Fritz Benner (geb. 6.4.1906 † 11. November 1966) in Solingen

Beruf:               Riemendreher
Todesdatum: 11. November 1966
Todesursache:  unbekannt
Haspeler Schulstr 19 (Barmen – 1935)
Betriebsrat
02.05.1933 bis 05.04.1934 in Schutzhaft; u.a. im KZ Börgermoor, KZ Oranienburg, KZ Lichtenburg, Wuppertal, Gefängnis, Wuppertal, Polizeigefängnis; Grund: Politisch / Reichstagsbrandverordnung
01.02.1935 bis 08.05.1945 Anklage am Oberlandesgericht Hamm; Grund: Politisch / Vorbereitung zum Hochverrat
Exil u.a. in Niederlande & Spanien

von Hansi Oostinga

Fritz Benner wurde am 6. April 1906 in Solingen geboren. Von Beruf war er Riemendreher. 1927/28 trat er ebenso wie sein Bruder Willi der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft Freie Arbeiter-Union Deutschlands (FAUD) in Wuppertal bei. Zu diesem Zeitpunkt hatte diese revolutionäre Gewerkschaftsorganisation ihren Zenit bereits überschritten. Die FAUD, die die Sozialisierung der Produktionsmittel auf Rätebasis propagierte, Parteipolitik und Parlamentarismus ablehnte und durch die „Direkte Aktion“ ihre Ziele verwirklichen wollte, war zu diesem Zeitpunkt in Wuppertal nur noch wenige Dutzend Mitglieder stark. Ihre Aktivitäten verlagerten sich folglich mehr in Richtung Kultur und Propaganda. Besonders die jungen Arbeiter, die Ende der 1920er Jahre über die Syndikalistisch-Anarchistische Jugend Deutschlands (SAJD) zur Bewegung stießen, entfalteten zahlreiche Aktivitäten. Die Brüder Benner traten die Nachfolge des sehr begabten Hauptagitators der FAUD Wuppertal, Hans Schmitz, an, der 1931 an den Folgen von Misshandlungen durch die Nationalsozialisten starb. Außerdem beherbergten sie zeitweise die Leihbibliothek der FAUD Wuppertal, die etwa 1.000 Bände umfasste.

In Wuppertal waren die Auseinanderstzungen zwischen Nationalsozialisten und der Arbeiterbewegung gegen Ende der Weimarer Republik besonders heftig. Die Wuppertaler Anarchosyndikalisten hatten wie in anderen Städten auch eine antifaschistische Wehrorganisation gegründet: die „Schwarze Schar”. Diese war innerhalb der FAUD allerdings ob ihrer schwarzen Uniformierung, aber auch wegen der Verlagerung des Kampfes vom ökonomischen zum politisch-militärischen nicht unumstritten. Die „Schwarze Schar” verschaffte sich allerdings durch ihr entschlossenes Auftreten einigen Respekt. Unter der Wuppertaler Arbeiterschaft herrschte ohnehin ein militanteres Auftreten als in anderen Städten, und so wagte es die SA bis 1933 nicht, in die Arbeiterviertel einzumaschieren. Fritz Benner berichtet in einem Artikel im „Arbeiterecho” recht anschaulich davon, wie Mitglieder anderer Arbeiterorganisationen anarchosyndikalistische Kampfmethoden wie Boykott oder Mieterstreiks übernahmen; unter anderem schreibt er: „In den letzten Monaten hat das Proletariat Anfänge gemacht, die Parolen der Anarcho-Syndikalisten, wenn auch unbewußt, anzuwenden. Als vor einigen Monaten an dem berüchtigten Schwarzen Sonntag in Wuppertal die Faschisten wie überall den Versuch machten, die Arbeiterviertel zu erobern, stand das Proletariat in ungewohnter Einheitsfront zusammen. Proleten, die schon viele Jahre in der SPD oder im Reichsbanner waren, vergaßen plötzlich die Parolen ihrer Führer, sich nur ruhig auf die Staatsmacht zu verlassen. Sie trieben Schulter an Schulter mit Kommunisten und Syndikalisten die braune Pest zu Paaren.” (Arbeiterecho, Nr.3, 1933)

Seit Anfang 1930 war Fritz Benner Betriebsrat bei der Firma Cosman-Villbrandt und Zehnder. Im Mai 1933 wurde er von der SS verhaftet, weil er auf einer Betriebsversammlung Stellung gegen die Nationalsozialisten bezogen hatte. Ihm wurde vorgeworfen, zum Streik aufgerufen zu haben. Da der zuständige Untersuchungsrichter keinen Haftbefehl ausstellen wollte, führte die Gestapo bei seinem Bruder Willi Benner, bei dem Fritz gemeldet war, und bei seinen Eltern eine Hausdurchsuchung durch. Einen im Keller von Willi Benner versteckten Revolver und einen im Garten vergrabenen Karabiner fanden sie zwar nicht, aber sie beschlagnahmten ausreichend Material, um eine Rechtfertigung für die Verhaftung der drei Brüder Fritz, August und Willi Benner sowie des Vaters zu konstruieren. Kunstdünger, der sich im Keller von Willi Benner befand, wurde kurzerhand zu Sprengstoff umdeklariert und Zyankali, das der Vater zur Rattenbekämpfung benutzte, wurde zum Beweis für einen seitens der Anarchosyndikalisten geplanten Anschlag aufs Trinkwasser. Außerdem fanden sie im Haus der Eltern den Brief eines Jugendlichen aus Solingen an ein FAUD-Mitglied. Der Jugendliche berichtete darin von der schlechten Behandlung im Arbeitsdienst. Beim Bruder stießen sie auf die bei den Nationalsozialisten besonders verhasste FAUD-Broschüre „Über Hildburghausen ins dritte Reich” und beschlagnahmten daraufhin die vorhandenen Bücher bis auf zwei Werke des russischen Anarchisten Kropotkin, die sie fälschlicherweise für landwirtschaftliche Literatur hielten.

Der politisch nicht organisierte Vater wurde nach wenigen Wochen wieder freigelassen. Die drei Brüder blieben in Schutzhaft. Fritz Benners Weg führte über das Gefängnis Bendahl zum Polizeigefängnis Bachstraße. Im August wurde er ins Konzentrationslager Börgermoor eingeliefert und etwa im September kam er ins Konzentrationslager Oranienburg. Dort freundete er sich mit dem anarchistischen Dichter Erich Mühsam an, der kurz zuvor selbst der FAUD beigetreten war. Er mußte mit ansehen, wie er später an Albert de Jong schrieb, „wie man den Menschen, den ich am meisten verehrte, den Menschen, durch dessen Schriften ich Revolutionär und Anarchist geworden war, langsam sadistisch zu Tode quälte.” (Zit. nach: Berner, „Die unsichtbare Front”, S. 112f.)

Im Februar 1934 wurde Fritz Benner ins Konzentrationslager Lichtenburg überführt, aus dem er am 5. April entlassen wurde. Zu diesem Zeitpunkt war die illegale FAUD in Wuppertal noch aktiv. Auch Benner setzte seine illegale Arbeit fort. Neben illegalen Treffen sammelte man für inhaftierte Genossen, stellte Propagandamaterial her und verteilte es. Im Oktober 1934 kam es zu mehreren Verhaftungen Wuppertaler Anarchosyndikalisten.

Fritz Benner konnte sich im Februar 1935 einer erneuten Verhaftung durch eine Flucht nach Holland entziehen. In Amsterdam arbeitete er in der Gruppe Deutscher Anarcho-Syndikalisten (DAS), der Organisation der exilierten FAUD-Mitglieder. Die Gruppe DAS stand in Kontakt mit der illegalen Geschäftskommision in Deutschland, versorgte die illegalen Gruppen in Deutschland mit Informationen und Zeitungen und kümmerte sich um deutsche Flüchtlinge. Bei Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges, in dem die spanischen Anarchosyndikalisten eine führende Rolle spielten, ging Fritz Benner gemeinsam mit Helmut Kirschey, einem weiteren Wuppertaler FAUD-Mitglied, nach Barcelona. Hier war er ebenfalls in der Gruppe DAS aktiv und schloss sich später der Kolonne Durruti an. An der Front brach erneut ein Lungenleiden aus, das er sich bereits im Konzentrationslager zugezogen hatte. Nach einem Lazarettaufenthalt ging er zurück an die Front. Das politische Klima hatte sich allerdings verändert. Helmut Kirschey war bereits von der stalinistischen Geheimpolizei GPU in einem Gefängnis in Valencia inhaftiert worden, aus dem ihn die Anarchisten kurz vor Einmarsch der Franco-Truppen befreiten. 1938 verließen Benner und Kirschey Spanien Richtung Schweden. In Dänemark wurde Fritz Benner nach Frankreich zurückgeschickt, da sein spanischer Notpass nicht anerkannt wurde. Es gelang ihm aber über Holland, wo Genossen ihm einen holländischen Pass besorgten, nach Schweden zu kommen. Dort wurde er festgenommen und wegen Passfälschung zu drei Monaten Gefängnis verurteilt, und man drohte ihm mit Abschiebung, die aber nicht durchgeführt wurde. Bis Kriegsende wurde er aber unter Polizeiaufsicht gestellt. Da er keine Arbeitserlaubnis erhielt, musste er bis 1943 von der Unterstützung der schwedischen syndikalistischen Gewerkschaft SAC leben. 1940 wurde er auf Verlangen der Gestapo erneut von den schwedischen Behörden interniert. Es wurde ihm vorgeworfen, Sabotage auf deutschen Schiffen zu betreiben. Mit Hilfe einer Kampagne der SAC, deren Tageszeitung „Arbetaren” und eines Hungerstreiks, wurde nach vier Monaten Benners Freilassung erreicht.

Fritz Benner heiratete eine Schwedin. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. 1949 kehrte er nach Wuppertal zurück, wo er sich in der Föderation Freiheitlicher Sozialisten (FFS), der Nachfolgeorganisation der FAUD, engagierte. Er pflegte zudem Briefkontakt mit dem in die USA emigrierten Rudolf Rocker, dem führenden Kopf des deutschen Anarchosyndikalismus. Da der Wiedergutmachungsausschuss in Wuppertal hauptsächlich aus Kommunisten bestand, wurde sein Antrag auf Wiedergutmachung abgelehnt, woraufhin er den Bearbeiter verprügelte. Im Juni 1949 wurde er als politisch Verfolgter anerkannt.

Anfang der 1950er zog er wegen seiner Famillie zurück nach Schweden, wo er sich aber nie wohl gefühlt hat. Am 11. November 1966 verstarb er in Stockholm.

Quellen:

SAPMO-BArch, R 58/318, Bl. 164.
R 58/2308, Bl. 3.
R 58/3254, Bl. 15.
RY 1/I 2/3/43, Bl 314-320 (KPD).
StA Wuppertal, Wiedergutmachungsakte Fritz Benner (11 017).
Berner, Rudolf, Die unsichtbare Front. Bericht über die illegale Arbeit in Deutschland (1937). Herausgegeben, annotiert und ergänzt durch eine Studie zu Widerstand und Exil deutscher Anarchisten und Anarchosyndikalisten von Andreas G. Graf und Dieter Nelles, Berlin/Köln 1997.
Degen, Hans Jürgen, Anarchismus in Deutschland 1945 – 1960. Die Föderation Freiheitlicher Sozialisten, Ulm 2002.
H. (FAU Bremen), Syndikalist aus Überzeugung. Erich Mühsams Entscheidung erfolgte nach gründlicher Abwägung zugunsten der FAUD, in: Direkte Aktion, Nr. 158, Juli/August 2003.
Interview mit Hans Schmitz [jun.], Dezember 2004.
Nelles, Dieter/Klan, Uli, „Es lebt noch eine Flamme”. Rheinische Anarcho-Syndikalisten/-innen in der Weimarer Republik und im Faschismus, Grafenau 1990.
Schmitz [jun.], Hans, „Umsonst is dat nie“, Widerstand – ein persönlicher Bericht, Grafenau 2004.

Veröffentlicht in: Siegfried Mielke (Hrsg.) in Verbindung mit Günther Morsch: Gewerkschafter in den Konzentrationslagern Oranienburg und Sachsenhausen. Biographisches Handbuch. Band 3, Berlin 2005, S.243-24
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