Solidaritätserklärung mit den Sozialprotesten in Frankreich

Die Bewegung der „gillette jaune“ schafft es nun schon seit Monaten regelmäßig 10 und 100.000 Menschen auf die Strasse zu bringen. Und nicht nur das – sie rufen mittlerweile zur „Versammlung der Versammlungen“ auf um eigene, nicht hierarschische, und antiautoritäre Strukturen auf zu bauen. Aber, wie sollte es auch anders sein, bei einer Bewegung die spontan entstanden ist und jenseits aller organisierter Strukturen von Politik und Gewerkschaften existiert: sie ist umkämpft. So versuchen Nationalisten und Faschisten sich der Bewegung zu bemächtigen und im trüben nach neuen Anhänger*innen zu fischen. Bisher ist es den Anarchist*innen, Syndikalist*innen und Antifaschist*innen zusammen mit vielen die sich spontan den „gillette jaune“ angeschlossen haben, den Einfluß der Rechten gering zu halten.

Auch die CNT Frankreich beteiligt sich daran die Rechte zurückzudrängen, bzw. sie erst gar nicht in der Bewegung der „gillette jaune“ stark werden zu lassen.

Es folgt eine teilweise Dokumentation eines Textes der französischen Confédération Nationale du Travail.

Aufruf zur Solidarität mit der Massenbewegung der Gelben Westen in Frankreich

Seit über zwei Monaten erschüttert eine gesellschaftliche Bewegung neuen Typs das Land. Hunderttausene Menschen, zumeist aus der Arbeiter*innen-Klasse (arme Arbeiter*innen oder aus der Mittelklasse, Erwerbslose, Zeitarbeiter*innen, Rentner*innen,…). Sie versammeln sich, um spontan öffentliche Plätze zu besetzen, vor allem die Kreisverkehre, welche sich meist an den Einfallstraßen der Ortschaften oder Städte befinden. Damit wollen sie ihren Ärger über das aktuelle politische System ausdrücken und versuchen Wege zu finden, um dieses zu überwinden.

Anarchosyndicalisme, no.162


Diese tausenden Menschen haben dabei Methoden des Kampfes angewendet, die uns Anarchosyndikalist*innen bekannt sind: Abstimmung in Versammlungen und Verweigerung von Führerschaft oder Stellvertretung. Auch wenden sie direkte Aktionen an, die von den Betroffenen selbst ausgeführt werden, ohne politische Parteien, Gewerkschaften oder andere Organisationen außerhalb der Versammlungen, die als Vermittler*innen gegenüber Staatsmacht oder Chefs auftreten. Es handelt sich bei den Gelben Westen um eine autonome Bewegung mit einer Vielfalt von Taktiken und Beweglichkeit (wobei „auto-“einfach nur „selbst-“ bedeutet und „nomos“ den Wert, wobei eine autonome Bewegung selbst über ihre Aktionsformen entscheidet, unabhängig von Regelwerken und Gesetzen).

Als Erkennungszeichen haben sich die kämpferischen Leute die Gelbe Weste ausgewählt, ein allgemeines Symbol, das alle gleich bewertet und diejenigen sichtbar macht, welche die Mächtigen nicht sehen wollen: die Armen, die aus dem Wirtschaftssystem von Kapitalismus und Globalisierung Ausgeschlossenen. Die Chefs und Kapitalist*innen machen sich Sorgen über die ökonomischen Folgen dieser Bewegung. Die Kosten für die französischen Wirtschaft werden bereits auf mehrere Milliarden Euro geschätzt. In den zwei Monaten dieser selbstbestimmten Bewegung haben die Gelbwesten bereits mehr sozialen Fortschritt durchgesetzt als die Vertreter*innen der Gewerkschaften und die politischen Wahlen der letzten 20 Jahre.

Gelbe Weste:

Ihr habt wahrscheinlich die Filme und Bilder gesehen von den Zusammenstößen zwischen den Gelben Westen und den Aufstandsbekämpfunsgeinheiten der Polizei, die seit November jede Woche stattfinden. Diese Bilder sind sicherlich spektakulär; man kann sogar sagen, dass in Paris am 01. Dezember ein Aufstand stattgefunden hat – so wie jedes Wochenende in Toulouse (wo unsere landesweit bedeutendste Gruppeansässig ist). Doch man sollte darüber hinausschauen und die Sogwirkung der Bilder vermeiden. In unseren Augen sind für diese Bewegung nicht so sehr die Schlachtenbilder wichtig, die im Internet und im TV ihre Kreise ziehen, sondern hingegen die Tatsache, dass tausende Menschen sich nun regelmäßig auf Versammlungen treffen, um für sich selbst zu stimmen, ohne politische Parteien oder außenstehende Organisationen, damit sie ihre eigene Strategie entwickeln können, Kapitalismus und Staat zu kritisieren.

Die Mächtigen (Kapitalismus, Klasse und Staat) haben weniger vor der spektakulären Gewalt Angst, als eher vor diesem Moment des Massenbewußtseins der Arbeiter*innen für ihre eigene Fähigkeit zu selbstbestimmten Aktionen. Im Verlauf der Wochen hat sich die Revolte, welche sich anfangs nur um das Thema Benzinsteuer drehte, ausgeweitet und könnte das System als Ganzes in Frage stellen. Die Mächtigen versuchen unter Einsatz aller verfügbaren Mittel diese Bewegung zu brechen: Zuerst wurde behauptet, diese Bewegung sei rechtsextrem. Bei diesem lächerlichen Versuch der Zerschlagung hatte der Staat die Hilfe einer Mehrheit der libertären oder linken Organisationen, die derart abgeschnitten von der Arbeiter*klasse sind, dass sie nicht in der Lage waren, die Klasseninteressen dieser Bewegung zu erkennen. Es stimmt zwar, dass – in einigen Städten – Rassist*innen anfangs versucht hatten, die Gelbwesten zu beeinflussen, aber seitdem sind sie in einer Minderheit und wurden teilweise sogar gewaltsam vertrieben.

Danach hat die Regierung versucht die Gemüter zu beruhigen, indem sie einige Fördergelder für Leute mit Niedrigstlöhnen angekündigt hat. Doch diese Maßnahme war dermaßen abseits der gesellschaftlichen Wirklichkeit, dass sie eher als eine Beleidigung empfunden wurde. Also haben Staat und Kapitalismus ihre Masken fallen gelassen und ihre wahres, gewalttätige Gesicht gezeigt. Sie haben uns daran erinnert: „Der Staat hat das rechtmäßige Gewaltmonopol“. Und der Kapitalismus baut auf ein System von Herrschaft der Stärksten über die Schwächsten.

Dabei wurden seit Beginn der Bewegung mehrere tausend Rebell*innen festgenommen und hunderte zu schweren Haftstrafen verurteilt, manchmal bloß für das einfache Vergehen, während eines Protestes auf der Straße gewesen zu sein. Hunderte Menschen wurden verletzt, manche haben durch Sprenggranaten ihre Hände oder Füße abgerissen bekommen, anderen wurden die Augen oder Wangen von Gummigeschossen durchschlagen.

Die Aktivist*innen der CNT-IAA haben seit Beginn an der Bewegung der Gelben Westen teilgenommen. Anfangs kamen wir nur um zuzuschauen und zu verstehen, was passiert. Schnell wurde klar, dass wir uns den Leuten anschließen, die unsere Organisationsformen der Versammlung ohne Stellvertreter*innen teilen und politische Parteien oder Wahlen ablehnen, um soziale Gerechtigkeit zu fordern. Daher schien es uns selbstverständlich daran ganz teilzunehmen, wobei wir stets die anarchosyndikalistischen Prinzipien anerkennen. Unsere Teilnahme hatte zudem das Ziel die Faschist*innen und andere gefährliche politische Schädlinge zurückzudrängen, welche versuchen diese Bewegung zu benutzen.

Aktuell gibt es viele Leute, die verhaftet und zu Haftstrafen verurteilt wurden, meistens Arbeiter*innen (mit oder ohne Arbeit), von denen viele ohne Geld oder Kontakte dastehen. Die Aufgaben von Anarchosyndikalist*innen ist auch, Solidarität mit den Gefangenen des sozialen Kampfes zu zeigen und deren Freilassung zu fordern. Daher veröffentlichen wir nun einen Solidaritätsaufruf, bei dem jede Unterstützungsaktion (sei sie auch symbolisch) willkommen ist.

Für den 05. Februar organisieren die Gelben Westen einen Streik. Und die CNT-IAA ruft dazu auf, sich dem Generalstreik anzuschließen.

Staat und Kapitalismus sind Gewalt!
Freiheit für die Gefangenen der sozialen Revolte!

CNT-IAA Frankreich

Quelle:
https://iwa-ait.org/content/solidarity-social-protests-france-resistance-capitalism-exploitationand-state

[ssba]