wie ihr wisst, gibt die Situation in Katalonien – und in geringerem Umfang auch im Rest des spanischen Staates – in diesen Tagen Anlass zu Besorgnis. Während ich diese Zeilen schreibe, geht die Nationalpolizei und die berüchtigte Militärpolizei Guardia Civil in den Straßen vieler katalonischer Städte gegen Menschenansammlungen vor. Die CNT hat zusammen mit anderen Gewerkschaften für den 3. Oktober zu einem Generalstreik gegen diese Welle der Repression aufgerufen.
Wie ihr wahrscheinlich wisst, ist die Einheit Spanien für die extreme Rechte in diesem Land eine Sache von fundamentaler Bedeutung. Deshalb erzeugt jede Forderung nach Selbstbestimmung aus irgendeinem Teil des Landes stets erbitterte Reaktionen. In vielen spanischen Städten lässt sich eine wachsende Präsenz faschistischer Gruppen beobachten, während gleichzeitig die konservative Regierung eine zunehmend autoritärere Haltung einnimmt und fundamentale Rechte mit den Füßen tritt. Das lässt
nichts Gutes für die Zukunft erwarten. Die Repression könnte auf verschiedenen Ebenen noch zunehmen, schlimmstenfalls auch unter Einbeziehung des Militärs.
In einigen internationalen Foren wird die CNT vielfach dafür kritisiert, dass sie – so behauptet man – mit dem Aufruf zum Generalstreik, den Nationalisten in die Hände spielen würde. Das ist verständlich. Wie wir bereits an anderer Stelle angemerkt haben, ist es sehr schwierig bei diesem Thema die Balance zu wahren und es ist nur natürlich, dass mit steigender Entfernung (oder in der Übersetzung) sich die Nuancen verwischen. Auch für uns selbst ist das schwierig und es gibt eine lebhafte interne Debatte über unsere Strategien. Das könnte auch in einer so pluralen und offenen Organisation wie der CNT gar nicht anders sein.
Eines muss aber allen klar sein: Auch wenn wir mit aller Entschiedenheit gegen die Repression sind, die ein immer autoritärer agierender Staat und seine Verbündeten in der extremen Rechten auf den Weg gebracht haben, bedeutet das nicht, dass wir die Pläne der Nationalisten unterstützen. Im Laufe der letzten Woche gab es eine Unmenge Demonstrationen in Katalonien – solche zur Verteidigung des Referendums, solche für die Unabhängigkeit, solche für das Recht auf Selbstbestimmung usw. Dennoch hat die CNT zu keiner einzigen von ihnen aufgerufen. Es ist sogar so, dass dort, wo unsere Genoss*innen verankert sind, sie es für die Nationalisten eher ungemütlich gemacht haben, indem sie soziale und
wirtschaftliche Themen in die Diskussion eingebracht haben und daran erinnert haben, dass noch vor wenigen Jahren die katalanische Regierung mit allem Eifer soziale Kürzungen beschlossen hat. Genau das findet sich auch in unserem Aufruf zum Generalstreik in ganz ähnlichen Worten wieder.
Das geht soweit, dass sich der Aufruf der CNT nicht nur an Katalonien richtet (nur dort wird der Streikaufruf aus nahe liegenden Gründen tatsächlich befolgt werden), sondern dass er so verfasst ist, dass er sich an alle im spanischen Staat richtet. Es ist ganz klar, dass in dieser Situation sich der Widerstand verallgemeinern und verbreitern muss, um unsere Klasseninteressen durchsetzen zu können. Es geht nicht um eine Auseinandersetzung zwischen Nationen sondern um eine zwischen
Klassen. Und um eine Auseinandersetzung zwischen einem Unterdrückungsregime und dessen faschistischen Verbündeten (die ebenso zum „Volk“ gehören, wie alle anderen auch) und denen, welche die Freiheit und die widerständige Würde verteidigen.
Wir gehen davon aus, dass die Repression in den nächsten Tagen und Wochen zunehmen wird. Deshalb greifen wir zu unserer bevorzugten Waffe, zum Generalstreik, um damit die Arbeit der Polizei ganz allgemein zu erschweren, ihre Bewegung, ihre Logistik usw. zu behindern. Wir werden sehen, was in den nächsten Tagen geschehen wird, es ist möglich, dass eine sowieso schon schwierige Situation in Bezug auf die Repression jederzeit in etwas noch Übleres umschlagen kann. Als Revolutionäre sind wir nicht der Ansicht, dass man sich heraushalten kann, wenn die Polizei in den Straßen die Menschen angreift und wenn faschistische Banden sich frei in unseren Städten auf die Straße trauen.
Miguel Pérez, Internationaler Sekretär de CNT.