Herrmann Hannibal (1898-1963)

Beruf: Schmied
Todesdatum: 13.8.1941
Todesursache: Tod in Haft
Mitglied der FAUD

Von Hansi Oostinger

Hermann Hannibal wurde am 8. Oktober 1898 in Kassel geboren. Über sein Privatleben lässt sich nur wenig sagen. Er war Schmied. Zwischen 1919 und 1925 wurde er zehnmal verurteilt, davon achtmal wegen Diebstahls. Er hatte zwei Kinder: Franz, der am 4. Januar 1930 geboren wurde, und Ilse, deren genaues Geburtsdatum sich nicht feststellen ließ, die aber auch in den 1930er Jahren geboren wurde.

Hannibal trat 1930 der Kasseler Ortsgruppe der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft Freie Arbeiter-Union Deutschlands (FAUD) bei. Die Kasseler FAUD bestand über den gesamten Zeitraum der Weimarer Republik aus nur wenigen Mitgliedern, die zudem meist von Dauerarbeitslosigkeit betroffen waren. Die Hauptaktivitäten der Kasseler Anarchosyndikalisten lagen deshalb auch gegen Ende der Weimarer Republik hauptsächlich in der Agitation und Propaganda. Sie organisierten Veranstaltungen mit bekannten Mitgliedern der Bewegung wie etwa Erich Mühsam, Rudolf Rocker oder Augustin Souchy, druckten Plakate, Flugblätter und verschiedene Zeitungen. Wenn die FAUD auch keine wirkliche Verankerung in den Betrieben hatte, so konnte sie doch einen nicht unerheblichen Einfluss auf die lokale Erwerbslosenbewegung ausüben. Sie verhinderte beispielsweise Ende 1932 den Versuch der KPD, die Kasseler Erwerbslosenkomitees während des Berliner BVG-Streikes für Nationalsozialisten zu öffnen.

Ein anderes Mitglied der FAUD Kassel, Willi Paul, beschrieb ihre Organisation wie folgt: „Und vom Anarchismus getragen, lehnte eine solche Gewerkschaft jede Partei ab und auch die Bürokratie des Zentralismus ab, sie trat ein für die Eigenständigkeit, wie wir auch als Gruppe völlig eigenständig auftraten, so trat sie ein für die Eigenständigkeit in den Betrieben, aufgebaut auf einem Rätesystem, das zu jeder Zeit abrufbar war, das zu jeder Zeit ersetzt werden konnte von den Arbeitern selbst als unterste Basis einer Gesellschaft. Die oberste Instanz war eine Geschäftskommission, die hatte aber überhaupt keine Entscheidungsbefugnisse, sie war verantwortlich für die Einberufung von Kongressen, soweit sie im ganzen Reichsgebiet Geltung hatten, sonst handelten die einzelnen Industrieföderationen, wie etwa die Bauarbeiter, die Metallarbeiter in eigener Verantwortung. Und so handelten auch die einzelnen Ortsgruppen in eigener Regie.” (Bericht Willi Paul)

Der stärker werdenden nationalsozialistischen Bewegung begegnete die Kasseler FAUD 1930 mit der Gründung einer antifaschistischen Kampforganisation: der „Schwarzen Schar”. Diese soll laut Polizeiberichten (1930) im August 30-40 Mitglieder gehabt haben.

Die Kasseler Schwarze Schar gab zwei Zeitungen heraus: „Die Proletarische Front” und „Die Schwarze Horde”. Hermann Hannibal wurde Mitte Dezember 1930 beim Verkauf der „Proletarischen Front” vor einer Stempelstelle festgenommen. Gegen ihn wurde wegen Verstoßes gegen das Republikschutzgesetz ermittelt und Anklage erhoben. Die Anklage basierte auf folgender Passage aus der „Proletarischen Front”: „Durchkreuzt die Raubpläne Brünings! Stürzt die Hungerverordnung durch allgemeine Miets- und Steuerstreiks. Brüning, Wirth und die Sozialdemokratie spucken auf die Verfassung; wir Proleten scheißen drauf! Denn der Weg zum Rätedeutschland führt über den Misthaufen der Demokratie.“ (Proletarische Front, Nr. 4 vom 15. Dezember 1930) Hannibal wurde in seinem Prozess am 2. Juli 1931 allerdings freigesprochen.

Die FAUD Kassel löste sich am 15. Februar 1933 auf, um Geld- und Sachwerte für die illegale Arbeit vor dem Zugriff der Nazis zu schützen. Die Kasseler Anarchosyndikalisten produzierten ihre Zeitungen von da an unter illegalen Bedingungen, zeitweise auch in der Wohnung von Hermann Hannibal. Es erschienen noch einige Nummern der „Proletarischen Front” und von „Die Kommenden”. Zum 1. Mai 1933 erschien erstmals „Die Internationale”, die sie später in „Internationaler Sozialismus” umbenannten.

Daneben hielten sie Kontakt zu anderen illegalen FAUD-Gruppen im In- und Ausland und führten Solidaritätssammlungen für inhaftierte Genossen und ihre Angehörigen durch.

Erst 1941 gelang es der Gestapo, die illegale FAUD in Kassel zu zerschlagen und die letzten in Kassel verbliebenen Mitglieder der FAUD zu verhaften. Hermann Hannibal wurde am 27. Mai 1941 festgenommen und in das Polizeigefängnis am Königstor eingeliefert. Bei Verhören durch die Gestapo stritt er jede illegale Betätigung für die FAUD ab, wurde aber durch die Aussagen eines anderen Mitglieds, Erna Paul, belastet. Alle männlichen Angeklagten kamen im August 1941 ins Zuchthaus Wehlheiden in Untersuchungshaft. Ende 1941 kam es zum Prozess gegen sieben Kasseler Anarchosyndikalisten. Mangels Beweisen wurden zwar alle sieben vom Vorwurf der Vorbereitung zum Hochverrat freigesprochen, bereits auf dem Gerichtsflur allerdings erneut von der Gestapo verhaftet und ins Polizeigefängnis eingeliefert. Ein Versuch Freislers, den Prozess gegen die Kasseler Anarchosyndikalisten an den Volksgerichtshof zu holen, scheiterte. Stattdessen fand im Mai 1942 gegen fünf von ihnen der Prozess vor dem Oberlandesgericht Kassel statt. Hermann Hannibal wurde wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu neun Monaten Gefängnis verurteilt, die durch die Untersuchungshaft abgegolten waren. Dennoch wurde er direkt ins KZ Breitenau eingeliefert. Von dort kam er am 18. Juli 1942 ins KZ Sachsenhausen, wo er die Häftlingsnummer 044694 bekam und im Block 37 untergebracht wurde. Er blieb dort bis zum 2. Mai 1945.

Nach seiner Rückkehr nach Kassel besaß Hannibal ein Fuhrunternehmen. Seine Gesundheit war angeschlagen, unter anderem hatte er durch die Misshandlungen während seiner Haftzeit sein Gehör verloren. Er starb 1963.

Quellen:

AS, D 1 A/1034, Bl. 013 (Effektenkammerschein).
SAPMO-BArch, R 58/3101, Bl. 42 (Reichssicherheitshauptamt).
R 58/3102, Bl. 34 (Reichssicherheitshauptamt).
R 58/319, Bl. 22.
StA Kassel, WG-Akte Hermann Hannibal.
StA Marburg, 274 Kassel Acc 1983/86, Nr. 8 Prozessakte Willi Paul/Hermann Hannibal (1931).
Bericht Willi Paul, Informationsstelle zur Geschichte des Nationalsozialismus in Hessen, Universität Kassel, 1979.
Frenz, Wilhelm/Kammler, Jörg/Krause-Vilmar, Dietfrid (Hrsg.), Volksgemeinschaft und Volksfeinde. Kassel 1933 – 1945. Bd. 2. Studie, Fuldabrück 1987.
Linse, Ulrich, Die „Schwarzen Scharen” – eine antifaschistische Kampforganisation deutscher Anarchisten, in: Archiv für die Geschichte des Widerstandes und der Arbeit, Nr. 9, S. 47-66, Bochum 1989.
Mümken, Jürgen, Anarchosyndikalismus an der Fulda. Die FAUD in Kassel und im Widerstand gegen Nationalsozialismus und Faschismus. Mit einer Einleitung von Helge Döhring, Frankfurt/Main 2004.
Ders., Im Kampf gegen Hitler und Franco. Zum 25. Todestag des Spanienkämpfers Willi Paul, in: Direkte Aktion, Nr. 163, Mai/Juni 2004, S. 14.
Schreiben von Helmut Hannibal, Enkel, vom 28.11.2004.

Veröffentlicht in: Siegfried Mielke (Hrsg.) in Verbindung mit Günther Morsch: Gewerkschafter in den Konzentrationslagern Oranienburg und Sachsenhausen. Biographisches Handbuch. Band 3, Berlin 2005, S. 351-352

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