Der Freiburger Club „The Great Räng Teng Teng“ hat sich ein alternatives Image aufgebaut, doch wie so oft ist die Fassade mehr Schein als Sein. Schmerzhaft musste dies eine Angestellte unlängst erfahren: Inspiriert durch einen Vortrag zum Thema Arbeitskämpfe in der Kleingastronomie von der FAU1 Dresden, forderte sie bei ihrem Chef eine Erhöhung des Lohnes auf 8,84 € für alle Mitarbeiter*innen ein. Dies ist der seit Januar 2017 geltende Mindestlohn. Die Erhöhung war schon seit ca. 2 Monaten überfällig. Der Chef reagierte jedoch nicht gerade kooperativ und rechtfertigte den bisher nicht erhöhten Stundenlohn von 8,50 € unter der Woche mit der etwas erhöhten Entlohnung von bis zu 10,00 € an Wochenenden. Der Haken ist dabei, dass nicht alle Angestellten jede Woche an einem Wochenende arbeiten dürfen und können. Die Angestellte und eine Kollegin sind seit einigen Jahren schon für die Lohnabrechnungen zuständig und zahlen alle Mitarbeiter*innen nach der Schicht aus. Die betroffene Kollegin beharrte auf dem gesetzlich verbrieften Mindestlohn und zahlte bei der nächsten Auszahlung – als Akt der direkten Aktion – die Differenz zum Mindestlohn an alle Angestellten direkt aus der Kasse aus. Wie vorgegeben dokumentierten sie und die Kollegin dies auf den Abrechnungen. Beide enthielten ihrem Chef also nicht vor, dass sie beschlossen hatten, den der Belegschaft zustehenden Mindestlohn auszuzahlen. Für den Chef war dies der gefundene Anlass der aufsässigen Arbeiterin fristlos zu kündigen. Etwas, dass bei einer so langen Anstellung nicht rechtlich ist. Seine Antwort auf diesen Einwand: „Dann verklage mich doch“. Seine Begründung für die fristlose Kündigung: Mit der Entnahme von lächerlich geringen Beträgen aus der Kasse sei das Vertrauen zwischen ihm und der Angestellten zerstört. Angesichts des zweistelligen Centbetrags pro Stunde, der auch auf der Abrechnung belegt war, und der langen Zeit, welche die Mitarbeiterin schon Teil der Belegschaft war, eine absurde Behauptung.
Womit er jedoch anscheinend nicht rechnete: Einige Kolleg_innen der Gekündigten solidarisierten sich mit ihr. Der Vorfall brachte bei vielen das Fass zum Überlaufen, denn schon vor dem Vorfall war das Verhältnis zum Chef schwierig. So konnte er von der Belegschaft nur via Facebook kontaktiert werden, tauchte des öfters betrunken auf der Arbeit auf und überwachte einzelne Angestellte auf Schritt und Tritt. Gemeinsam wurde beratschlagt zum Chef zu gehen und die Wiedereinstellung der Kollegin zu fordern. Im Falle eines Nicht-Einlenkens wollte man kollektiv kündigen. Bei einem Kneipengespräch wurden wir auf diesen Plan der Belegschaft aufmerksam und schlugen vor, doch einen gemeinsamen Streikposten vor dem Club abzuhalten, um potentielle Gäste über die Forderungen aufzuklären und den öffentlichen Druck auf den Chef zu erhöhen.
Das eingeforderte Teamgespräch wurde vom Chef verweigert, er wolle sich nur mit Einzelpersonen unterhalten. Unter diesen Umständen setzte die Belegschaft ihren Plan um, entschied sich gegen den Streikposten und kündigte – auch aufgrund des schlechten Verhältnisses zum Chef – aus Solidarität mit der Entlassenen kollektiv. Dem kamen dann auch 11 von 13 Kolleg*innen nach.
Die Gerüchte, die durch die kollektive Kündigung aufkamen, kratzten am Image des Clubs, der sich als Reaktion darauf gezwungen fühlte, den Lohn unter der Woche auf das gesetzlich vorgeschriebene Niveau (um großzügige 16 Cent aufgerundet) heraufzusetzen. So hatte die Solidarität der Angestellten doch noch eine positive Auswirkung – wenn nicht für sie selbst, dann zumindest für die neue Belegschaft.
Wir meinen, dass sich aus diesem Arbeitskampf etwas für kommende Auseinandersetzungen lernen lässt. Zuerst erscheint die kollektive Kündigung für die Angestellten als ein logischer Schritt: Der Chef ist scheiße, die meisten sehen den Job sowieso nur als Übergangslösung, und die Kündigung erscheint als naheliegender Akt der Solidarität. Doch welcher Schaden entsteht dem Chef denn real und welchen Nutzen bringt die Aktion der Belegschaft?
Für den Chef bedeutet die kollektive Kündigung, dass der laufende Betrieb für ein paar Tage beeinträchtigt ist und er etwas Zeit in Bewerbungsgespräche investieren muss. Wenn wir aber ehrlich sind, ist es in einer Studentenstadt wie Freiburg nicht allzu schwierig neue Aushilfskräfte für den Gastro-Bereich zu finden. Der finanzielle Schaden hält sich also alles in allem in Grenzen. Nach einer kollektiven Kündigung werden Chefs also mit hoher Wahrscheinlichkeit mit ihren bisherigen Geschäftspraxen fortfahren.
Nehmen wir nun mal an, die Belegschaft hätte die Idee den Club zu bestreiken umgesetzt: Der Effekt wäre ähnlich wie der einer kollektiven Kündigung. Der laufende Betrieb wäre für ein paar Tage beeinträchtigt gewesen. Dazu wäre aber noch ein schwerer Imageschaden dazu gekommen. Ein sich selbst als alternativ gerierender Club der nicht einmal den Mindestlohn zahlt? Zudem hätte die Möglichkeit bestanden weitere Punkte zu thematisieren, z. B. rassistische Äußerungen des Chefs und mehrmalige Anweisungen „Flüchtlinge“ nicht in den Club zu lassen. Dieser ökonomische und das Ansehen des Clubs betreffende Schaden hätten den Chef möglicherweise dazu bewegt die Kollegin wieder einzustellen und an alle Arbeiter*innen den Mindestlohn auszuzahlen.
Zudem ist ein Streik eine Möglichkeit, ein politisches Zeichen zu setzen und Mut zu machen: Solch eine Aktion einer kämpferischen Belegschaft hätte vielleicht auch andere Gastro-Arbeiter*innen motiviert gegen ihre schlechten Arbeitsbedingungen vorzugehen. In der Branche gehört miserable Arbeitsverhältnisse nämlich leider oft zur Regel. Wir sehen: Der Effekt eines Mini-Streiks wäre wohl um ein vielfaches größer gewesen. Trotzdem hat die Belegschaft gezeigt auf was es ankommt: Untereinander solidarisch zu handeln und klare Kante gegen die Bosse zu zeigen.
Quelle: Anarchistische Gruppe Freiburg