Also, für alle, die Paul nicht kennen: Er ist in der DDR geboren und aufgewachsen, hat Geige gelernt und ist vor allem ein Punk. Ja – so sieht er gar nicht aus, aber seine Lieder thematisieren gerade sein Ostdeutsch- und sein Punksein immer wieder.
Sein Geigenspiel reflektiert das sehr gut, bricht er doch, soweit ich das beurteilen kann, die Konvention, wie mit diesem Instrument meistens umgegangen wird.
Auf seinem neuen, achten Solo-Album „KAPUTT und die Hoffnung“ ist gleich das erste Lied seinen alten Punker-Freund:innen gewidmet. Und während der Mythos noch mit seinem „No Future!“ nachhallt, textet Paul: „Macht euch doch selbst kaputt – bevor es jemand anders tut!“. Mit „Macht kaputt was euch kaputt macht“ hat der Song dabei nichts am Hut, vielmehr erzählt er uns, was war und nicht mehr ist. Der Song endet etwas wehmütig mit den Worten „doch was wir verloren haben, kommt nie mehr zurück“.
In „Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit“ besingt Paul den Verlust der Utopie, das Erstarken autoritärer Bewegungen, den neuen alten Antisemitismus, den Krieg gegen die Ukraine und uns (ich hoffe ihr verzeiht mir den Plural), die wir uns über jede Kleinigkeit zerstreiten.
Doch bevor ich darin verfalle, jeden Song der Reihe nach abzuarbeiten, hier mein Resümee:
Erstens: Hans, Sahara B und Penny Crémant aka Kiki tun dem Album gut. Die Instrumente und die zusätzliche Stimme beim Gesang verleihen dem Ganzen eine Tiefe und tragen die von Paul auf so spezielle Art gespielte Geige von Song zu Song.
Zweitens: Dieses Album ist wesentlich weniger im Stile von „Revolutionsmusik“, dem in die Jahre gekommenen Song von Paul, der noch voller Hoffnung und Zuversicht war. Und mein Lieblingssong von ihm!
Drittens: Der Titel des Albums ist gut gewählt. Denn Paul besingt eine Welt und eine Utopie, die kaputt ist. Und doch ist da noch immer – allen Umständen zum Trotz – die Hoffnung. Ich verrate sicherlich nicht zu viel, wenn ich sage, dass nicht alle Lieder diese Hoffnung erkennen lassen.
Bei „Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit“ kann man die Hoffnung schon mal verlieren. Aber anderseits finden sich auch Zeilen wie diese:
„wie soll die Gesellschaft meiner Träume sein? /
da ist doch noch ein Funke und ich lade Euch ein /
die Hoffnungslosigkeit zu überwinden /
und gemeinsam neue Wege zu finden“.
Daran sollten wir festhalten. An dem Funken, der immer noch und trotz allem da ist. Und wir sollten Pauls Einladung folgen, um „die Hoffnungslosigkeit zu überwinden und gemeinsam neue Wege zu finden“. Mir hat dieses Lied wieder Mut gemacht und mich in meinem Trotz bestärkt (1).
(1) siehe meinen Artikel „Bevor ich kaputt gehe“ in: GWR 484, Dezember 2023
Paul Geigerzähler:
KAPUTT und die Hoffnung, CD, 2024, 22 Euro
https://brokensilence.de/lnk/geigerzaehler/