Eine kurze Geschichte des 1. Mai

Die Wurzeln des 1. Mai reichen viel weiter zurück als bis zur sogenannten „Haymarket“-Affaire. Und selbst diese kennt heutzutage kaum noch eine.
Angefangen hat alles mit der Forderung nach dem 8 Stunden Arbeitstag. Das erste mal tauchte sie in den 1810er in Gr0ßbritannien auf. Es war Robert Owen[1] die Forderung nach einem 8 Stundentag als erster formulierte. Von ihm stammt die auch noch heute in bestimmten Kreisen populäre Formulierung:

„Acht Stunden arbeiten, acht Stunden schlafen und acht Stunden Freizeit und Erholung“.

Nach dem Vorschlag von R. Owen, dass sich die Gewerkschaften doch zusammenschließen sollten, bildete sich 1834 die Grand National Consolidated Trade Union. Die englischen Gewerkschaften riefen für ihr Ziel des Achtstundentags einen landesweiten Streik am 1. Mai 1833 auf.

Der erste dokumentierte erfolgreiche (!) Streik für einen Achtstundentag wurde 1840 in Wellington, in Neuseeland von den Tischlern ausgetragen. Den ersten offiziell eingeführten Achtstundentag mit vollem Lohnausgleich gab es allerdings erst 1856 in Australien. Steinmetze und Gebäudearbeiter erkämpften am 21. April 1856 in Melbourne mit einem Demonstrationsmarsch zum Parlament den Achtstundentag. Von diesem Zeitpunkt an stand der Achtstundentag als Symbol für demokratisch erkämpfte Arbeitnehmerrechte.[2]

Die 1864 in London gegründete Internationale Arbeiter Assoziation (I.A.A.) machte sich1866 die Forderung des Achtstundentages zu eigen. Damit wird der Kampf für den Achtstundentag zu einer allgemeinen Forderung der Arbeiterklasse der gesamten Welt erhoben[3].

Chicago

1837 wurde der kleine Ort Chicago mit damals 4000 Einwohner*innen zur Stadt. Knapp 50 Jahre später führten die Ereignisse in dieser Stadt um die Auseinandersetzungen für den Achtstunden-Tag zum internationalen Arbeitertag am 1. Mai. 19 Jahre nach der Stadtgründung Chicagos war von der Arbeiterbewegung Australiens erstmals der Achtstundentag gefordert worden. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits viele Jahre lang deutsche Arbeiter*innen und Bauern in die USA eingewandert, anfangs waren es vor allem Südwestdeutsche, die sich im „Schwabenverein“ organisierten, viele davon wandten sich nach Chicago. In den 1850er Jahren kamen die 48er Revolutionäre als

politische Flüchtlinge in die USA. Die Northside von Chicago galt als deutsche Gegend mit zahlreichen Handwerksbetrieben, vom Metzger bis zum Tischler, von der Schneiderin bis zum Zimmermann; dort wurde bis ca.1900 deutsch gesprochen und es erschienen zahlreiche deutsche Zeitungen jeder Richtung; in der Altstadt lebten 80% Deutsche, die alljährlich das „Cannstatter Volksfest“ in Chicago feierten. Besonderes Merkmal der Deutschen in Chicago waren die Turnerbewegung, die auch in der 1848er Revolution eine große organisatorische Rolle gespielt hatte, und die Wirtshäuser für die ganze Familie, dort vor allem das Bier. Obwohl es in diesen Wirtshäusern im Gegensatz zu den irischen Whisky-Kneipen recht gesittet zuging, echauffierte sich die christliche Frauenliga: „Derartiges wird vielleicht im atheistischen Deutschland, im Bier liebenden Chicago und Milwaukee, im zügellosen Paris oder im kosmopolitischen New York geduldet, aber im puritanischen Boston können wir dies nicht tolerieren.“ (1)

Die „turner halls“ dienten neben der körperlichen Fitness auch dem „geistigen Turnen“, also für Vorträge, Theaterveranstaltungen, auch für Feste oder für die Organisation von Krankenkassen und Schießübungen. Viele zogen für die Nordstaaten in den Krieg gegen die Sklaverei. Die „turner rifles“, eine Einheit von Joseph Weydemeyer, wurden nach dem Sieg speziell geehrt. Auch der 48er Revolutionär Friedrich Hecker wurde für seine Beteiligung im Bürgerkrieg in Chicago begeistert gefeiert. Abraham Lincolns Politik, die mehr demokratische Rechte für alle versprach, führte zu den ersten Streiks der Arbeiter*innen und zum Aufgreifen der Forderung nach dem Achtstundentag. 1868 wurde dieser Forderung im US-Kongress durch ein Gesetz entsprochen und einige Bundesstaaten, darunter Illinois, übernahmen das Gesetz. Aber durchsetzen ließ es sich nur in staatlichen Verwaltungen, die Firmen und großen Gesellschaften scherten sich nicht darum. 1877 kam es zu zahlreichen Streiks gegen die vier Eisenbahngesellschaften, die einen Trust gebildet hatten und gemeinsam den Lohn um 10% kürzten. Ein Arbeiter wurde erschossen und die Hetze gegen den „Mob“ fand sich in allen Gazetten. Die Eisenbahn verlangte und erhielt den Einsatz der National Guard gegen die Streikenden. Zahlreiche Tote waren die Folge, aber nicht immer gehorchten die National Guards dem Schießbefehl, so dass schließlich sogar reguläre Truppen eingesetzt wurden. Pittsburgh erlebte am 21. Juli 1877 ein Massaker. In Chicago kam es am 26. Juli 1877 zu einer Schlacht als eine Versammlung des sozialistischen deutschen Schreinervereins gewaltsam aufgelöst wurde und tausende irische Schlachter und tschechische Arbeiter sich ein Gefecht mit der Polizei lieferten. Es brauchte 20.000 Soldaten der US-Infanterie und US-Artillerie, um die Streiks zu unterdrücken.

Nach der Niederlage hatte sich die sozialistische Gewerkschaft CLU 1879 gespalten; die Minderheit, der gemäßigte englische Flügel, blieb in der CLU; die radikalere Mehrheit hatte eine neue Organisation geschaffen: die „International Working People`s Association“ (IWPA), ihre Plattform auf Deutsch veröffentlicht und sich der Schwarzen Internationale angeschlossen. In den frühen 1880er Jahren kamen aus wirtschaftlichen Gründen Flüchtlinge aus Mecklenburg, Pommern, Westpreußen und Brandenburg; dazu aus ganz Deutschland Sozialist*innen und Anarchist*innen, die Bismarcks Sozialistenverfolgung ausweichen mussten. 1882 kam z.B. der bekannte Anarchist Johann Most, Herausgeber der von 1879 bis 1910 erschienenen Zeitschrift „Freiheit – Internationales Organ der Anarchisten deutscher Sprache“. Dadurch entstand in der Northwestside ein zweites mehrheitlich deutsches Viertel in der Nähe großer Fabriken, in dem jedoch viele Nationalitäten ihr zu Hause fanden. In der Folge gründeten sich sozialistische Parteien, Gewerkschaften und anarchistische Assoziationen. 1884 wurde die Bewegung für den Achtstundentag neu ausgerufen, neue Demonstrationen begannen.

Die Chicagoer Tribune schrieb 1885: „Im Dunst von Gin und Bier, mit blutroten Fahnen und noch roteren Nasen, mit revolutionären Parolen auf ihren Bannern haben die Anarchisten gestern ihre große Parade und ihr Picknick begonnen.“ Revolution sollte Spaß machen, deshalb luden die Veranstalter alle in ihre „fröhliche Runde“ ein. Schon im gleichen Jahr mussten jedoch die ersten Todesopfer beklagt werden. Am 4. Mai 1885 erschoss die Polizei zwei streikende Steinbrucharbeiter in Lemont; im Juli wurden bei Streiks gegen die Street Car Company gleich mehrere Fabrikarbeiter gezielt erschossen. Seit ungefähr 1885 schleuste die Polizei Pinkerton Privatdetektive in die Arbeiterbewegung ein, so dass die Namen und Aktivitäten der wichtigsten Akteure der Arbeiterbewegung der Polizei wohlbekannt waren. Am 2. März 1886 erschoss die Polizei vier Arbeiter bei McCormick.

Die Arbeiterbewegung reagierte mit landesweiten Demonstrationen. In Chicago gingen am 1. Mai 1886 rund 80.000 für den Achtstundentag auf die Straße. Im ganzen Land streikten 340.000 Arbeiter in 12.000 Fabriken. Johann Most propagierte den Einsatz von Dynamit als proletarische Antwort auf die gatling gun, dem frühen Maschinengewehr der Polizei. Die gewerkschaftlich orientierten Anarchisten wie August Spies und Michael Schwab, Redakteure des „Vorboten“, der einflussreichen deutschen Arbeiter Zeitung, lehnten dies ab.

Am 3. Mai erschoss die Polizei erneut zwei Arbeiter vor McCormick, die Streikbrecher aufhalten wollten. Für den nächsten Tag wurden deshalb Protestversammlungen angekündigt, ein Flugblatt mit 20.000er Auflage forderte die Arbeiter dazu auf. Der später mitangeklagte Georg Engel fügte den Satz „Arbeiter, bewaffnet euch“ auf einer Miniauflage von 200 ein. August Spies verhinderte die Verteilung dieser 200 Blätter. Nachdem Spies, Parsons und Fielden tags darauf ihre Reden gehalten hatten und sich die Versammlung bis auf 200 Anwesende wegen des Regens schon fast aufgelöst hatte, explodierte auf dem Haymarket in Chicago eine Bombe, tötete einen Polizisten und verletzte 70 weitere. Die Polizei erschoss vier Demonstranten. Nach dem Täter wurde nicht wirklich gesucht. Viel wichtiger war dem Staat, die Aktivisten auszuschalten, die jahrelang als Redner, Organisatoren von Veranstaltungen und Redakteure öffentlich aufgetreten waren: Albert Parsons, Michael Schwab, Samuel Fielden, Oskar Neebe, Georg Engel, Adolph Fischer, Louis Lingg und August Spies wurden angeklagt.

Lingg war eine Ausnahme, er war erst 1885 eingewandert, aber die Spitzel wussten wohl, dass sich bei ihm gemäß Mosts Broschüre „Revolutionäre Kriegswissenschaft“ selbstgebastelte Bomben finden ließen. Albert Parsons war der einzige gebürtige US-Amerikaner, aber auch er hatte eine Flüchtlingserfahrung. Er stammte aus dem Süden der USA und hatte seine Heimat verlassen müssen, weil er sich gegen die Sklaverei eingesetzt und eine indianische Frau geheiratet hatte, „gemischtrassige Ehen“ waren in den Südstaaten aber verboten.

August Spies, Schwab und Fielden wurden bereits am 5. Mai 1886 verhaftet, danach folgten hunderte von Verhaftungen und Hausdurchsuchungen durch die Polizeiführer Schaack und Bonfield. Jede gefundene Waffe wurde nun zur anarchistischen Umsturzverschwörung hochstilisiert. Am Ende wurden 31 Personen angeklagt. Staatsanwalt Grinnell ging es weniger um die konkrete Tat als um einen Prozess gegen den Anarchismus. Pinkerton Detektive traten als Zeugen der Anklage auf. Da es keine Beweise gab, mussten Falschaussagen von Zeugen die Verschwörung belegen. Während einer der Belastungszeugen für seine angeblich belauschten Attentatspläne aus einem Gespräch zwischen Schwab und Spies zugeben musste, dass er gar kein Deutsch verstand, wurde ein anderer, der besonders viele Geschichten erfand, später zum Lohn in den Polizeidienst aufgenommen. Im Gegensatz dazu wurden Entlastungszeugen nicht vor Gericht geladen. Trotzdem konnte keinem der Angeklagten der Bombenwurf nachgewiesen werden, die meisten waren nicht einmal am Tatort gewesen. Alle hatten ein Alibi. Letztlich verdächtigte man andere wie den geflüchteten Rudolf Schnaubelt oder auch George Meng, aber Richter und Staatsanwalt hatten sich längst auf die „Verschwörung“ festgelegt, so dass es für sie keine Rolle mehr spielte, wie der eigentliche Tathergang war. Grinnell verstand sich auf Symbolik: „Es gibt nur eine Fahne der Freiheit in diesem Land, und das ist das Sternenbanner. (…) Diese Fahne wollen diese Männer ausreißen und durch die rote und schwarze Fahne ersetzen.“

 

Sieben Angeklagte, August Spies (Rede vor Gericht), Albert R. Parsons (Rede vor Gericht), Michael Schwab, Louis Lingg (Rede vor Gericht), Samuel Fielden, Adolph Fischer (Rede vor Gericht) und Georg Engel (Rede vor Gericht), wurden als Anstifter des Mordes für schuldig erklärt und zum Tod verurteilt. Von den 70 verletzten Polizisten sprach im Prozess niemand mehr, weil sich vermutlich herausgestellt hatte, dass eine Beweisführung schwierig war, weil viele vom eigenen Gewehrfeuer verletzt worden waren. Oskar Neebe erhielt 15 Jahre Gefängnis.

Erst nach dem Urteil durften die Verurteilten selbst zu Wort kommen. Parsons sprach acht Stunden, die Rede von Spies machte selbst auf die Chicagoer „Tribune“ Eindruck, die ihm am 8. Oktober 1886 „kluge und scharfsinnige Argumente“ bescheinigte: „Ich wiederhole, die Vertreter der Anklage haben unsere gesetzliche Schuld nicht nachweisen können, trotz der gekauften und meineidigen Zeugen und trotz der sonderbaren Vorkommnisse im Verlauf dieses Gerichtsverfahrens. (…) dann muß ich Ihnen sagen, daß sie, die angeblichen Vertreter und Hohepriester von ‚Gesetz und Ordnung‘, die wirklichen und einzigen Gesetzesbrecher sind, und sind in diesem Falle sogar Mörder.“ (4)

Spies durchschaute auch Grinnells hetzerische Symbolik: „Der Appell an den Patriotismus ist die letzte Zuflucht eines Halunken.“ (5) Und er erkannte den eigentlichen Sinn und Zweck dieses Prozesses: „Grinnell hat uns zu verstehen gegeben, daß hier dem Anarchismus der Prozeß gemacht werde. Die Theorie des Anarchismus gehört in den Bereich philosophischer Überlegungen. Auf der Versammlung auf dem Haymarket wurde der Anarchismus mit keiner Silbe erwähnt. Auf dieser Versammlung wurde das sehr beliebte und leicht verständliche Thema der Verkürzung des Arbeitstages diskutiert. Mr. Grinnell schäumt jedoch: ‚Dem Anarchismus wird der Prozeß gemacht!‘ Sehr wohl, Euer Ehren, wenn dem so ist, dann dürfen Sie mich verurteilen, denn ich bin Anarchist.“ (6)

60.000 Chicagoer unterzeichneten vor der drohenden Hinrichtung einen Aufruf zur Amnestie. Der Gouverneur traute sich jedoch nicht für alle einem Gnadengesuch stattzugeben. Er begnadigte Schwab und Fielden zu lebenslangem Zuchthaus. Der Mannheimer Louis Lingg brachte sich selbst durch eine kleine Sprengkapsel im Mund um. Spies, Engel, Parsons und Fischer wurden am 11. November 1887 gehenkt. Zur Beerdigung am 13. November bildete sich ein Trauerzug durch Chicago von über 20.000 Menschen; zum Waldheim-Friedhof mussten Züge eingesetzt werden. Eine der Grabreden hielt der Pfarrer Robert Reitzel auf Deutsch, der 1884 seine Pfarrstelle aufgegeben hatte und Herausgeber der anarchistischen Zeitschrift „Der arme Teufel“ geworden war.

Am 26. Juni 1893 hatte der neue Gouverneur John Peter Altgeld das Urteil verworfen und Schwab, Fielden und Neebe aus dem Zuchthaus entlassen. Heute wird er dafür wieder gewürdigt, damals trieb ihn die konservative Presse nach zwei Jahren aus seinen politischen Ämtern, denunziert als „Anarchist“ oder „Kommunist“ starb er verarmt. Obwohl die internationale Arbeiterbewegung den 1. Mai zum Tag der Arbeit erklärte, wurde dieser Tag in den USA um jeden Zusammenhang zu vertuschen auf den ersten Sonntag im September verlegt.

Der Achtstundentag wurde in den USA erst 1938 eingeführt. Die Zusammenarbeit von revolutionären und reformistischen Organisationen für die Gefangenen zerbrach schnell und „Anarchist“ wurde in der sozialistischen Arbeiterbewegung zum Schimpfwort und zur Ausgrenzung benutzt.

Der Waldheim Friedhof wurde zum Ort jährlicher Gedenkfeiern und in manchen Jahren so häufig besucht wie das Denkmal von Abraham Lincoln. Am 25. Juni 1893 wurde im Beisein von 8.000 Menschen ein Denkmal auf dem Friedhof errichtet. Auf dem Haymarket war bereits 1889 ein Polizeidenkmal errichtet worden. 1928 ließ ein Straßenbahnfahrer bewusst seinen Zug mit voller Geschwindigkeit darauf fahren. Das Denkmal wurde an anderer Stelle neu aufgestellt. Im Mai 1968 wurde es mit schwarzer Farbe übergossen und im Oktober 1969 in die Luft gesprengt – die Täter wurden nie ermittelt. Ein neues Denkmal erlitt im Oktober 1970 das gleiche Schicksal. Im März 1992 stellte sich die Stadt ihrer Verantwortung und erklärte den Haymarket als wichtige historische Stätte. Das Denkmal „Haymarket Memorial“ wurde 2004 von Mary Brøgger geschaffen und erfährt seither die Ehrung durch Gewerkschaften weltweit. Der zeitliche Abstand zu den gefährlichen Anarchisten erlaubte es auch dem DGB im Jahr 2015 eine Tafel anzubringen.

Deutschland

Obwohl in Deutschland die SPD-Führung gegen den Generalstreikaufruf war, fanden in allen Städten Streiks und Massenkundgebungen statt. Über 100.000 Arbeiter/innen beteiligten sich daran, vor allem in Hamburg. Schließlich hat der Pariser Gründungskongress der sozialdemokratischen „Zweiten Internationale“ 1889 den Ersten Mai als jährlichen „Kampftag der Arbeiterbewegung“ beschlossen und dieser wird seitdem mit Massenkundgebungen und Streiks begangen.

Der ehemalige Landesarbeitsminister Theodor Leipart (ein Begründer der bürgerlichen „Wirtschaftsdemokratie“) war seit 1921 Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB). Mit seiner Parole „Organisation – nicht Demonstration!“ zeigte Leipart seine abwartende Haltung gegenüber den Nazis und trug viel dazu bei, einen erfolgreichen antifaschistischen Arbeiterwiderstand zu verhindern.

Nach der Machtübergabe an den Reichskanzler Adolf Hitler 1933 versuchte Leipart die hilflose Annäherung der deutschen Gewerkschaften an die legale Nazi-Regierung. Aus Angst vor einer Zerschlagung der Gewerkschaften sprach er sich weiterhin gegen den politischen Massenstreik aus und beließ es beim mündlichen Protest und parteilpolitischer Neutralität. Am 19. April 1933 erklärte der ADGB-Vorstand, es sei die Pflicht der Gewerkschaftsmitglieder an den staatlich verordneten Maifeiern („“Tag der nationalen Arbeit““) teilzunehmen. Der ADGB forderte von der Regierung die „vollberechtigte Eingliederung der Arbeiterschaft in den Staat“ der nationalsozialistischen Parteidiktatur.

Teilweise marschierten am Ersten Mai 1933 tatsächlich die Gewerkschafter/innen gemeinsam mit Nazis. Hitler verkündete in Berlin vor einer Million Deutschen: „Das Symbol des Klassenkampfes, des ewigen Streites und Haders wandelt sich nun wieder zum Symbol der großen Einigung und Erhebung der Nation.“ Antisemitismus und Antikommunismus wurden nun zur Staatsreligion gemacht. Bereits am nächsten Tag (02.05.1933) zerschlugen die Nazis mit ihrem „Aktionskomitee zum Schutze der deutschen Arbeit“ die Arbeiter/innen- Vereinigungen. Gewerkschaftshäuser und Gelder wurden beschlagnahmt und Funktionäre (wie Theodor Leipart) in „Schutzhaft“ gesperrt, gefoltert und teilweise ermordet.

Im Jahr 1946 wurde der Erste Mai den Alliierten Kontrollrat als gesetzlicher Feiertag bestätigt. Doch die Maikundgebungen durften zunächst nur eingeschränkt durchgeführt werden. Heute ist der Tag in Deutschland ein gesetzlich geschützter Feiertag. Die offizielle Bezeichnung ist Ländersache, in NRW heisst er zum Beispiel „Tag des Bekenntnisses zu Freiheit und Frieden, sozialer Gerechtigkeit, Völkerversöhnung und Menschenwürde“.

In den staatskapitalistischen Staaten des Ostblocks wurde der Erste Mai als „Internationaler Kampf- und Feiertag der Werktätigen für Frieden und Sozialismus“ von der marxistisch-leninistischen Regierung verordnet. Eine Teilnahme an den militärischen Aufmärschen mit Tribünen für führende Parteimitglieder und Ehrengästen war für Arbeiter/innen und Schüler/innen meist Pflicht. Als Symbol des Ersten Mai wurde eine rote Nelke verschenkt oder an Denkmälern der Arbeiterbewegung niedergelegt.

Seit Anfang der 1980er Jahre wurde in Westberlin (BRD) der Erste Mai zu einem Symbol für militanten Straßenschlachten zwischen Autonomen und der Polizei. An den Barrikadenkämpfen, Plünderungen und Sachbeschädigungen, die hauptsächlich im Stadtteil Kreuzberg stattfinden, nehmen jedoch teilweise auch Anwohner/innen und Zugereiste aktiv teil. Meist ist die abendliche Demonstration der liksradikalen Szene der Anlass für Polizeigewalt und folgende Auseinandersetzugen.

Seit 2001 gibt es in einigen europäischen Städten die „EuroMayday“-Paraden als politische Alternative zu DGB und Straßenschlacht. Die Aktivist/innen wollen weg vom Image des Schwarzen Blocks und feiern ausgelassen mit Popmusik und Kostümumzügen den Widerstand der unorganisierten, prekarisierten Arbeiter/innen.

Heute ist der Erste Mai ein gesetzlicher Feiertag in Deutschland, Österreich und Teilen der Schweiz, aber auch in Ländern, wie Brasilien, China, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Mexiko, Nordkorea, Portugal, Russland, Schweden, Thailand und Türkei – obwohl trotzdem die Maidemonstrationen in einigen Staaten verboten werden und teilweise Anlass für Polizeigewalt und Verhaftungen werden. Aber die meisten Maidemonstrationen sind Ausdruck einer traditionellen Arbeiterbewegung und der kommunistischen bzw. sozialdemokratischen Parteien, die sich in Stellvertreterpolitik und Parlament schon lange haben einbinden lassen.

 

Nachtrag:
Eine nicht unwichtige Rolle spielte u.a. auch noch Lucy Parsons.
Spätestens nach der Verhaftung ihres Mannes, engagierte sie sich in der Kampagne zur Freilassung der Gefangenen und später dann auch in der Kampagne zur Freilassung der Verurteilten. Vor- nachher hatte sie aber auch ein eigenständiges militantes leben.
Darum hier zwei Links, die ein wenig über ihre eigene Geschichte aufklären. [I: Zu streiken bedeutet die Produktion zu übernehmen], [II]

[1] Robert Owen (* 14. Mai 1771 in Newtown, Montgomeryshire, Wales; † 17. November 1858 ebenda) war ein britischer Unternehmer und Frühsozialist. Er gilt als der Begründer des Genossenschaftswesens. Er die verkürzte die Arbeitszeit auf 10,5 Stunden gegenüber den damals üblichen 13 bis 14 Stunden.

[2] In Deutschland wurde den Arbeitern der Degussa bereits 1884 erstmals der 8-Stunden-Arbeitstag garantiert, in Großbritannien wenige Jahre später, 1889, den Beckton Gas workers. Die ersten Arbeiter, die ihre Forderung nach einem Achtstundentag verbindlich durchsetzen konnten, waren die Arbeiter des Londoner Gaswerks 1889.[23] Alle britischen Regierungen haben sich bis heute stets geweigert, den Achtstundentag gesetzlich festzuschreiben.
In Österreich wurde erstmals 1889 im Bergbau Seegraben ein Achtstundentag vereinbart.
Auf dem Tischlerkongress 1891 in Seattle wurde beschlossen, dass die Einführung des Achtstundentags oberste Priorität bekommen sollte. 1893 beschloss die kanadische Regierung dann, dass für alle Bauarbeiten unter Regierungsauftrag der 8-stündige Arbeitstag gelten sollte. 6 Jahre später, am 12. Juni 1899, bekam der Achtstundentag in British Columbia per Gesetz für alle Arbeitnehmer seine Gültigkeit.
In Frankreich wurde der Achtstundentag bei vollem Lohnausgleich nach dem Ende des Ersten Weltkriegs am 23. April 1919 von der Abgeordnetenkammer und dem Senat nicht ohne Schwierigkeiten verabschiedet und gesetzlich verankert. Am 21. Juni 1936 wurde ein Gesetz zur 40-Stunden-Woche verabschiedet. Auch nach der Mobilmachung zum Zweiten Weltkrieg wurde daran nicht mehr gerüttelt.

[3] Faktisch hatte die IAA nur Mitgliedsorganisationen in Europa und den USA. 1877 wurden auch Delegierte aus Ägypten zum Kongress geschickt

[ssba]