März 1920 – Eine vergessene Revolution

Am Samstag, den 25. März traf sich auf Einladung der FAU Düsseldorf eine Gruppe Interessierter Männer und Frauen am Duisburger Hauptbahnhof um sich auf die Spuren einer längst vergessenen Revolution zu begeben. Bevor wir starteten, gab es einen ersten kleinen Vortrag zu den Hintergründen des Kapp-Lüttwitz-Putsches, und den verschiedenen Kräften der Reaktion. Bei herrlichstem Sonnenschein und angenehmen Temperaturen ging es dann zuerst durch die Innenstadt, vorbei an mittelalterlichen Zeugnissen der Siedlungsgeschichte zur Mündung der Ruhr in den Rhein. Dort konnte man das „Rheinorange“, den „Neptun“ und den „Ruhrorter Tönneekesdrieter“ bewundern.
Bei klarer Sicht konnte man schon früh die „Grubenlampe“ von Moers auf der anderen Seite des alten Vaters Rhein sehen. Für viele erstaunlich war das Ausmaß des Thyssengeländes an dem wir…

 

über einige Kilometer immer hart am Fluss lang vorbei führen. Am Hüttenwerk mussten wir den Rhein verlassen. Am Sinalco-Werk konnten wir die Frage ob die Arbeiter*innen des Werkes 1920 in die Revolution/den Generalstreik verwickelt waren leider nicht beantworten. Wir werden da aber noch mal nachforschen. Am Kraftwerk vorbei ging es dann zu unserer ersten Station, dem Friedhof in Walsum. Dort befindet sich eines der wenigen Denkmäler, das an die Revolution erinnert. Vor einigen Jahren wurde es vom Friedhofsgärtner (der damals Sympathisant der FAU war) zusammen mit einigen Gräbern der Zwangsarbeiter*innen des NS-Regimens „wieder entdeckt“. Thema am Denkmal waren die Arbeiterwehren und die halbwegsbekannte Rote Ruhr Armee.
Bevor wir dann Richtung Dinslaken weiter fuhren, nutzen wir das schöne Wetter um im Café neben dem Friedhof eine kleines Rast bei Kaffee und Kuchen zu machen. Nach wenigen Kilometern entlang der Rheinauen erreichten wir dann auch schon den Friedhof in Dinslaken. Hier hatten DKP und Linke einen Kranz niedergelegt. Bezeichnender Weise erinnerten sie sich nur an die „Verteidiger der Republik“ – und so überhaupt nicht an die Revolution, die hinter der entstehenden Front um sich griff. Der Vortrag der hier gehalten wurde, rückte aber genau diese Fragen in den Mittelpunkt. Die Übernahme der Fabriken und der kommunalen Verwaltungen wurden ebenso beleuchtet wie Fragen der Versorgung, der Gefangenenbefreiung und vieles andere mehr.
Ohne Pause ging es dann direkt weiter nach Hünxe. Dort liegt in einem Wald etwas versteckt und abseits der Wege ein altes Massengrab. Ein kleines Kunstwerk ist dort zum Gedenken schon in den 1920er Jahren errichtet worden – Ein Baum, dessen treibende Äste abgeschlagen scheinen. Auch hier war offensichtlich schon Menschen vor uns da. Wir fanden einen kleinen Strauß Tulpen und ein paar Kieselsteine auf dem Denkmal. Im Vortrag widmete sich der Rolle der Frauen in der Revolution ebenso wie der Frage was die Arbeiter*innen eigentlich nach der Revolution gemacht haben. Leisteten sie Widerstand gegen den Faschismus? Schlossen sie sich der Revolution in Spanien an? Die idyllische Lage lud uns zu einem kleinen spontanen Picknick ein. Geschwisterlich wurden die mitgebrachten Leckereien je nach dieätischer vorliebe (vegetarisch/Vegan/ fleischliche Kost/Süßigkeiten) untereinander aufgeteilt. Danach ging es noch ein Stück weiter durch den Wald, bevor wir uns wieder auf der Straße nach Krudenburg befanden. Kurz vor dem kleinen Dorf ging es über die Lippe, die 1920 die „Grenze“ zwischen dem revolutionärem Ruhrgebiet und dem flachen Land darstellte. Kurz nach dem Dorfeingang befindet sich direkt an der Lippe gelegen ein kleiner Rastplatz. Von dort kann man Richtung Ruhrgebiet schauend auf der anderen Seite des Flusses ein altes Massengrab erahnen. Dort befanden sich auch Jahrzehnte nach Gründung der BRD noch die Knochen der von der Soldateska ermordeten Arbeiter. Im Zentrum des Dorfes befinden sich zwei Gaststätten – da die eine leider geschlossen war, konnten wir nur eine Wirtin mit unserer Anwesenheit erfreuen. Nach einem kühlen Bier (oder eine Tasse Kaffe – je nach Lust und Laune) ging es dann weiter zum Dorfausgang. Dort befindet sich der letzte Ort, den wir für einen Stopp mit Vortrag vorgesehen hatten. Der alte (von den Nazis vollständig zerstörte jüdische Friedhof). Hier steht ein Grabstein, an dem der Zahn der Zeit schon ordentlich genagt hat. Das besondere ist die Inschrift, „Das Banner steht / Wenn der Mann auch fällt / März 1920 / Hier ruhen Gustav Dahl, Otto Wehner aus Barmen und fünf unbekannte / Märzkämpfer. / Gefallen März 1920“ (von der nur noch „Hier ruhen Gustav Dahl, Otto Wehner aus Barmen und fünf unbekannte“ zu lesen ist) – werden hier doch auch Namen und Orte der Arbeiter genannt! Seit einigen Jahren findet sich direkt neben diesem Grabstein auch ein neuer jüdischer Grabstein, der an die hier vormals beerdigten
Jüd*innen von Krudenburg erinnert. Im Vortrag ging es dann unter anderem auch um die Strategie der Reaktion während der Revolution antisemitische Flugblätter über den Ruhrgebiet abwerfen zu lassen und ihre Agenten damit zu Beauftragen antisemitische Plakate auf zu hängen. Bemerkenswert die Reaktion der Arbeiterschaft, die exemplarisch dargestellt wurde.

Statt von hier weiter nach Wesel zu fahren und von dort den Zug zurück zu nehmen. Entschlossen wir uns spontan den Heimweg so an zu treten wie wir gekommen waren – auf dem Rad. Die ganze Rückfahrt nutzten wir um über weitere Aspekte, die während der Vorträge nur kurz angerissen wurden oder gar nicht vorkamen, zu sprechen.
Bei einer letzten Einkehr, im Biergarten des Sinalco-Werkes, ging es dann auch intensiv um die Rolle der SPD, USPD und KPD und die Konfliktlinien die sich in der Arbeiterschaft aufgetan haben. Die Ereignisse und Konfliktlinien wurden schließlich noch mit der russischen (von 1917-21) und spanischen Revolution (1936-39) verglichen.

Nachwort:
Für alle die, aus welchen Gründen auch immer diese Radtour verpasst haben, sei gesagt, das wir dieses Jahr (Mai/Juni oder Juli/August) noch einmal die Strecke abfahren und die Vorträge halten werden. Wenn ihr also schon immer mal wissen wolltet:
# ob es Frauen in der Revolution gab und was sie gemacht haben
# ob die Arbeiterschaft versucht hat die Fabriken zu übernehmen und/oder die Verwaltung der Städte
# wie sie zum Antisemitismus stand
# welche Vorstellungen es bezüglich der „Vergesellschaftung der Produktionsmittel“ gab
# wie mit Polizei, Justiz und Gefängnissen umgegangen wurde
# ob es eine Zensur gab
# welche Stadt die größte Arbeiterwehr hatte oder
# wie sich die Rote Ruhr Armee zusammengesetzt hat
# …..
Der und die sind herzlich eingeladen das nächste mal mit zu kommen!

[ssba]