Diego Camacho, genannt Abel Paz ist gestorben (* 12. August 1921 in Almería; † 13. April 2009 in Barcelona)

Abel Paz i Heinrich Friedetzky (FAUD) (Colònia, 1994)

Ab 1934 arbeitete er als Lehrling in einer Textilfabrik. 1935 trat er der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft CNT bei. Bereits als 15-Jähriger kämpfte er im Spanischen Bürgerkrieg auf der Seite von CNT und FAI gegen das Franco-Regime und für die Soziale Revolution.Nach drei Jahren Bürgerkrieg und der Niederschlagung des „kurzen Sommers der Anarchie“ musste er 1939 vor den Truppen des General Franco nach Frankreich flüchten. Dort wurde er mit anderen antifaschistischen Spanienkämpferinnen und -kämpfern in verschiedenen Lagern (Argelès, Barcarès, Saint-Cyprien) interniert. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Frankreich kehrte er 1942 nach Spanien zurück und kämpfte im Untergrund gegen das Franco-Regime. Im Dezember 1942 wurde er verhaftet und bis 1953 inhaftiert. Er emigrierte erneut nach Frankreich, arbeitete dort bis 1977 in einer Druckerei und beteiligte sich unter anderem am Pariser Mai 1968. Abel Paz lebte bis zum 13. April 2009 in Barcelona, wo er in einem Krankenhaus starb.

Ich bin Diego Camacho nur wenige male persönlich begegnet. Neben dem was ihr in den Nachrufen der Jungen Welt und der TAZlesen könnt, möchte ich euch an dieser Stelle teilhaben lassen an ein paar wenigen Erinnerungen.

Zuerst das was einem sofort ins Auge stach: Diego war den „Freuden des Lebens“ nicht abgeneigt, er rauchte wie ein Schlot zu den Hochzeiten der Industrialisierung im Ruhrgebiet und auch einem guten Glas Wein (oder auch zwei, drei Gläsern mehr) war er nicht abgeneigt.

Bei meiner letzten Begegnung mit ihm (Bahnhof Langendreer in Bochum), schien er mir in einem gewissen Sinne müde, ohne dabei seine Energie verloren zu haben. Nach einem kurzen Film und ein paar Worten von ihm zur spanischen Revolution waren die Menschen eingeladen mit ihm zu diskutieren. Auf die interessierte Frage eines jungen Mannes, wie denn damals die Anarchisten die Wirtschaft organisiert hätten, antwortete er lapidar: „Die Menschen heute sind sehr faul. Sie stellen keine guten Fragen und sie lesen nicht mehr. Geh, kauf die ein Buch und ließ. Es ist alles aufgeschrieben“.

Ich für meinen Teil kann seine Haltung gut verstehen, auch wenn ich seinen Tonfall zu rüde fand. Noch ein paar Jahre vorher wirkte er in solchen Situationen gelassener.

Ich erinnere mich daran, das er im BiBaBuZe war. In der ersten Reihe saß Hans Schmitz und lauschte den Schilderungen von Diego. Später fragete Hans nach. Er selbst sei Schlosser, ob er mit seinem Werkzeug durch Barcelona hätte laufen müssen und jemanden finden, der das was er kann zum Beispiel gegen Tomaten tauschen würde. Wir hatten die beiden vorher nicht miteinander bekannt gemacht und ich weiß nicht ob diese alten Anarchisten ein geheimes Signal hatten mit dem sie sich gegenseitig erkennen konnten, aber: Diego nahm die Frage zum Anlass in aller kürze und sehr anschaulich zu erklären, wie Anarchie in der Praxis aussehen kann. Ich glaube beide waren mit der Frage und der Antwort sehr zufrieden.

Bemerkenswert auch seine Antwort auf die Frage eines jungen Antifaschisten. Stellvertretend für viele Antifas wollte er wissen, ob sich Diego nach seiner Flucht aus Spanien in Frankreich dem antifaschistischem Widerstand angeschlossen hätte. So mitfühlend er gerade noch die Frage vom Hans beantwortet hatte, so schroff wurde er nun: Der antifaschistische Widerstand sei nur ein Widerstand gegen den Faschismus gewesen und hätte nur auf die „Befreiung Frankreichs vom Faschismus“ gezielt. Er hätte jedoch für (!) die Revolution gekämpft, seine FreundInnen und KameradInnen (Genossen sagen die Kommunisten) wäre gestorben für die Anarchie. Er hätte es vorgezogen weiterhin für den libertären Kommunismus zu kämpfen.

In einem persönlichen Gespräch nach der Veranstaltung betonte er noch einmal, welchen Stellenwert das Erlebnis der Revolution in seinem Leben einnahm. Eine gewisse Verbitterung über das „überleben“ schien mir mit zu schwingen. Ich selbst, und sicher viele andere, die ihm begegnet sind, seine Filme gesehen oder seine Bücher gelesen haben, sind sicher sehr froh, das Diego es geschafft hat bis ins dritte Jahrtausend u.Z. zu „überleben“.

Möge die Erde dir leicht sein!

[ssba]