Anna >> In den letzten Jahren haben in vielen Städten überall rund um den Globus anarchistische Buchmessen stattgefunden. Angefangen hat das in London, wo mittlerweile jedes Jahr mehrere tausend Leute zusammenkommen. Wir sind selbst auf solchen Messen gewesen, z.B. in Gent in Belgien oder Winterthur in der Schweiz und fanden das ziemich spannend. Ebenso wie die Linke Literaturmesse in Nürnberg, die uns vom Konzept inspiriert hat. Wir haben uns immer wieder gefragt, ob wir sowas auch in der BRD hinbekommen könnten und vor mehr als einem Jahr haben wir uns dann entschlossen, es einfach einmal zu probieren.
¿ Und warum gerade jetzt ?
Kalle >> Weil wir beobachten, dass sich etwas ändert. Zum ersten Mal seit langer Zeit, fragen sich viele Leute, ob der real existierende Kapitalismus ihnen mehr Perspektive für die Zukunft zu bieten hat, als permanente Krise und die Aussicht auf sinkende Löhne oder zunehmendes Elend in den Fängen der Armutsverwaltung. Wir merken in unserer täglichen Praxis, dass unsere Ideen mit deutlich mehr Interesse aufgenommen werden. Von der FAU wissen wir, dass sie wächst, im Südwesten gibt es etliche neue anarchistische Gruppen, anderswo tun sich spannenden Dinge wie z.B. die ASJ. Flugblätter z.B. für www.leiharbeit-abschaffen.de gehen weg wie warme Semmeln. Kein Wunder wenn ein Drittel aller neuen Arbeitsplätze Drecksjobs beim Sklavenhändler sind. Genau der richtige Zeitpunkt also, Leute zusammenzubringen.
¿ Weshalb nennt ihr die Messe nicht „Anarchistische Buchmesse“ sondern „Libertäre Medienmesse“ ?
Paula >> Da stecken gleich zwei Fragen drin. Wir wollten keine reine Buchmesse. Die Medienlandschaft verändert und erweitert sich. In unserer politischen Arbeit sind Bücher und Zeitschriften nach wie vor ein unabdingbarer Bestandteil. Aber es sind neue Sachen entstanden, Internet-Projekte wie Indymedia, Chefduzen, Labournet, viele Blogs und Websites. Die Website der FAU beispielsweise wird jeden Monat mehrere hunderttausend Mal aufgerufen, da kommen unsere Zeitungen nicht mehr mit und ihre Funktion beginnt sich zu wandeln. In anderen Bereichen wie Radio oder Video ist die Technik mittlerweile so günstig und leicht bedienbar geworden, dass es es immer weniger ExpertInnen-Wissen braucht und neue Projekte entstehen, die bislang nicht möglich gewesen wären. All das möchten wir versuchen, auf der Libertären Medienmesse zusammen zu bringen und einem breiten Publikum vorstellen.
Kalle >> Die zweite Frage in der Frage ist die nach „anarchistisch“ und „libertär“. Die beiden Begriffe haben für uns fast die gleiche Bedeutung. Wir selbst verstehen uns als libertäre KommunistInnen bzw. AnarchistInnen.
Anna >> Wobei wir durchaus auch Projekte angesprochen haben, die sich selbst nicht notwendiger Weise als „anarchistisch“ oder „libertär“ definieren würden, die wir aber für wichtig für unsere Diskussionen und unsere Praxis halten.
¿ Wen wollt ihr mit der Limesse ansprechen ?
Paula >> Da sind zum einen die Leute, denen es immer schwieriger fällt, einfach mal libertäre Bücher und Zeitschriften in die Finger zu bekommen, weil sie aus immer mehr Buchhandlungen verschwinden. Natürlich kann man heute über Webshops oder Mailorder jedes Buch bekommen. Das ist aber unserer eigenen Erfahrung nach etwas ganz anderes, als in Ruhe in einem großen Angebot stöbern und sich vielleicht auch etwas erklären lassen zu können. Und dann hoffen wir natürlich, dass nicht nur AnarchistInnen zur Messe kommen sondern auch Leute, die neugierig darauf sind, was wir zu sagen haben. Und davon gibt es in letzter Zeit erheblich mehr. Das merken wir auf Infoständen oder auch im Kreis von KollegInnen deutlich.
Kalle >> Wir nennen die Messe „1. Libertäre Medienmesse für den deutschen Sprachraum“. Es handelt sich also nicht um eine lokale Veranstaltung. Wir haben bereits Rückmeldungen von Leuten von Flensburg über Bern bis Klagenfurt, die zur Messe kommen wollen. Wir hoffen auch, dass aus den Niederlanden, wo auch viel deutschsprachige anarchistische Literatur gelesen wird, Leute kommen werden. Schließlich ist Oberhausen ja mal gerade hundert Kilometer von Nijmegen oder Arnhem entfernt. Wir werden mit der „Fundacion Anselmo Lorenzo“ aus Madrid und „PM Press“ auch spanisch- und englischsprachige AustellerInnen am Start haben, ebenso wie etwas türkischsprachige libertäre Literatur.
¿ Und wie wird die Messe genau ablaufen ?
Anna >> Die Messe findet im Zentrum „Druckluft“ statt, das gerade komplett renoviert wird. Dort werden in zwei großen Räumen die Tische der AusstellerInnen stehen. Derzeit sind das schon beeindruckende 40 Projekte, es werden aber fast täglich noch mehr. Los gehen wird es am Freitag ab 18:00. Am Samstag machen wir die Hallen von 10 Uhr bis 20 Uhr auf und am Sonntag von 10 Uhr bis 16 Uhr. Daneben wird es ab Samstag parallel Lesungen und Projektvorstellungen geben. Am Samstag Abend kommt uns außerdem ANARCHIST ACADEMY besuchen und tritt auf. Danach wird dann noch aufgelegt. Also volles Programm.
Paula >> Wir haben auch um das Programm herum einiges organisiert. Wir machen ein Café mit Untersützung des Café Libertad Kollektivs aus Hamburg. Le Sabot wird gegen einen kleinen Unkostenbeitrag Essen für AusstellerInnen und BesucherInnen anbieten. Und dann hoffen wir darauf, dass eine Sonderabfüllung Rotwein aus Anlass des 100. Geburtstages der spanischen anarcho-syndikalistischen Gewerkschaft CNT rechtzeitig zur Limesse eintrudeln wird.
Kalle >> Für Leute, die von weiter weg kommen und in der Region übernachten wollen, haben wir auf unserer Website eine Liste von Camping-, Pensions- und anderen Übernachtungsmöglicheiten zur Verfügung gestellt. Eine Pennplatz-Börse zu organisieren, würde unsere Möglichkeiten übersteigen. Aber wir wissen, dass viele Leute FreundInnen und GenossInnen im Ruhrgebiet und im Rheinland haben, wo sie unterkommen können. Und wir haben Oberhausen u.a. deshalb als Ort gewählt, weil man mit dem Zug in weniger als einer Stunde z.B. nach Köln oder Dortmund kommt. Das Druckluft liegt dann weniger als fünf Minuten vom Bahnhof entfernt.
¿ Und wie organisiert ihr das alles ?
Paula >> Wir sind ein Kreis von Leuten aus dem westlichen Ruhrgebiet und dem Rheinland, die das Ganze seit mehr als einem Jahr vorbereiten. Wir machen das als Teil unserer politischen Arbeit in der FAU und anderer Gruppen und Projekte. Das bedeutet u.a., dass die Limesse ein Non-Profit-Projekt ist. Wir nehmen ein wenig Gebühr für die Tischmiete von denjenigen AusstellerInnen, die auf ihren Ständen etwas verkaufen wollen. Der Eintritt für die BesucherInnen ist frei, einzig für das Konzert am Samstag Abend nehmen wir etwas Eintritt.
¿ Am 4. September finden ja auch Gegenaktionen gegen den Nazi-Aufmarsch in Dortmund statt ?
Paula >> Stimmt, darauf verweisen wir auch auf unserer Website. Wie bereits erwähnt, planen wir die Limesse schon lange und haben vor über einem Jahr den Termin festgelegt. Wir glauben aber nicht, dass es in der Praxis irgendein Problem geben wird. Für Leute, die nach Dortmund wollen, bleibt genug Zeit, später am Tag oder am Freitag bzw. Sonntag auf der Libertären Medienmesse vorbeizuschauen. Wir wissen von vielen Leuten, die von außerhalb der Region zur Messe kommen werden, dass sie auf jeden Fall nach Dortmund wollen. Und von uns werden selbstverständlich auch etliche dort sein.
¿ Kann man sich noch anmelden ?
Anna >> Im Moment geht das noch, aber so langsam wird der Platz knapp. Auf der Website gibt es ein Formular, mit dem sich AusstellerInnen anmelden können. Wenn es vom Platz her noch passt und inhaltlich in den Rahmen der Libertären Medienmesse fällt, können sich Verlage und Projekte noch anmelden. Ihr solltet euch aber beeilen.
¿ Gibt es etwas, was man tun kann, um euch zu unterstützen ?
Paula >> Na in allererster Linie, indem man vorbeischaut! Wir glauben, dass die Limesse ein Ereignis wird, das man einfach nicht verpassen sollte. Es ist ja immerhin eine Premiere. Und dann natürlich, indem ihr die Libertäre Medienmesse in eurer Stadt, euren Blogs, Foren, Radios, Zentren etc. bekannt macht. Wir haben auf der Website Plakate, Banner etc. zum Download bereitgestellt. Die könnt ihr euch runterladen und verwenden. Ihr könnt auch gerne dieses Interview für Indymedia weiterverbreiten.
Kalle >> Wo wir hier so viel von der Website gesprochen haben, ihr findet jede Menge Infos zur 1. Libertären Medienmesse unter http://www.limesse.de. Dort kann man z.B. auch unseren Newsletter abonnieren.
¿ Vielen Dank für das Gespräch ?
Anna >> Na denn, ¡Salud y Anarquia! – Wir sehen uns in Oberhausen!
Quelle: indymedia
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