
und wurden falsch angegeben. (1) Leider ist in den
mir vorliegenden Quellen nicht viel mehr als seine
gewerkschafts-politische Tätigkeit auffindbar, sein
Name omnipräsent, als Redner, Organisator, Agitator,
hoher Funktionär. Privates bleibt außen vor. Ist
die allgemeine Kritik an der Parole „Große Männer
machen Geschichte“ berechtigt, so ist dennoch die
Geschichte der revolutionären Arbeiterbewegung
des Rheinlandes ohne ihn nicht denkbar.
Sozialisierung zum Kampf
Carl Windhoffs Sozialisierung erfolgte in jungen
Jahren unter Einfluß des Sozialistengesetzes. Damit
wurde ihm im Klassenkampf der Einsatz seiner
ganzen Persönlichkeit praktisch in die Wiege gelegt.
Als das „Gesetz gegen die gemeingefährlichen
Bestrebungen der Sozialdemokratie“ 1878 in Kraft
trat, war er fünf Jahre alt. Als es nicht mehr verlängert
wurde, stand er im 17. Lebensjahre. Geboren
wurde Carl Windhoff am 09. November 1872
in Düsseldorf,(2) der Stadt, welcher er sein Leben
lang treu bleiben sollte. Sein Herz schlug seit seinem
14. Lebensjahr für die sozialdemokratische
Arbeiterbewegung, für ihre Zeitungen, Broschüren
und Bücher. Die Tatsache, dass er sich alles selber
erarbeiten musste, sollte sein ganzes Leben prägen.
Sein Bildungsbedürfnis war umfassend. Als junger
Erwachsener las er Edward Bellamy, Leo Tolstoi,
Emile Zola, die volkswirtschaftlichen Schriften von
Peter Kropotkin, aber auch naturwissenschaftliche
Literatur bis hin zu „süddeutschen Bauernromanen“.
Dieser Bildungshunger verhalf ihm zu den
Werten der „gegenseitigen Hilfe“ und der „allgemeinen
Solidarität“.

Organisationsaufbau (1900-1914)
Windhoffs erste gewerkschaftliche Tätigkeiten lassen
sich auf das Jahr 1900 zurückverfolgen, als er
versuchte, seine Fliesenlegerkollegen gegen die
heftigen Widerstände der Kapitalisten zu organisieren.
Fünf Jahre darauf konstituierte sich schließ-
lich die „Vereinigung der Fliesenleger Düsseldorfs
und Umgebung“. In dieser Berufssparte war der
Konkurrenzdruck durch die Zentralverbände der
Bauberufe noch unwesentlich, und das Organisationsvakuum
wurde redlich genutzt: Für die Region
sollte diese gewerkschaftliche Pionierarbeit für
Jahrzehnte große Bedeutung innerhalb der gesamten
Baubranche erlangen. Die Fliesenleger waren
äußerst fleißige und selbstdisziplinierte Arbeiter
mit guten Arbeitszeugnissen und vergleichsweise
hohen Erwartungen an andere und sich selbst, was
den Einsatz innerhalb und außerhalb der Betriebe
anbelangte. Windhoff wurde zur Zielscheibe der
Kapitalisten. Wurde er ausgesperrt, litt die Rentabilität
des Unternehmens. Doch wollte das hohe Maß
an Arbeitskraft auch teuer verkauft werden. Da er
lernte, sich durchzubeißen und – mit dem Ziel einer
freien und gerechten Gesellschaftsordnung – für die
Rechte der Arbeiterschaft zu kämpfen, war es ihm
trotz großer materieller Not in der eigenen Familie
unangenehm,(3) die Unterstützung seiner Kollegen
anzunehmen. Die Vereinigung der Fliesenleger erreichte
ihre Etappenziele:
„Wir waren die erste Organisation in Deutschland,
welche unseren Kollegen vom Jahre 1923 ab
6 Tage Ferien bei vollem Lohn sicherte, was dann
vielfach Nachahmung fand.“(4) Hierin lag der
Grundstein für die jahrzehntelange Treue ihrer
Mitglieder bis in die Zeit des Hitlerfaschismus
hinein. Reichsweit schlossen sie sich der „Freien
Vereinigung deutscher Gewerkschaften“ (FVDG)
an. Das war die lokalistische Strömung innerhalb
der sozialdemokratischen Gewerkschaftsbewegung,
welche sich nicht der zentralistisch aufgebauten
„Generalkommission der Gewerkschaften
Deutschlands“ unterordnen wollte und deshalb
im Jahre 1908 aus der sozialdemokratischen Partei
ausgeschlossen wurde, bzw. austrat. In den
Jahren zuvor widerstanden sie den zahlreichen
und lukrativen Abwerbungsversuchen seitens der
Funktionäre der nun mit ihnen konkurrierenden
zentralgewerkschaftlichen Verbände. Diese waren
zentralistisch aufgebaut und ihre Mitglieder in
autoritärem Geiste erzogen. Sie schlossen schnell
ihren Frieden mit dem Klassengegner und militaristisch
gesinnt im Hurrapatriotismus angekommen
zum 1. Weltkrieg ihren Burgfrieden mit dem Kaiserreich.
In den lokalorganisierten Gewerkschaften
der FVDG hingegen verblieben bis 1914 reichsweit
nur etwa 8.000 Mitglieder, die einen konsequenten
Antimilitarismus vertraten und den diktatorischen
Verhältnissen der Kriegszeit ausgesetzt blieben.
Für sie wurde der Begriff „Syndikalisten“ gefunden,
da der französische Syndikalismus mit seinem
Modell der „Arbeiterbörsen“ großen Einfluß hatte.
Daneben wirkten auch anarchistische Ideengänge
impulsgebend auf die Bewegung ein, sodaß sich
für die 1920er Jahre der Begriff „Anarcho-Syndikalismus“
etablieren sollte. Zusammen mit Fritz Kater
und Karl Roche nahm Windhoff im Jahre 1913
am Ersten internationalen Syndikalistenkongreß in
London teil.(5)
Weltkrieg und Revolution (1914-1919)
In der Kriegszeit lag die Bewegung weitgehend
brach, beschränkte sich auf die Aufrechterhaltung
der Organisation und auf die Unterstützung Versehrter
und Hinterbliebener. Nach dem Verbot ihrer
Organe zu Kriegsbegin brachte die FVDG zwei
interne Periodika heraus, deren Erscheinen in den
Jahren 1915 und 1917 ebenfalls polizeilich untersagt
wurde. Zu einem nicht geringen Teil bestanden diese
aus Todesanzeigen. Nach Kriegsende wandten
sich die Syndikalisten gegen den politischen und
putschistischen Charakter der deutschen Revolution
von 1918/19 und erinnerten daran, „sich mehr
um die wirtschaftliche Macht zu bemühen und die
Fabriken unter die Herrschaft der Arbeiterschaft zu
bringen.“ (6)
Aufstieg zur Massenbewegung (1919)
Die Repression beschränkte sich keinesfalls auf die
Zeiten diktatorischer Verhältnisse. Der Terror gegen
die Lokalorganisierten bestand auch nach 1918/19
weiter und ging wesentlich von den reaktionären
Zentralverbänden aus, welche im Verein mit Kapitalisten
und der Staatsmacht die Syndikalisten aus
den Betrieben drängten: Wenn der Unternehmer
nicht wollte, sogar mittels Streiks gegen die eigenen
Kollegen! Dagegen waren nur sehr gefestigte
Vereinigungen der Syndikalisten gefeit, die aus
den besten Kämpfern der alten Arbeiterbewegung
bestanden. Die Fliesenleger Düsseldorfs wehrten
sich nicht nur erfolgreich. Es gelang ihnen, durch
enorme Fleißarbeit und diplomatische Fähigkeiten,
große Teile der von den Zentralverbänden enttäuschten
revolutionären Arbeiterschaft des Rheinlandes
und Ruhrgebietes zu sammeln und ab September
1919 zu Zehntausenden, nämlich aus der
„Allgemeinen Bergarbeiter Union“ (Gelsenkirchen),
sowie der Essener und Düsseldorfer „Allgemeinen
Arbeiter-Union“, organisatorisch als „Freie ArbeiterUnion
Deutschlands“ (FAUD) zusammenzufassen.
Damit füllten sie ein Organisationsvakuum, bevor
als weitere Konkurrenz bei diesen Organisationen
die Kommunisten zum Zuge kamen. (7)
Rudolf Rocker erinnerte sich: „In ihren Interessen
standen uns die Organisationen sehr nah, obgleich
sie mit unseren Grundsätzen nur oberflächlich bekannt
waren. Es lohnte sich daher schon, mit ihnen
eine Einigung zu erzielen. Das war allerdings keine
leichte Aufgabe. (…) Unter den Wortführern gab es
manche, mit denen die Verhandlungen schwerer
waren; die meisten von ihnen (…) verfügten hauptsächlich
nur über eine Vielzahl leerer Schlagworte,
die sie meist bei den Kommunisten aufgelesen
hatten. Dass es trotzdem möglich war, mit jenen
Organisationen zu einem Einverständnis zu gelangen,
war hauptsächlich das Verdienst des Genossen
Carl Windhoff in Düsseldorf gewesen, dessen unverdrossene
Arbeit schließlich ein Werk zustande
brachte, das anderen wohl kaum gelungen wäre.
(…) Obgleich er den Führern der Zentralverbände
im großen Industriegebiet stets ein Dorn im Auge
war, erfreute er sich unter den Arbeitern eines
ausgezeichneten Rufes. Die makellose Ehrlichkeit
seiner Gesinnung und seine Bereitschaft, sich für
die Rechte anderer mit seiner ganzen Person einzusetzen,
nötigten sogar seinen bittersten Gegnern
Achtung ab. (…) Seine zähe Beharrlichkeit erzielte
denn auch einen vollständigen Erfolg. Am 15. und
16. September 1919 fand in Düsseldorf eine ge-

meinsame Konferenz statt, die von 105 Delegierten
besucht war. (…) nach langen Verhandlungen
kam die Verschmelzung zustande, und zwar auf
Grund der Richtlinien, welche die FVDG auf ihren
Kongressen 1906 und 1910 angenommen hatte. Die
Konferenz faßte auch den Beschluß, den beteiligten
Organisationen vorzuschlagen, ihre bisherigen Namen
aufzugeben und sich fortan als „Freie ArbeiterUnion
Deutschlands“ (Syndikalisten) zu betätigen.
Dieser Beschluß wurde auch auf dem 12. Kongress
der FVDG in Berlin im Dezember desselben Jahres
mit großer Mehrheit angenommen. Dadurch hatte
sich die syndikalistische Bewegung Deutschlands
mit einem Schlage verdoppelt und erreichte einen
Mitgliederbestand von 120.000.“(8)
Allein in Düsseldorf waren im Jahre 1919 organisiert:

Alle Berufe und Bauberufe: 800 Mitglieder
Kommunalarbeiter: 4.000
Metallarbeiter: 11.400
• Zusammen: 16.200 (9)
Erfolge (die 1920er Jahre)
Als eine der wenigen syndikalistischen Vereinigungen
gelang es den Fliesenlegern, eigene Tarifverträge
abzuschließen und einflussreiche Betriebsräte
zu stellen.(10) In einer Rede auf dem 18.
Kongress der FAUD im Jahre 1930 konnte Windhoff
berichten:
„Wir haben in verschiedenen rheinischen Orten
Löhne erreicht, die um 30 bis 35 % höher sind als
in den übrigen Orten. (…) Wir haben erreicht, dass
wir darüber bestimmen, wer eingestellt und wer
entlassen wird. (…) Wir haben die Zentralgewerkschaft
genötigt, unsere Abmachungen mit zu unterschreiben.
Wir haben die staatlichen Schlichter
ausgeschaltet. Wir haben die schriftliche Bestimmung
durchgesetzt: ‚Für alle Streitigkeiten sind
die amtlichen und staatlichen Schlichtungsstellen
auszuschalten, soweit dazu nicht ein gesetzlicher
Zwang besteht.’ (…) Wir haben in verschiedenen
Verträgen durchgesetzt, dass nur Mitglieder unserer
Fliesenleger-Organisation eingestellt werden.
Wir arbeiten täglich nur 7 ½ Stunden [1906
waren in der Baubranche noch 10 Stunden üblich]
(11) und am Sonnabend Nachmittag gar nicht. Bei
schlechter Konjunktur bestimmen wir, dass die Arbeitszeit
weiter so verkürzt wird, dass keiner entlassen
zu werden braucht. In der Zeit der jetzigen
Massenarbeitslosigkeit ist die radikale Verkürzung
der Arbeitszeit eine Notwendigkeit, für die alle Arbeiter
und auch viele kleinbürgerliche Schichten
Verständnis haben. Wir arbeiten jetzt an der Durchsetzung
der fünftägigen Arbeitswoche.“(12)
Carl Windhoff war der Motor der Bewegung, vertreten
auf zahlreichen Treffen, versehen mit vielen
Funktionen und Verfasser vieler Artikel in der breit
gefächerten Arbeiterpresse. Der FAUD auf Reichsebene
war er eine unverzichtbare Stütze. Nicht
zuletzt wehrte sich Carl Windhoff mit Vehemenz
gegen interne Angriffe zersetzender Protagonisten
(Rudolf Östreich und Carl Langer) auf die syndikalistische
Organisation ab.(13)
Die Fliesenlegervereinigung führte in den 1920er
Jahren mehrere erfolgreiche Streiks durch und
konnte dem Unternehmertum deutlich mehr Zugeständnisse
abtrotzen als die Bauarbeiter außerhalb
Düsseldorfs. Zwar gehörten die Fliesenleger damit
zu den am besten bezahlten Bauarbeitergruppen.
Dennoch drückte sich Windhoff dahingehend aus,
dass sie nicht eher ruhen würden, bis nicht alle Kollegen
soviel Lohn erhielten, wie die Minister. (14)
Neben den Streiks kam es zu Sabotageaktionen,
wie sie der Kollege E. Wüsthoff als Zeitzeuge kurz
beschrieb: „Wir hatten immer so einen kleinen Fäustel
dabei, den musste man immer am Schnittpunkt
von vier Fliesen treffen, dann waren mit einem
Schlag gleich vier kaputt.“ (15)
Der regionale Einfluß der syndikalistischen Fliesenleger,
welche sogar ein eigenes Mitteilungsblatt
herausgaben, war so groß, dass es im Jahre 1925
zur Gründung einer „Interessengemeinschaft aller
organisierten Fliesenleger in Rheinland und Westfalen“
kam, welcher auch Mitglieder der Christlichen-
und Zentralgewerkschaften angehörten.
Diese Interessengemeinschaft war nötig, um gegen
das Anwerben kostengünstigerer Arbeiter von
auswärts geschlossen vorgehen zu können und effektiver
gegen Streikbrecher vorzugehen.(16) Aufgrund
seiner starken Stellung überstand Windhoff
die Jahre bis 1930 offenbar ohne lange Phasen der
Arbeitslosigkeit. (17)
Eine eigene Düsseldorfer Fliesenlegerjugend
wurde gegründet, und diese trug im Wesentlichen
zur Stabilisierung der syndikalistischen Jugendbewegung
in der Region bei. (18) Nirgendwo anders
in Deutschland ist die Gründung einer nach
Beruf organisierten syndikalistischen Jugendorganisation
bekannt geworden, das schafften nur die
Fliesenleger:
„In zünftiger Tradition wurden hier die Jungen
von den älteren Arbeitern (meist den Vätern) selbst
eingearbeitet und angelernt. Die erwachsenen Arbeiter
kontrollierten damit streng die Einstellung
künftiger Gesellen, im doppelten Sinn: Sowohl die
Zahl, als auch die Gesinnung. Die Bauunternehmer
waren dabei ganz ausgeschaltet, was für die
Jugendlichen hieß, dass ihr Gegenüber zunächst
vor allem die proletarischen – Alten – selbst waren.“
(19)
Zäher Kampf (1930-1933)
Im Jahre 1930 bestanden in Düsseldorf noch Ortsvereine
der:
Bauarbeiter: 80 Mitglieder
Fliesenleger: 85
(von insgesamt etwa 120 in der Stadt)(20)
Metallarbeiter: 69
• Zusammen: 234 Mitglieder(21)
Mit der Weltwirtschaftskrise im Jahre 1929 verschärfte
sich die Arbeitslosigkeit und nahm in den
Reihen der Syndikalisten hohe Ausmaße an. Nach
Angaben Carl Windhoffs lag das zum großen Teil
auch daran, dass die von den Syndikalisten nach
verbindlichem Reichskongressbeschluß aufgegebenen
lokalen Betriebsratsposten nun von Zentralgewerkschaftern
übernommen wurden, welche
keine Zustimmung zur Einstellung von Syndikalisten
gaben.
Nach siebenjähriger Tätigkeit bei der Firma „Osterather
Plattenlager“ wurde Carl Windhoff im
Jahre 1930 entlassen und klagte dagegen vor dem
Arbeitsgericht Düsseldorf auf Entschädigung. Den
Grund der Entlassung sah er darin, dass er in allen
Jahren Mitglied der Lohn- und Schlichtungskommission
und „an allen Verhandlungen beteiligt“ gewesen ist, welche sich in solidarischer Weise
um alle Kollegen kümmerte, sie vor Entlassungen
schützen wollte.(22) Vom Präsidium des Landesarbeitsamtes
Köln erhielt er im November 1932 die
Drohung mit sechs Monaten Gefängnis, sollte er
sich weiterhin für das „Krümpersystem“ einsetzen,
welches vorsah, die Erwerbslosen abwechselnd zu
beschäftigen. (23)
Dennoch waren die Syndikalisten nicht kleinzukriegen:
Unter ihrem Druck und ihrer Führung traten
mit ihnen in Düsseldorf noch im Oktober 1932
der Baugewerksbund und die „Christliche Baugewerkschaft“
in den Streik. (24)
Nazizeit (1933-1937)
Den Aussagen Windhoffs beim Polizeiverhör von
1937 zufolge beschloss die Vereinigung der Fliesenleger
ihre Auflösung bereits im Dezember 1932, um
der „neu aufzubauenden nationalsozialistischen
Bauarbeiter-Organisation beizutreten.“ Die Auflö-
sung zum 1. April 1933 sei schon im Januar desselben
Jahres beschlossen und Windhoff mit der
geschäftlichen und formalen Liquidierung beauftragt
worden. Damit wandte er sich gegen die polizeiliche
Ansicht, dass die Fliesenlegerorganisation
durch die Staatsmacht aufgelöst worden sei, um
ihrer Einschätzung als „gefährlich“ entgegenzutreten.
(25) Mit dieser Aussage wollte er die Kollegen
schützen, und wahrscheinlich dachten die Fliesenleger
in vollem Vertrauen auf ihre eigene Überzeugung
und Leistungsfähigkeit (!) tatsächlich daran,
ihren betrieblichen Einfluß in die Nazizeit herüberzuretten,
sich illegal zu organisieren.
Windhoff zahlte die restlichen Gelder für die
Fliesenleger Düsseldorfs an die FAUD und wurde
zu Beginn des Jahres 1933 wegen „Beleidigung“ gerichtlich
verurteilt. (26) Im Sommer 1933 kam es bei
ihm in der Grafenberger Allee 257 zur ersten Hausdurchsuchung
und Verhaftung durch die Polizei.
Er solle Gelder der „Deutschen Arbeitsfront“ unterschlagen
haben. Im Oktober 1934 stand die SA bei
ihm in der Wohnung – über sieben Stunden lang.
Noch im gleichen Jahr folgten eine weitere Durchsuchung
und eine Woche später seine Verhaftung.
Bis März 1937 fanden insgesamt sieben Haussuchungen
bei Windhoff statt. Die gesuchten illegalen
Schriften wurden jedoch nicht gefunden. Am
23. Februar 1937 erfolgte eine erneute Verhaftung
des nunmehr 64-jährigen und seiner Frau durch
die Gestapo. Er sei „geistiger Kopf der Fliesenleger
von Rheinland und Westfalen“ und wurde wegen
„Vorbereitung zum Hochverrat“ angeklagt. Er solle
die Fliesenlegerorganisation „im geheimen“ weitergeführt,
Versammlungen durchgeführt, Gelder
weitergeleitet, an „den Baustellen zu Gewaltakten
gegen die Unternehmer aufgefordert“ und schließ-
lich einen Streik in Lippstadt inszeniert haben. (27)
Dafür wurde Carl Windhoff zu drei Jahren Zuchthaus
verurteilt.
Tod
Der Mitangeklagte Ernst Binder erinnerte sich
im Jahre 1948: „Windhoff war noch während der
Dauer des Prozesses im Vollbesitz seiner geistigen
Kräfte und führte seine Verteidigung selbst. In der
Strafanstalt Lüttringhausen setzte, wahrscheinlich
schon als Folge der langen Untersuchungshaft,
ein schneller gesundheitlicher Verfall ein. Meines
Wissens erlitt er mehrmals einen Gehirnschlag und
wurde zur Beobachtung in das Lazarett der Strafanstalt
Klingelpütz in Köln überführt. Als er von
dort aus wieder nach Lüttringhausen überführt
wurde, war W[indhoff] in einem körperlichen und
geistigen Verfallszustand, dass er alsbald, noch vor
Beendigung seiner Haftzeit, entlassen wurde. Carl
Windhoff hat sich auch zuhause nicht mehr erholt
und starb, offensichtlich an den Folgen der Haft,
am 28. Mai 1941.“ (28)
International
Carl Windhoff war aktiv in der „Internationalen
syndikalistischen Bauarbeiter-Föderation“, dem
branchenspezifischen Pendant zur „Internationalen
Arbeiter-Assoziation“ (IAA). Als Funktionär und
Delegierter referierte er im Jahre 1931 auf dem 4.
IAA-Kongress in Madrid. (29) Diese Internationale
Bauarbeiter-Föderation blieb die einzige in Ansätzen
funktionierende syndikalistische Brancheninternationale
und gab in den Jahren 1931/32 mit dem
„Presse-Dienst“ ein eigenes Organ heraus. (30)
Schlußwort
Aufgrund seiner Biographie war Carl Windhoff so
überzeugt von der gerechten Sache seiner Tätigkeit
und seiner eigenen Überzeugungskraft, dass er sogar
mit seinen Aussagen in den Verhören durch die
Nazis, „auf Verständnis für seine gewerkschaftliche
Tätigkeit rechnete, wo er sich nach Lage der Dinge
sagen musste, dass hier absolut kein Verständnis
zu erwarten war,“ so Ernst Binder im Jahre 1947.
(31) Carl Windhoff gehörte zu den bedeutendsten
Syndikalisten der 1920/30er Jahre in Deutschland.
Seine Persönlichkeit ist beispielgebend für die heutige
Zeit.
• Helge Döhring
(Institut für Syndikalismusforschung, Bremen)

Carl Windhoff zum 60. Geburtstage.

Unser Genosse Carl Windhoff-Düsseldorf wird am
9. November 60 Jahre alt. Sein Name und sein
Wirken sind mit der Geschichte der deutschen
anarcho-syndikalistischen Bewegung untrennbar
verknüpft. Ein großer Teil seines Lebens war dem
Kampfe gegen Staat und Kapital, gegen Vorurteile
und Feigheit seiner Klassengenossen gewidmet.
Auch heute wieder zu seinem 60. Geburtstage
steht er inmitten eines Streikes. Seine Arbeit
und seine Treue zur Sache des revolutionären
Anarcho-Syndikalismus sollen uns Jüngeren ein
Beispiel sein. Die FAUD übermittelt ihrem alten,
aber innerlich jungen Genossen Carl Windhoff
die besten Grüße und Wünsche für die Zukunft
und für weiteres Wirken im Sinne des AnarchoSyndikalismus.
• Die Geschäftskommission. Reinhold Busch“ (25)

Anmerkungen:

(1) Demnach habe er von 1882 bis 1940 gelebt.
(2) Vgl.: Bundesarchiv, R 58-318, Bl. 163.
(3) Seit 1917 lebte er in zweiter Ehe mit Käthe Windhoff zusammen.
(4) Alle Angaben nach: IISG, Rocker Papers, Nr. 606.
(5) Vgl.: „Der Syndikalist”, Nr. 2/1931. Vor dem Krieg wohnte Windhoff in der Bruchstrasse 95 in Grafenberg, vgl.: Protokoll
Fliesenlegerkongress 1906.
(6) Protokoll über die Verhandlungen des 18. Kongresses der Freien
Arbeiter-Union Deutschlands, S. 64.
(7) Vgl.: IISG, Rocker Papers, Nr. 606.
(8) Rudolf Rocker: Aus den Memoiren eines deutschen Anarchisten, S. 300 f.
(9) Vgl.: Protokoll über die Verhandlungen vom 12. Kongress der Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften, Präsenzliste.
(10) Die Tarifverträge waren gekennzeichnet durch eine kurze Laufzeit, während der Revolutionszeit um 1918/19 hatten sie
teilweise eine Kündigungsfrist von nur 24 Stunden, vgl.: Ulrich Klan/Dieter Nelles: „Es lebt noch eine Flamme“…, S. 144.
(11) Vgl.: Vereinigung der Fliesenleger Deutschlands: Protokoll über die Verhandlungen der V. Konferenz.

(12) Protokoll über die Verhandlungen des 18. Kongresses der Freien
Arbeiter-Union Deutschlands, S. 65.
(13) Vgl.: „Der Syndikalist“, Nr. 52/1921.
(14) Vgl.: „Der syndikalistische Bauarbeiter“, Nr. 3/1929, zit.n. Ulrich Klan/ Dieter Nelles: „Es lebt noch eine Flamme“…, S. 168.
(15) Ulrich Klan/Dieter Nelles: „Es lebt noch eine Flamme“…, S. 146.
(16) Das Regulativ der Interessengemeinschaft findet sich neu abgedruckt in: Ulrich Klan/Dieter Nelles: „Es lebt noch eine
Flamme“…, S. 144 f.
(17) Vgl.: IISG, Rocker Papers, Nr. 606.
(18) Vgl.: IISG, Rocker Papers, Nr. 606.
(19) Ulrich Klan/Dieter Nelles: „Es lebt noch eine Flamme“…, S. 201.
(20) Vgl.: Ebd., S. 145.
(21) Protokoll über die Verhandlungen des 18. Kongresses der Freien
Arbeiter-Union Deutschlands, Präsenzliste.
(22) Vgl.: „Der Syndikalist“, Nr. 15/1932.
(23) Vgl.: IISG, Rocker Papers, Nr. 606.
(24) Vgl.: „Der Syndikalist“, Nr. 47/1932. Siehe auch: „Presse-Dienst“ der „Internationalen Syndikalistischen Bauarbeiter Föderation“, November 1932

Quelle: https://muckracker.files.wordpress.com/2012/06/barrikade-5.pdf (Stand: 21.01.2020)

[ssba]