Nachbericht zur Veranstaltung „Anarchosyndikalismus – Ist das neu, oder kann das weg?“, am 08.12.2019, im Chapeau Kultur, Mönchengladbach-Rheydt:
Wir, die FAU Sektion Mönchengladbach, lasen nicht wie angekündigt aus dem Buch „Schwarze Flamme – Revolutionäre Klassenpolitik im Anarchismus und Syndikalismus“ von Lucien van der Walt und Michael Schmidt, sondern stellten kurzfristig um auf den Text „Das Langweiligste der Welt – Die Gewerkschaft als Mittel zur Transformation“ von Holger Marcks.
Was bewegte uns zu dieser Änderung? Am Tag der Veranstaltung erreichten uns ausführliche Informationen zu Michael Schmidt, einem der beiden Autoren von „Schwarze Flamme“, der offenbar als sogenannter „Nationalanarchist“ innerhalb und außerhalb des Internets in Erscheinung getreten ist. Wir halten seine massiv nationalistischen und rassistischen Äußerungen für ausreichend belegt (s. dazu die Links am Ende des Berichts).
Im Buch selber fanden wir keine solche Inhalte und auch bei der Vorbereitung der Veranstaltung sind wir nicht auf entsprechende Hinweise im Internet gestoßen. Die bekannt gewordenen Ansichten und Aktivitäten Schmidts haben für uns aber nichts mit Anarchismus und Syndikalismus zu tun. Wir lehnen sie vollständig ab. Daher wollten wir uns bei unserer Veranstaltung nicht mehr explizit auf ein Buch beziehen, bei dem dieser Co-Autor ist.
Den Text von Holger Marcks hielten wir für eine sehr gute Alternative und unsere Entscheidung für ihn wurde mit unserer entsprechenden Erläuterung von den ca. 15 Besucher*innen positiv aufgenommen. So lasen und diskutierten wir also kapitelweise miteinander den Text über gesellschaftliche Transformationsstrategien außerhalb von Parlamenten. Wir beschäftigten uns mit der syndikalistischen Konzeption etwa im Kontrast zum politischen Marxismus. Die Notwendigkeit, das Kampffeld zur Änderung der gesellschaftlichen Machtverhältnisse im Bereich der Ökonomie zu suchen, war ein Aspekt. Das Konzept der „direkten Aktion“ ein weiterer. Ebenso wie das Föderalismuskonzept im Syndikalismus mit einer weitgehenden Selbständigkeit der Basiseinheiten. Anschließend kamen kamen wir zur Revolutionstheorie des Syndikalismus, die nicht auf eine politische, sondern auf eine soziale Revolution abzielt. Zum Schluss ging es um die Revolution als das „Langweiligste der Welt“, weil sie die kleinen Kämpfe um alltägliche Verbesserungen für möglichst alle Menschen in der Gesellschaft miteinschließt und sie nicht als ein kurzzeitiges Event, das von heute auf morgen einfach eintritt, gedacht wird
Marcks‘ Aufsatz wurde allgemein als recht anspruchsvoll eingestuft. Einmal nahmen wir auch das Internet zu Hilfe, um einen unklaren Begriff für uns alle zu klären. Angeregt durch den Text kritisierte ein Diskussionsteilnehmer die Vernachlässigung der „Frauenfrage“ bei Marx im Vergleich zum Anarchismus, ein anderer beklagte den Zustand der Linken ganz allgemein und hielt einige genannte anarchosyndikalistische Grundüberzeugungen für nutzenswert.
Die Veranstaltung hat uns gezeigt, dass Menschen unterschiedlichen Alters an der gemeinsamen Lektüre und Diskussion relativ komplexer Texte interessiert sind. Das ermutigt uns, ähnliche Veranstaltungen auch in Zukunft zu machen und für anarchosyndikalistische Theorie sowie Praxis ein breiteres Bewusstsein zu schaffen.
Recherche zum Co-Autor Michael Schmidt: https://medium.com/@rossstephens/about-schmidt-how-a-white-nationalist-seduced-anarchists-around-the-world-chapter-1-1a6fa255b528
Statement von Lucien van der Walt: https://ithanarquista.wordpress.com/2017/04/11/lucien-van-der-walt-2017-statement-on-michael-schmidt-affair-10-april-2017/
Stellungnahme von AK Press: https://m.facebook.com/AKPress/posts/10156164515845249