Was wollen die Syndikalisten?

Aufmacher der allerersten Ausgabe des „Syndikalist“, Reichsorgan der FAUD: Syndikalist, Nr. 1 vom 14.12.1918

Allen Gewalten von links und rechts zum Trotz stürmt er voran. Sozialdemokratische und Zentralverbands-Führer, Militärkanaille und brutale Polizei-Willkür und eine feile Justiz haben kein Mittel gescheut, die Ideen des Syndikalismus in Deutschland totzuschlagen. Unsere Presse wurde in den ersten Augusttagen 1914 verboten, führende Genossen in „Schutzhaft“ gesteckt, den Vereinen und Agitatoren jede öffentliche Tätigkeit unmöglich gemacht. Und dennoch: die Kampfmittel des Syndikalismus werden heute in allen Ecken des Deutschen Reiches angewandt, instinktiv fühlt die Masse, dass die Zeit des Wünschens und Forderns vorbei, dass die Zeit des Nehmens begonnen hat.

Die Arbeitermassen, jahrzehntelang in der Sozialdemokratie und den Verbünden zum Kadavergehorsam erzogen, bäumen sich auf gegen die Beamtenbürokratie. Die Arbeiter wissen jetzt, dass sie von ihren eignen  Angestellten genau so betrogen wurden, wie das gesamte Volk von der kaiserlichen Regierung. Die kaiserliche Regierung wurde gestürzt, nicht mit parlamentarisch-gesetzlichen Mitteln, sondern mit Hilfe der direkten Aktion, nicht mit dem Stimmzettel, sondern mit Waffengewalt durch streikende Arbeiter und meuternde Soldaten.

Ohne auf den Auftrag weiser Führer zu warten, bildeten sich spontan allerorten Soldaten- und Arbeiterräte, die sofort darangingen, die alten Gewalten beiseite zu schieben. Alle Macht den Arbeiter- und Soldatenräten! Das wurde jetzt Parole, Fabriken und Werkstätten, Bergwerke und Kasernen waren plötzlich in den Händen der arbeitenden Masse. Durch wilde Streiks schuf man sich menschenwürdige Verhältnisse.

Man hatte von uns und unseren Ideen jahrelang nichts hören wollen. Jetzt aber brauchte man unsere Waffen.
Schon aber hat sich die sozialdemokratische und zentralverbändlerische Beamtenbürokratie mit dem Unternehmertum verbunden, um den Kapitalismus zu retten. Das Ausbeutertum weiß es, und die Arbeiterschaft muß es lernen: Jede politische Freiheit und Gleichheit ohne wirtschaftliche Macht ist ein großer Schwindel, hinter dem neue Ausbeutung neuer Imperialismus, neues Wettrüsten, neue Kriege lauern.

Das Ziel des Syndikalismus ist die Beseitigung der Lohnarbeit, die Enteignung der Großkapitalisten an Grund und Boden, an Fabriken und Produktionsmitteln. Die Errichtung der sozialistisch-kommunistischen Produktion. Die syndikalistischen Organisationen müssen die Träger der sozialistischen Produktion werden. Alle Reformen, alle Lohnerhöhungen innerhalb der kapitalistischen Wirtschaftsordnung sind Scheinreformen.

Die Aufgabe des Syndikalismus ist es, die Arbeiter reif zu machen für die soziale Revolution, sie mit Energie und Tatkraft zu erfüllen, um die Lohnknechtschaft abzustreifen. Der Syndikalismus verwirft die Beteiligung am bürgerlichen Parlamentarismus. Statt des unnützen Redens der gewählten Führer im Parlament setzt der Syndikalismus die direkte Aktion, die schaffende Tat der Massen.

Auch die politischen Kämpfe führt der Syndikalismus mit gewerkschaftlichen Mitteln (Solidaritäts- und Generalstreik, Boykott, passive Resistenz, Sabot usw.), nicht aber mit papiernen Resolutionen und Protesten. Der Syndikalismus hält deshalb die Zweiteilung der Arbeiterbewegung für zwecklos, er will die Konzentration der Kräfte.

Vorläufig aber empfehlen wir unseren Mitgliedern, allerorten mit den am weitest linksstehenden Gruppen der Arbeiterbewegung: den Unabhängigen, dem Spartakusbund, in wirtschaftlichen und politischen Fragen gemeinsam zu handeln. Wir warnen aber vor einer Beteiligung am Wahlrummel zur Nationalversammlung. Wir Syndikalisten wissen aber auch, dass der Sozialismus nur auf internationaler Grundlage verwirklicht werden kann.

Nieder also mit den nationalen Schranken! Sie dienen nur der Ausbeutung des Proletariats. Wir Syndikalisten sind international, wir reichen den Arbeitsbrüdern aller Länder in hilfreicher Solidarität die Hände. Und wir sind Antimilitaristen! Nicht erst seit gestern und heute.

Wir gingen für unsere antimilitaristische Überzeugung in die Gefängnisse lange vor Ausbruch des Krieges. Wir sahen den Krieg kommen, und wir kämpften dagegen an. Die deutschen Arbeiter wollten uns nicht hören, sie haben es schwer büßen müssen. Viereinhalb Jahre lang mussten sich Millionen Männer morden, ehe den deutschen Arbeitern greifbar wurde, auf welcher Seite der Feind steht. Und noch heute haben es Millionen Proletarier nicht begriffen. Wir Syndikalisten sind Gegner der Zentralgewalt in den Organisationen der Arbeiter.

Eine wohlorganisierte Beamtenherrschaft hindert jede freie Betätigung. Wir wollen die Selbständigkeit jedes Ortsvereins. Jeder Verein verwaltet sein Geld selbst und beschließt über Anfang und Ende von Lohnbewegungen selbstherrlich. Wir Syndikalisten sind Gegner jeder Art von Unterstützungseinrichtungen innerhalb der Gewerkschaften, weil sie die Kampfeslust des Mitglieds lähmen.

Bei Streiks und Aussperrungen tritt die freie Solidarität aller ein. Niemals wird Sozialdemokratie und „freie“ Gewerkschaft unser Programm, unser Ziel und unsere Kampfesmittel sich zu eigen machen. Die deutschen Arbeiter müssen sich erst Organisationen schaffen, die mit syndikalistischen Kampfeswillen den Kapitalismus unterminieren.

Arbeiter! Sozialisten! Kommunisten! Lest unsere Presse und unsere Literatur!
Gründet allerorten Arbeitervereine auf unserer Grundlage!“

Aufmacher der allerersten Ausgabe des „Syndikalist“, Reichsorgan der FAUD: Syndikalist, Nr. 1 vom 14.12.1918

[ssba]