Der Termin im November ist mit Bedacht gewählt, haben wir doch 2014[1] im November – das erste Mal seit 1933 – einen eigenen Laden in Düsseldorf eröffnet. Damit haben wir es geschafft, der lokalen anarchistischen und syndikalistischen Bewegung, die in den Jahren nach 1945 immer vorhanden war[2], eine stabile, wahrnehm- und erreichbare Basis zu verleihen. Die Pandemie hat natürlich auch bei uns zu einer enormen Einschränkung unserer öffentlichen Aktivitäten geführt. Unsere gewerkschaftliche Erstberatung haben wir aber ebenso aufrecht erhalten, wie unsere generelle gewerkschaftliche Tätigkeit, was auch 2021 zu mehr Militanten[3] in unseren Reihen führte. So waren wir nicht nur am 1. Mai auf der Straße, sondern auch mehrmals präsent vor den Düsseldorfer Gorilla-Stores, um die kämpfende Belegschaft in Berlin symbolisch zu unterstützen. Von den „Stores“ aus leifern die Kurierfahrer*innen Lebensmittel aus. Eindrucksvoll war der kleine anarchistische/syndikalistische Block auf den beiden Demonstrationen gegen das neue NRW-Versammlungsgesetz. Sehr gefreut hat uns auch der Besuch der Zapatistas, den wir einen ganzen Tag lang begleitet haben (siehe Seite 10).
Das Schwarz-Rote Wochenende
Während unseres Schwarz-Roten-Wochenendes wollen wir an drei Tagen mit einer kleinen Auswahl von Themen das siebenjährige Bestehen des „V6“ feiern. Dabei nähern wir uns diesen Themen mit einem Blick zurück nach vorne aus drei verschiedenen Perspektiven: Der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft.
Natürlich sind diese drei Ebenen miteinander verbunden und gehen fließend ineinander über. Zum Auftakt gibt es Vorträge über „die gefährlichste Frau Amerikas: Emma Goldman“ und über die Wurzeln und Entwicklung des Anarchosyndikalismus inklusive einer ökologischen Perspektive. Emma Goldmans Leben war geprägt vom Aktivismus in der Arbeiter*innenbewegung. Dabei entwickelte sie u.a. Positionen zu Militarismus, Nationalismus, Religion und Feminismus, die bis heute herausfordernd sind. Ihre Positionen und ihre Biographie laden zur Diskussion ein.
Die Vorstellung des Anarchosyndikalismus, insbesondere seiner Wurzeln, ist an diesem Wochenende natürlich ein Muss. Dabei soll ein Schwerpunkt auf der ökologischen Frage liegen, da die Arbeiter*innenbewegung überraschender Weise sehr früh Positionen dazu entwickelte. Neben vielen anderen Themen und einem Konzert am Abend wollen wir uns am zweiten Tag besonders dem Arbeitskampf der Erntearbeiter*innen in Bornheim[4] widmen. Dieser Kampf, der von Anfang an von der FAU Bonn unterstützt wurde, wirft ein Schlaglicht auf die Probleme, mit denen Arbeiter*innen (nicht nur) in Deutschland tagtäglich konfrontiert werden. Lohnraub ist dabei nur die Spitze des Eisberges. Rassismus und Sexismus sind ebenso wichtige Themen und spielten auch in diesem Arbeitskampf eine große Rolle. Gleichzeitig ist dieser Kampf auch ein sehr gutes Beispiel dafür, wie die FAU als anarchosyndikalistische Föderation funktioniert[5] und welchen Stellenwert Begriffe wie „gegenseitige Hilfe“ und „Direkte Aktion“ bei unseren Militanten haben.
Auch wenn in der Vergangenheit und Gegenwart feministische Kämpfe immer eine wichtige und wichtiger werdende Rolle gespielt haben – und der Anarchafeminismus mit der Vox de la Mujer schon 1896 sein erstes eigenes Organ hatte – glauben wir, dass diese Kämpfe in der Zukunft noch wichtiger werden. In Düsseldorf haben wir in den letzten Jahren die lokalen 8. Mai-Aktivitäten u. a. dadurch unterstützt, dass wir das V6 als Streiklokal zur Verfügung gestellt haben. Mit Blick auf die Zukunft wollen wir also am dritten Tag dann auch einen Blick auf den Anarchafeminismus werfen.
Darüber hinaus werfen wir auch einen ersten Blick auf Aspekte einer „libertären Stadtpolitik“[6] und, in einem Workshop, zusammen mit Euch auf den „Ort Eurer Träume, den Ort den es noch nicht gibt“ – also auf die Utopie.
Apropos Utopie…
Vielleicht sind die ersten sieben Jahre ja auch eine gute Gelegenheit einmal in die Zukunft zu schauen? Wo stehen wir in sieben Jahren? Welche Rolle spielt dabei unser Lokal, das V6[7]?
Natürlich hoffen wir, dass wir bald noch mehr Arbeiter*innen sind, die von den Konzepten (gegenseitige Hilfe, Direkte Aktion, Föderation, …) und den Zielen (Selbstverteidigung, Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, Übernahme der Produktion in Selbstverwaltung)[8] des Anarchosyndikalismus überzeugt sind. Dies wird uns vor neue Herausforderungen stellen. Denn schließlich sehen wir uns, sobald wir in den Augen anderer „erfolgreich organisieren“, nicht nur mit den Bossen konfrontiert. Der Staat und sogar die sozialpartnerschaftlichen Verbände des DGB sehen sich von der FAU nur allzu oft und schnell bedroht. Trotzdem freuen wir uns darauf zu wachsen und stärker zu werden. Nicht vergessen wollen wir, dass wir unsere Aktivitäten auf noch mehr Gebieten unseres Alltags ausbreiten wollen, schließlich sind wir „mehr als nur Gewerkschaft“.[9]
Das V6 wird dabei nur so lange unser Lokal bleiben können, bis es für unsere Versammlungen und Veranstaltungen zu klein wird. Denkbar ist, dass wir es irgendwann nur noch als Büro für unsere Sekretariate benutzen und als Versammlungsort für Arbeitsgruppen unserer Branchen-Syndikate, der Lokalföderation und kleinen außerparlamentarischen Gruppen.
[1] Mit dem ZAPATA hatten die Anarchist*innen in Düsseldorf allerdings schon vorher für einige Jahre einen kleinen Laden. Leider konnte sich dieser aus verschiedenen Gründen nicht halten. Das V6, als Ladenlokal und Büro der FAU, ist aber tatsächlich seit 1933 die erste anarchosyndikalistische Einrichtung dieser Art in Düsseldorf.
[2] So gab es auch in Düsseldorf Mitglieder der 1946 offiziell gegründeten Föderation Freiheitlicher Sozialisten, der Nachfolgeorganisation der 1933 für den Antifaschistischen Widerstand in den Untergrund gegangenen FAUD. Später gab es neben den sich individuell als Anarchist*innen verstehenden immer wieder kleine Gruppen in den 1980er Jahren auch wieder ein kleines Syndikat der FAU, welches sich Anfang der 1990er Jahre auflöste. Anfang der 1990er Jahre gab es dann den anarchistischen Á Jour Materialienversand, später die Anarchistische Studierenden Initiative an der Heinirch Heine Universität und der Fachhochschule. Aus dieser und anderen Initiativen entstand dann die „neue“ FAU Düsseldorf.
[3] Militant bedeutet in unseren Reihen so viel wie „Aktivist*in“/„Organizer*in“
[4] In Bornheim bei Bonn kam es 2020 zu einem „Wilden Streik“ der Erntearbeiter*innen, da der Insolvenzverwalter, ein Rechtsanwalt für Arbeitsrecht(!), die Löhne nicht korrekt ausgezahlt hatte.
[5] So reisten, trotz Pandemie, Mitglieder aus Syndikaten aus ganz Deutschland nach Bornheim. Andere unterstützen die „heiße Phase“ durch eine schnelle Berichterstattung auf den sozialen Medien und vor- und nachher durch Recherchen und Begleitung zu den Arbeitsgerichten, auch noch ein Jahr nach dem Streik!
[6] Zur Vorbereitung darauf lohnt sich ein Blick in die aktuelle „Wir Frauen“, die sich der Frage nach einer „Feministischen Stadtpolitik“ stellt.
[7] Warum heißt das V6 eigentlich V6? Das hat zwei Gründe. Zum einen wollten wir damals ganz bewusst unser Lokal nicht nach einer lokalen historischen Person benennen (dabei hätte es da einige gegeben). Zum anderen wollten wir, weil wir uns ja doch in der Nähe eines historisch wichtigen Ortes befinden, an der Tradition der Namensgebung der Hausbesetzer*innenbewegung anknüpfen. Darum heißt unser Ladenlokal/Büro „V6“.
[8] Hier können wir aus Platzgründen leider alles nur stichwortartig auflisten – bei Nachfragen, könnt ihr Euch gerne bei uns melden: faud-kontakt@fau.org
[9] Mieter*innen Syndikate wie in Berlin und Dresden gehören da ebenso hinein wie ein Arbeitslosensyndikat, Konsumgenossenschaften, Schwarzrote Sportvereine u.v.a.m.
Alle Veranstaltungen:
Die gefährlichste Frau Amerikas: Emma Goldman
19.11.21 | 18.00 -19.30 Uhr | Referent*in: Dr. Andres
Vor 75 Jahren, am 14. Mai 1940, starb Emma Goldman und hinterließ ihren einmaligen Reichtum an gelebter Erfahrung und Theorie.
Blick zurück nach vorne: Anarchosyndikalismus – Wurzeln und Entwicklungen
19.11.21 | 20-21:30 Uhr | Referent*in: Rudolf Mühland
Vom Kaiserreich bis zur Wiedergründung – „Grüne Wurzeln“, Betriebsräte, Sozialistische Schlagworte und ihre Bedeutung.
„Meine Privilegien und Ich – Über Rassismus, Hautfarbe und Verantwortung“
20.11.21 | 12:00 – 14:00 Uhr | Referent*in: Monica (Referentin des Autonomen BIPoC-Referat der UzK)
In diesem Einführungsworkshop sprechen wir darüber, wie Rassismus unseren Alltag prägt.
Arbeitskampf im Herzen der Bestie – Streik im Bornheim
20.11.21 | 16:00 – 17:30 Uhr | Referent*innen: Robin Tunger (FAU Bonn), Lucy (FAU Köln)
Fehlender Arbeitsschutz, Lohnprellerei, katastrophale Unterbringungen – die prekäre Lebensrealität von Saisonarbeitskräften ist nicht erst seit gestern bekannt. Doch wie macht mensch Arbeitskampf? Nicht zuletzt in informellen Beschäftigungsfeldern wie der Saisonarbeit.
Film „Radical Resilience“
20.11.21 | 18:30 – 20:30 Uhr | Referent*in: N.N.
Radical Resilience ist ein Filmprojekt für alle, die sich in sozialen oder Umweltbewegungen engagieren.
The Merry Vagabonds
20.11.21 | ab 21:00 ( bis 22:30)
Livemusik aus Krefeld.
Anarchafeminismus
21.11.21 | 12:00 – 13:30 Uhr | Referent*in: N.N.
Perspektiven einer anarchafeministischen Utopie.
Libertäre Stadtpolitik
21.11.21 | 15:30 – 17:00 Uhr | Referent*in: Max S.
Was muss alles beachtet werden, wenn kein Staatsapparat und keine kapitalistischen Konzerne mehr für lebensnotwendige Dinge wie Ernährung, medizinische Versorgung oder Entsorgung zuständig sind?
Workshop anarchistische Utopien
21.11.21 | 17:30 Uhr | Referent*in: N.N.
Erarbeiten einer anarchistischen Utopie anhand gehaltener Vorträge und einem Input.
Rudi liest … Texte von Erich und Anderen
21.11.21 | 20:00 Uhr | Referent: Rudolf Mühland
Zum Abschluss des Schwarzroten Wochenendes ließt Rudolf Mühland aus einigen ausgewählten Texten der verschiedensten Gattungen etwas vor.
Alle Veranstaltungen im FAUD-Lokal V6, Volmerswerher Str. 6, 40221 Düsseldorf.
Es gilt die 3G-Regel: geimpft, genesen, getestet (PCR-Test).
Die Veranstaltungen werden auch Live im Web gestreamt. Link und Passwort bitte über diese Adresse anfragen: faud-srw@fau.org