Anmerkungen zum katalanischen Unabhängigkeitsprozess

graswurzelrevolutionSeit die Bilder von prügelnden spanischen Nationalpolizisten gegen Wahlwillige am Tag des Unabhängigkeitsreferendums (1.10.2017) um die Welt gingen, ist die katalanische Unabhängigkeitsbewegung in der publizistischen Weltöffentlichkeit angelangt. Es ist hier nicht der Ort, die Entwicklung dieser Bewegung in allen Einzelheiten nachzuzeichnen. Zum Charakter dieser Bewegung und den sie treibenden Motiven sind jedoch m.E. einige Bemerkungen angebracht.

In linken, sich antikapitalistisch verstehenden Kreisen (bis hinein in das von anarchistischen Ideen beeinflusste Milieu) überwiegt eine positive bis enthusiastische Stellungnahme. Der gemeinsame Tenor ist, dass es sich hier um eine Bewegung „von unten“, des „katalanischen Volkes“ für Selbstbestimmung und mehr Demokratie und gegen den spanischen Zentralismus gerichtet handele.

Zwar wird (oft nur in Nebensätzen) zugestanden, dass katalanistische konservative und liberale Kräfte und Parteien darin auch eine Rolle spielen, jedoch würden diese von der „Volksbewegung“ vor sich hergetrieben und es sei nur eine Frage der Zeit, bei entsprechenden Massenmobilisierungen, bis diese von der Basisbewegung verdrängt würden. Unerwähnt bleibt dabei, dass von Seiten bestimmter katalanischer Eliten, gruppiert besonders um die katalanistische Partei ERC (dt.: Republikanische Linke Kataloniens) und diverser von ihr mit ins Leben gerufenen Massenorganisationen und Kulturvereinigungen (z.B. ANC = span. Nationalkongress u. Omnium Cultural) schon seit vielen Jahren ein „Katalanisierungsprozess“ vorangetrieben wurde, mit dem bewusst angestrebtem Ziel der nationalen Unabhängigkeit und zu seiner Absicherung eine „Nationalisierung der Massen“. Ein Prozess übrigens, dem auch der wegen Korruption angeklagte ehemalige Landesvater Pujol, schon unter Franco und besonders danach kräftig vorgearbeitet hatte, auch wenn bis zu seiner Abdankung eher ein Aushandeln um mehr finanzielle und kulturelle Kompetenzen im Vordergrund stand. Nicht zu vergessen auch die diversen Vorläuferorganisationen (bspw. PSAN, dt.: Sozialistische Partei für nationale Befreiung, MDT, dt.: Bewegung zur Verteidigung des Landes, etc.) auf dem ‚linken‘ Flügel, die heute großenteils bei ERC oder CUP (dt.: Kandidatur der Volkseinheit, linker Parteienzusammenschluss) gelandet sind, und die schon seit langem versuchen, die „nationale Frage“ links zu besetzen, bzw. soziale Bewegungen unter das nationale Banner zu bringen.

weiter lesen->

[ssba]