Beitrag Sammelband: Anarchistische Scheidewege Zum Verhältnis von Anarchismus und Antisemitismus

Mein Beitrag im Sammelband (erschienen März 2025):

Anarchismus und Antisemitismus

1.
Als ich angefragt wurde einen Beitrag zu einem Buch unter dem Arbeitstitel „Anarchismus und Antisemitismus“ zu schreiben, war ich hin und her gerissen.
Zum einen ist das Thema interessant, und vor allem sehr wichtig.
Zum anderen bin ich nicht der Typ, der „wissenschaftlich“ schreibt.
In sofern fällt dieser Beitrag jetzt ein wenig aus dem Rahmen dieses Buches.
Ich hoffe, dass der Platz, den mein Text beansprucht, nicht verschwendet ist.

2.
Meine „erste“ Begegnung1 mit Antisemitismus in der anarchistischen / anarchosyndikalistischen Bewegung war 1993.
Ich war in Barcelona und habe die „Exposición Internacional del Anarquismo“ besucht. Dort habe ich nicht nur zahlreiche Anarchistinnen getroffen, über die ich nur wenige Tage zuvor noch etwas gelesen hatte2, sondern auch zahlreiche „junge“ Anarchistinnen aus ganz Europa und Kanada.
Ich schloss mich einer kleinen multinationalen Gruppe an.
Dort lernte ich eine junge Anarchistin kennen. Sie war nicht nur Kanadierin, sondern auch Jüdin. Mit anderen zusammen zogen wir nachts um die Häuser und besuchten die anarchistischen Bars der Stadt. In einer der letzten Kneipen erzählte ein Anarchist aus Großbritannien, der als Jobvermittler beim Arbeitsamt arbeitete, dass er selbst ja nix gegen Juden habe, er aber nachvollziehen könne, dass viele Menschen etwas gegen die reichen „Geldjuden“ hätten.
Immerhin sei das schon auffällig,…. –
In meiner Erinnerung haben sie und ich uns kurz angeblickt. Irgendwie war klar, dass wir mit einem Betrunkenen nicht anfangen werden zu diskutieren.
Wir sind stattdessen gegangen.
Diese Begegnung ist mir besonders deutlich in Erinnerung geblieben.

3.
Meine nächsten Begegnungen mit Antisemitismus innerhalb der anarchistischen Bewegung, waren nicht nur von „außen“.
Vielmehr war ich oft genug selbst das Problem.
In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre fiel es mir noch sehr leicht vom „Apartheidstaat Israel“ zu reden.
Zum Glück hatte ich Genossinnen in meinem Umfeld, die Zeit und Geduld aufbrachten, um mir zu erklären was und warum das, was ich so alles von mir gab, Teil der antisemitischen Erzählung ist. In die selbe Zeit fallen die Gewerkschaftsproteste gegen internationale (meist US-amerikanische) Finanzinvestoren.
Die Gewerkschaften haben dabei häufig das Bild der alles vereinnahmenden Krake oder der alles auffressenden Heuschrecke verwendet.
Innerhalb der Gewerkschaften gab es aber auch Menschen, die sich gegen diese beiden (und noch ein paar andere) Erzählungen gestemmt haben.
Insgesamt hatte ich also das Glück, dass antisemitischen Erzählungen offen und öffentlich widersprochen wurde.
So hatte ich die Chance mich mit den antisemitischen Bildern und Erzählungen, die ich in meinem Leben, ohne es zu wollen, erlernt hatte, auseinander zu setzten.
Dieser Prozess ist sicher noch nicht abgeschlossen.

4.
Der Massenmord der islamistischen Hamas an über 1.000 Israelis am 7. Oktober 2023 war eine Zäsur.
Mich haben die verschiedenen „roten“ Gruppen nicht überrascht, die das Massaker und die Entführung von über 200 Menschen als „legitimen Widerstand“ verklärt haben.
Aufgrund ihres marxistischen/leninistischen Antiimperialismus hatte ich von diesen Gruppen nichts anderes erwartet.
Überrascht haben mich queere, feministische und vor allem anarchistische/anarchosyndikalistische Gruppen/Organisationen und Menschen, die in ein ähnliches Horn bliesen.
Seit dem Angriff der Hamas und ihrer Verbündeten haben antisemitische Angriffe in der BRD (Europa/weltweit) zugenommen.
Im Schnitt haben sie sich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verdoppelt.3
Hat mich schon das Schweigen vieler Gruppen verunsichert, so hat mich so manche Äußerung wirklich erschüttert.
Das Schweigen, auch meiner eigenen Organisation, konnte ich mir eine Zeit lang noch damit erklären, dass die Leute erst einmal intern diskutieren müssen.
Schließlich ist das Thema Israel/Palästina ein „heißes Eisen“ und komplex.
Aber je länger das Schweigen dauerte und die Angriffe auf Juden und Jüdinnen weltweit weiter gingen, desto mehr wurde mir das Versagen (auch das eigene) bewusst.
Gegen das eigene Versagen kann man ja zum Glück etwas unternehmen.
Also fing ich an, nach anarchistischen Verlautbarungen zu suchen, die meiner Haltung einen Ausdruck verleihen konnten.
Ich schlug diese meinem Syndikat vor und bat darum, dass wir diese auf unserer Homepage veröffentlichen sollten.
Leider wurde das von einer kleinen Gruppe ohne Begründung und vor allem ohne Diskussion abgelehnt.
Und das war dann auch der Punkt, wo ich fast den Boden unter meinen Füßen verloren habe.
Im eigenen Syndikat, aber auch darüber hinaus gab es Anarchist:innen, die sich nicht dazu bereit fanden, den sich neu bahnbrechenden und aktionistischen Antisemitismus in Deutschland zu verurteilen.
Stattdessen kamen immer wieder andere Ausreden und jede Menge „was ist mit,…“
Getoppt wurde alles durch Schuldzuweisungen, à la „die Juden sind selbst schuld!“3.1
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es schnell gehen kann, dass man antisemitische Erzählungen wiederkäut.
Entscheidend ist die Bereitschaft, wenn man schon darauf aufmerksam gemacht wird, sich damit auseinander zu setzten.
Denn einerseits hat man ja vielleicht etwas zu sagen.
Und andererseits ist man ja vielleicht auch kein überzeugter Antisemit.
Aus dieser Gemengelage ergibt sich meiner Meinung nach die Pflicht, sich im Zweifel noch einmal hin zu setzten und zu überlegen wie man das, was man vielleicht eigentlich sagen wollte, so mitteilen kann, dass es eben nicht anschlussfähig an antisemitische Erzählungen ist oder gar selbst eine antisemitische Erzählung wiederholt.
Stattdessen beobachtete ich eine Verhärtung der angeblich „pro“-palästinensischen Positionen und die komplette Abwehr jeglicher Kritik, egal aus welcher Richtung diese kommt.
Stattdessen beruft man sich zusehends auf „antizionistische“ Juden und bringt diese in Stellung gegen die als „Zionisten“ markierten Kritiker:innen.4

5.
Aber wie kommt es, dass auch einige Anarchist:innen einerseits antisemitische Erzählungen wiederkäuen und anderseits nicht willens oder auch nur in der Lage sind in diesem Punkt Kritik anzunehmen?
Ich bin leider nicht in der Situation, um eine ausgereifte Theorie zu dieser Frage zu konstruieren. Aber ich denke, dass es an mehreren Faktoren liegt.
Zum einen wähnen sich Anarchist:innen grundsätzlich auf der „richtigen Seite“.
Unter diesem Gesichtspunkt, können sie sich keine Fehler eingestehen.
Dann haben einige von ihnen sicher auch ein sehr einfaches Konzept von Unterdrückern auf der einen Seite und Unterdrückten auf der anderen Seite.
In diesem einfachen Bild sind Juden/Jüd:innen die Unterdrücker und die Palästinenser die Unterdrückten5.
Und nicht nur das – als Opfer des NS-Faschismus werden sie in ihrer Rolle als Unterdrücker mit den Nazis und ihren Methoden gleichgesetzt.
Als Anarchist:innen sind sie natürlich auch „gegen den Staat“.
Dabei vergessen sie, dass Anarchist:innen gegen die Idee des Staates insgesamt sind, und, schon seit Peter Kropotkin wissen, dass der Staat eine ganze Reihe von gesellschaftlichen (sozialen/kulturellen) Aufgaben an sich gerissen hat.
Zusammen mit der Erkenntnis, dass der Staat kein Ding ist, das man zerschlagen kann sondern ein gesellschaftliches Verhältnis zwischen den Menschen6, ist eigentlich klar, dass Anarchist:innen nur dann „den Staat“ abschaffen können, wenn sie vorher schon die Keimzelle für ein neues Verhältnis gelegt haben.
Und das im globalen Maßstab.
Durch dieses „Vergessen“ fällt es ihnen leicht, die Vernichtung Israels (free palestine-from the river to the sea)7/8 zu fordern.
Und da sind wir auch schon wieder beim nächsten Problem:
Wann immer man versucht mit ihnen über Antisemitismus hier(!) und jetzt zu reden, gehen sie über zum Israel-Palästina-Konflikt.
Sie können Juden und Jüdinnen nur noch als Zionisten oder Antizionisten sehen.
Egal wo auf der Welt sie leben und egal was sie dort machen oder wie alt sie sind.
Nicht unwichtig scheint mir auch die, den Kritiker:innen unterstellte „Staatsnähe“ zu sein.
Mit ihrem Bekenntnis zum „palästinensischen Volk“ treten sie in Opposition zur deutschen Staatsräson.
So kann man sich ohne großes persönliches Risiko noch einmal rebellisch fühlen und gegen „die da oben“ aufbegehren.
Ein Argument, das ich immer wieder gehört habe, war, dass die Anarchist:innen „auf der ganzen Welt“ für das „palästinensische Volk“ wären.
Und dass nur in Deutschland Anarchist:innen Antideutsche (das meint „zionistische“) Positionen übernommen hätten.
So als ob die Mehrheit automatisch recht hätte oder Deutschland nicht der Staat wäre, der den Holocaust organisiert und weltweit antisemitische Gruppen und Organisationen unterstützte.
Vielleicht spielt auch die Art und Weise, wie die Palästinenser9 gegen Israel kämpfen, eine Rolle.
So herrscht angesichts der eigenen Ohnmacht vielleicht eine klammheimliche Freude darüber, dass es Gruppen gibt, welche den vermeidlich übermächtigen Feind10 mit der Waffe in der Hand gegenüber treten11..
Zu guterletzt scheint es mir auch so, dass einige Anarchist:innen von Rassismus und Antisemitismus falsche Vorstellungen haben.
Der grundlegende Unterschied zwischen beiden Konzepten scheint nicht allen klar zu sein. Deshalb erscheint es ihnen wie ein einzelnes Phänomen.

6.
Bei einigen Anarchist:innen habe ich jede Hoffnung aufgegeben, dass sie noch einmal ihren Antisemitismus überdenken.
Bei allen anderen bleibt nur die Hoffnung12.
Was es zuallererst braucht, ist die Bereitschaft Kritik anzunehmen und sich ernsthaft damit auseinanderzusetzten.
Aber das reicht nicht aus.
Es braucht auch den Willen, zu akzeptieren, dass wir als Bewegung weit davon entfernt sind realpolitische Macht entfalten zu können.
Eben weil das so ist, werden „wir“ auch nicht den Israel-Palästina-Konflikt lösen.
Darum geht es auch nicht.
Es geht um Antisemitismus hier und jetzt.
Dabei ist es besonders wichtig den Antisemitismus in den eigenen Reihen zu thematisieren.
Wenn wir dies tun, dann können wir klar gegen jeden Antisemitismus13 Stellung beziehen und uns schützend14 neben Juden und Jüd:innen stellen.
Entgegen der Behauptung derjenigen, welche die antisemitischen Erzählungen weiter verbreiten, werden wir dabei auf zahlreiche neue Verbündete treffen.
In erster Linie Menschen, die Erfahrungen mit islamistischen Gruppen und Regimen machen mussten.
Der Widerstand gegen den Antisemitismus, so wie er sich seit dem siebten Oktober 2023 Bahn gebrochen hat, nimmt weltweit zu.
Er ist multiethnisch und vor allem von Frauen getragen.
Diese Begegnungen werden nicht einfach sein. Aber sie werden sehr fruchtbar sein insbesondere wenn wir allesamt gemeinsam von den jeweiligen Erfahrungen lernen wollen.

 

Anmerkungen:

1 Das war zumindest die erste bei der es mir auffiel. Ansonsten hatte ich schon bei Emme Goldman und Peter Kropotkin darüber gelesen. Später las ich dann auch Texte von Erich Mühsam, Rudolf Rocker u.v.a.m. die Antisemitismus zum Thema hatten. Antisemitismus und das verhalten von Anarchist:innen wird also schon seit mehr als 100 Jahren von Anarchist:innen beschrieben.

2 Kurz zuvor hatte ich ein Buch über die spanische Revolution gelesen. In Barcelona traf ich nun auf die Anarchosyndikalist:innen die 1936 als junge Arbeiter:innen aktiv an der Revolution teilgenommen hatten.

3 So gab es 2023 insgesamt:
4.782 antisemitische Vorfälle – gegen die 90.478 Juden/Jüdinnen in den deutschen Gemeinden und Landesverbänden
1.926 antimuslimische Vorfälle, die sich auf rund 5.500.000 Millionen Menschen aller muslimischen Glaubensrichtungen verteilten und
1.233 antiziganistische Vorfälle, die sich auf 70.000 bis 150.000 Roma und Sinti verteilten

Bezogen auf jeweils 100.000 Personen der betroffenen Personengruppe kam es zu
5285,26 antisemitischen Vorfällen,
1233,0 antiziganistischen Vorfällen,
35,02 antimuslimischen Vorfällen.

(https://www.deutsche-islam-konferenz.de/DE/DatenFakten/daten-fakten_node.html)
(https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1232/umfrage/anzahl-der-juden-in-deutschland-seit-dem-jahr-2003/)
(https://mediendienst-integration.de/gruppen/sinti-roma.html und https://www.bundesromaverband.de/wp-content/uploads/2024/08/PM-Roma-in-Deutschland-Zahlen-und-Fakten.pdf und https://www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/ueber-diskriminierung/was-ist-diskriminierung/_docs/faq-uebersicht/_functions/sinti_und_roma.html)

Pressemitteilung – Antimuslimische Übergriffe und Diskriminierung in Deutschland 2023: Mehr als fünf antimuslimische Vorfälle pro Tag


https://report-antisemitism.de/documents/25-06-24_RIAS_Bund_Jahresbericht_2023.pdf

MIA veröffentlicht 2. Jahresbericht zu antiziganistischen Vorfällen in Deutschland. Die Vorfallzahl hat sich im Vergleich zum Vorjahr beinahe verdoppelt

3.1 Dabei viel mir auf das „die Juden“ und der Staat Israel gleichgesetzt werden. Und das man sich eines weiteren Tricks bedient: „die Juden“ werden in „Zionist:innen“ und „Antizionist:innen“ aufgeteilt. Die antizionistischen Juden und Jüd:innen sind „die guten“ alle anderen sind ganz unabhängig vom alter und sonstigem persönlicher Aktivität verantwortlich für die Unterdrückung „der Palästinenser“ (die verkürzt als homogenes Volk phantasiert werden). Dabei spielt es dann auch keine Rolle wo auf der Welt sie leben. Da „zionistische“ Juden und Jüdinnen „das böse“ repräsentieren (Zionist:innen sind in ihren Augen Nazis), ist Widerstand gegen sie nicht nur gerechtfertigt, sondern geradezu eine moralische Pflicht. So soll unter anderem die herbei phantasierte „german gulit“ überwunden werden. Wurde 1933 noch „Deutsche! Wehrt euch! Kauft nicht bei(m) Juden! – Die Juden sind unser Unglück! – Meidet jüdische Ärzte! – Geht nicht zu jüdischen Rechtsanwälten!“ gerufen und plakatiert, so kommt schon seit ein paar Jahren die Boycott, Divestment and Sanctions(dt. Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen, abgekürzt BDS) als neue antisemitische internationale daher. Oder auch die These das „das was der israelische Staat seit 75 Jahren den Palästinensern antut, ist unmenschlich, das führt zu solchen Geschwüren wie der Hamas“ oder noch etwas deutlicher: „die Hamas ist nicht so beliebt, da von Israel mitgegründet und wahrscheinlich immer noch unterwandert“ (zwei Originalzitate aus einer Diskussion die ich via Messanger geführt habe).

4 Man meint damit zusehends nicht mehr nur Juden und Jüdinnen sondern auch nicht-Juden/innen. zusammen mit dem roten Dreieck der Hamas werden sie als Feinde und Ziele markiert. Auch der Vorwurf man sei „anti-deutsch“ in Kombination mit „antideutsche sind nicht links“ ist wieder in Mode gekommen. Wohlgemerkt: als Vorwurf, nicht als analytischer Begriff.

5 Das ganze wird angereichert durch verschiedene Thesen des Dekolonialismus, u.a. wissenschaftlichen Theorien die im linken Alltag zur (verküzten) Ideologie verkommen sind. Dabei werden zum teil die Ursprungsthesen so ihrem Kontext entrissen, das wahrscheinlich der eine oder die andere im Grab rotiert.

6 Für mehr, bitte bei Gustav Landauer nachlesen

7 Nichts anderes bedeutet diese Parole – nicht nur, aber ganz besonders dann wenn sie von der Hamas kommt. Die unkritische Übernahme dieser Parole sendet ein sehr gefährliches Signal an alle Juden/Jüdinnen weltweit.

8 Das sie damit auch gleichzeitig einen palästinensischen Staat fordern, und wie sehr das im Widerspruch zur anarchistischen Staatskritik steht, wird ihnen nicht bewußt. Einige bemühen sich diesen Widerspruch auf zu lösen und finden dabei allerlei „Argumente“ für eine Volksbefreiung, die allesamt aus der politischen Mottenkiste der 1970er Jahre stammen.

9 Die meisten Anarchisten beziehen sich lieber auf „die Palästinenser“ als auf die Hamas und die anderen islamistischen Terrorgruppen die Israel angegriffen und Menschen ohne Unterscheidung von Geschlecht, Nationalität, Religion oder Alter ermordet haben. Dabei wird ausgeblendet, das die Hamas zur Zeit die Mächtigste Gruppe im Gaza-Streifen ist. Es gibt keine Gruppe welche die Hamas auch nur ansatzweise Herausfordern könnte. Außerdem besteht die Hamas ja nicht nur aus ihrem militärischen Arm Sie regiert den Gaza-Streifen seit 2006 und bestimmt unter anderem die Lehrinhalte an allen Bildungseinrichtungen,…

10 Der im zweifel nicht nur alle Möglichen anderen Regierungen und viele verschiedenen Gruppen, sondern auch noch „die Medien“, „die Finanzen“, „die Banken“ usw. usf. beherrscht

11 Man möchte „heldenhaft“ ergänzen

12 Die stirbt ja bekanntlich zuletzt – auch wenn sie stirbt

13 Das meint sowohl die verschiedenen Formen als auch die unterschiedlichen Sender von antisemitischen Botschaften

14 Es reicht nicht sich selbst überschätzend „schützend“ vor Juden/Jüdinnen zu stellen. Vielmehr muss uns klar sein, das wir verbündete im Kampf gegen den Antisemitismus sein müssen.

 




Frederik Fuß (Hg.) – Anarchistische Scheidewege
Zum Verhältnis von Anarchismus und Antisemitismus

Sammelband | 196 Seiten | März 2025
ISBN 978-3-949036-16-3

Der 7. Oktober 2023 markiert eine Zäsur. Der größte Massenmord an Jüdinnen und Juden seit der Shoa geht in seiner Bedeutung und den Auswirkungen weit über Israel hinaus. Als Zäsur betrifft er nicht nur Jüdinnen und Juden, gleichwohl diese vorrangig unter dem weltweit grassierenden Antisemitismus leiden, er zwingt auch alle anderen sich in der Debatte zu verhalten, wenn nicht zu positionieren.
Das anarchistische Lager bildet hier keine Ausnahme und so divers der Anarchismus ist, so verschieden sind die Sichtweisen auf den 7. Oktober und seine Folgen. Tragischerweise geraten auch die erklärten KämpferInnen für die Freiheit immer wieder auf antisemitische Abwege, wobei dies keineswegs neu ist. Im historischen Anarchismus hat es sowohl Antisemitismus wie auch dessen entschlossene Bekämpfung gegeben.
Der Sammelband beleuchtet sowohl den historischen Anarchismus sowie aktuelle Debatten und versucht zu intervenieren, wo es nötig ist. Dabei gehen die Einschätzungen und Meinungen der Beiträge durchaus auseinander. So bleibt der Versuch bei einem viel diskutierten Thema den Dialog im libertären Lager nicht nur aufrecht zu erhalten, sondern zu fördern.

Mit Beiträgen von:
Thorsten Bewernitz, Olaf Briese, Andreas Fischer, Frederik Fuß, Timo Gambke, Gerhard Hanloser, Kacper Konar, Rudolf Mühland, Jürgen Mümken, Sam Oht,
Werner Portmann, Maurice Schuhmann, Kristian Williams

Awareness Konzept „Schwarz-Rotes-Wochenende“

 Ist dir etwas passiert womit es dir gerade schlecht geht?
 Hast du eine Diskriminierungserfahrung gemacht?
 Hat ein anderer Mensch deine Grenzen überschritten?
 Hast du Redebedarf?
 Fühlst du dich unwohl?
Wir möchten, dass die Veranstaltungsreihe ein diskriminierungssensibler Raum ist und sich alle Teilnehmenden wohl und sicher fühlen. Daher gibt es während unserer Veranstaltungsreihe ein Awareness-Team, das sich sowohl als Ansprechpartner*innen bei grenzüberschreitendem, übergriffigem und diskriminierendem Verhalten versteht als auch eine Sensibilisierungsrolle einnimmt.
Wann Menschen ihre Grenzen verletzt sehen und welches Verhalten als Gewalt erfahren wird, kann sehr unterschiedlich sein. Das Recht darüber zu entscheiden, wann etwas als gewalttätig und übergriffig gilt liegt bei der davon betroffenen Person. Das Erlebte wird von uns nicht in Frage gestellt. Die Rolle des Awareness-Teams sehen wir als empathischen und parteilichen Beistand. Es geht darum, das Gefühl von Ohnmacht und Ausgeliefertsein zu überwinden und dass persönliche Grenzen – egal, wo sie liegen – völlig okay sind. Dabei bleibt alles, was du uns anvertraust, unter uns. Im Mittelpunkt steht die konkrete Unterstützung der betroffenen Person entsprechend ihrer Bedürfnisse. Wir suchen gemeinsam nach einer Lösung, mit der du dich wohl fühlen kannst. Es wird nichts ohne deine eindeutige Zustimmung passieren. Wir helfen dir und unterstützen dich so gut wir können.
Wie wir während den Veranstaltungen arbeiten
Wir sind jederzeit für dich ansprechbar. Vor der Veranstaltung stellen wir uns persönlich vor, du erkennst uns zusätzlich an unserer Armbinde. Auch wenn du dich mit einer Situation während einer Veranstaltung unwohl fühlst und es anonymisiert ins Plenum tragen möchtest sind wir da um dich zu unterstützen. Wenn wir den Eindruck haben, dass Menschen diskriminiert wurden oder wenn uns zugetragen wird, dass Menschen eine Grenzüberschreitung erfahren haben, werden wir im ersten Schritt, falls ersichtlich, die betroffenen Personen ansprechen um zu erfragen wie es ihnen geht und welchen Umgang sie sich mit dem Vorfall wünschen. Wir möchten euch ganz herzlich einladen, euch bei uns nach einem Vorfall zu melden und uns mitzuteilen welchen Umgang ihr euch mit der Situation wünscht. Natürlich könnt ihr euch auch gerne melden, wenn ihr die unangenehme Situation noch nicht genau benennen könnt.
Wir behalten uns das Recht vor bei (wiederholten) Grenzüberschreitungen Menschen von der Veranstaltung auszuschließen.
Wir Menschen im Awareness-Team sind bemüht auf sensible Weise auf euch einzugehen, haben allerdings bestimmte Diskriminierungserfahrungen nie selbst erlebt. Schreibt uns gerne an faud-srw@fau.org mit dem Betreff “Awareness”, wenn ihr Verbesserungsvorschläge oder Kritik an unserem Awareness-Konzept habt, wir freuen uns von euch zu lernen!

Kündigung Teil IV – Die Rolle des Betriebsrats bei der Kündigung und die Klage dagegen vor dem Arbeitsgericht

paragraphen.gifGibt es in eurem Betrieb einen Betriebsrat (BR), habt ihr bei der Kündigung einige Vorteile. Sollte es der Arbeitgeber versäumen, den BR vor der Kündigung anzuhören, gilt eine Kündigung als unwirksam (§ 102 Abs. 1 BetrVG). Mit anderen Worten, der BR weiß vor euch ob ihr gekündigt werdet und sollte mit euch darüber reden (§ 102 Abs.2 letzter Satz). Es gibt nur einen kleinen Haken: Ihr müsst trotzdem innerhalb von drei Wochen zum
Arbeitsgericht (siehe Direkte Aktion #201), weil nur dort die Unwirksamkeit festgestellt werden kann. Erst danach
dürft ihr weiter malochen.

Ein weiterer Vorteil ist, dass ihr die Möglichkeit habt, auf Weiterbeschäftigung nach Ablauf der Kündigungsfrist (bis zum rechtskräftigen Beschluss des Rechtsstreits) zu klagen, wenn der BR der Kündigung „ordentlich “ widerspricht (§ 102 Abs.5 Satz1). Ihr müsst somit zwei Klagen erheben: eine gegen die Kündigung und eine zweite auf
Weiterbeschäftigung.

Leider funktioniert die Zusammenarbeit mit dem BR in der Realität nicht immer so wie gewünscht. Der erste Fehler ist der fehlerhafte „ordentliche “ Widerspruch des BR. Im
Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) gibt es lediglich fünf Punkte, aufgrund derer der BR einer Kündigung widersprechen kann (§ 102 Abs. 3 BetrVG). Davon sind in der Regel nur vier relevant: soziale Gesichtspunkte, die Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz, eine zumutbare Umschulung bzw. Fortbildung oder die Änderung der Vertragsbedingungen.

Dabei muss der BR darauf achten, welche Kündigungsform bzw. -art vorliegt (siehe dazu auch DA #198 und #199). Am besten ihr kümmert euch selbst mit darum, dass der richtige Widerspruch eingelegt wird.

Auch solltet ihr darauf achten, dass der Betriebsrat innerhalb einer Woche nach Erhalt der Anhörung widerspricht. Die Frist beginnt erst am Tag nach Eingang der Anhörung, aber Achtung: das Wochenende ist natürlich in der Woche enthalten! Geht die Anhörung beispielsweise am Mittwoch an, beginnt die Frist am Donnerstag. In diesem Fall muss der Widerspruch bis zum Mittwoch der Folgewoche beim Arbeitgeber vorliegen. Ist dieser Tag zufällig ein Feiertag, erst am nächsten Tag. Lässt der BR diese
Frist einfach verstreichen bzw. gibt er den Widerspruch zu spät ab, gilt die Zustimmung als erteilt (§ 102 Abs.2 Satz 2).

Fällt dem Betriebsrat und euch nichts zu den oben genannten Widerspruchsgründen ein, dann könnt ihr den BR immer noch veranlassen, möglichst viele Bedenken zu äußern (§ 102 Abs.2 Satz 1). Auch wenn er ordentlich widersprochen hat, sollte er trotzdem alle Möglichen nutzen, mit denen der Arbeitgeber von einer Kündigung abrücken könnte. Dies gilt ausdrücklich auch bei einer außerordentlichen, sprich fristlosen Kündigung (§ 102 Abs. 2 Satz 3), da hier kein Widerspruch möglich ist.

INSTANZEN DER ARBEITSGERICHTSBARKEIT – KLAGEERHEBUNG BEI EINER KÜNDIGUNG

Die Arbeitsgerichtsbarkeit verfügt generell über drei Instanzen, die Arbeitsgerichte (ArbG), Landesarbeitsgerichte (LAG) und zuletzt das Bundesarbeitsgericht in Erfurt (BAG). An dieser Stelle beschäftigen wir uns vor allem mit der 1. Instanz.

Zuerst ist wichtig, dass ihr die Klage rechtzeitig (s.o.) erhebt. Dies könnt ihr auch ohne anwaltliche Vertretung. Dazu gibt es eine Rechtsantragsstelle, die mit einem Rechtspfleger besetzt ist, der für oder mit euch die Klageschrift formul iert. Auch braucht ihr euch nicht anwaltlich vertreten zu lassen, sondern könnt euch selbst mit dem Arbeitsgericht und den AnwältInnen der Gegenseite herumärgern. Ihr könnt aber auch eine/n VertreterIn eurer Gewerkschaft mit der Prozessvertretung beauftragen.

Solltet ihr dennoch eine Anwältin oder einen Anwalt beauftragen, tragt ihr die Kosten selbst. Auch der Arbeitgeber muss seine Rechtsvertretung selbst bezahlen. Die Gerichtsgebühren sind im Arbeitsgerichtsverfahren niedriger als bei anderen Gerichtsverfahren. Oft werden Verfahren vor dem Arbeitsgericht mit einem Vergleich beendet, so dass diese Kosten ganz entfallen. Bei einem Urteil richtet sich die Höhe der von der unterlegenen Partei zu tragenden Gerichtsgebühr nach dem Streitwert. Bei 5.000 Euro sind dies ca. 250 Euro.

ABLAUF DES VERFAHRENS

Zunächst wird ein Gütetermin angesetzt. Im Gütetermin wird von einem Richter lediglich versucht, eine einvernehmliche Lösung des Konflikts herbeizuführen. Hier
könnt ihr ggf. schon eine Abfindung aushandeln. Wenn ihr allerdings euren Arbeitsplatz behalten möchtet, kommt es unweigerlich zum Kammertermin. Dort sitzen dann nicht nur der hauptamtlicher Richter, sondern noch zwei ehrenamtliche, einer der Arbeitgeberseite und einer der Arbeitnehmerseite.

Auch hier wird zuerst versucht, eine gütliche Einigung zu erzielen, das ist in der Regel eine Abfindungszahlung. Wenn ihr aber weiterhin darauf besteht, weiter arbeiten zu wollen, wird ein Urteil gesprochen. Gegen ein ergangenes Urteil, welches euch nicht passt, könnt ihr dann Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) einlegen.

§§§-Dschungel: Kündigung – Teil III: Schrifterfordernis, Kündigungszugang und Fristen

paragraphen.gifDie Schrifterfordernis
ist im § 623 BGB geregelt:

„Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; die elektronische Form ist ausgeschlossen.“

Trotz dieses einfachen Gesetzestextes tauchen hier immer wieder Unsicherheiten auf.

Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses muss schriftliche rfolgen und vom Aussteller eigenhändig unterschrieben sein. Schriftlich heißt somit ein Original aus Papier mit handschriftlicher Unterschrift des Arbeitgebers. Die Schriftform gilt übrigens auch wenn ihr selbst kündigt. Zugang in elektronischer Form bedeutet hier E-mail, SMS, etc., aber auch das Fax. (Siehe §§§-Dschungel in der Direkten Aktion Nr. 197)

WANN GILT EINE KÜNDIGUNG ALS ZUGEGANGEN?

Eine Kündigung muss in den „Herrschaftsbereich“ des Empfängers kommen, zum Beispiel in seinen Briefkasten. Zugegangen ist sie aber erst, wenn ihr sie, unter Abwägung der Umstände, auch zur Kenntnis nehmen konntet. Wird sie zu den üblichen Postzustellungszeiten eingeworfen, gilt der gleiche Tag als Datum des Zugangs. Wird die Kündigung allerdings später eingeworfen, gilt erst der nächste Tag. Doch auch hier, Vorsicht:

Bei den vielen privaten Zustellern verteilt sich die übliche Zustellung schon fast bis in den Nachmittag. Auch bei Abwesenheit (Urlaub etc.) gilt die Kündigung dann als zugestellt und die 3-wöchige Widerspruchsfrist beginnt zu laufen.

Der Einwurf der Benachrichtigung über die Lagerung eines Einschreibens bei der Post
in euren Briefkasten bedeutet noch keinen Zugang der Kündigung beim Empfänger. Auch seid ihr nicht verpflichtet, das Schreiben abzuholen, es sei denn, dass ihr mit einer Kündigung rechnen konntet. (LAG Rheinland-Pfalz 10 SA 949/00)

FRISTEN

Werden die oben genannten Erforderlichkeiten nicht eingehalten, ist die Kündigung unwirksam. Aber Vorsicht: Nur ein Gericht kann diese Unwirksamkeit feststellen.
Das heißt für euch, dass ihr in jedem Fall eine Kündigungsschutzklage erheben müsst, und zwar innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung.

Anrufung des Arbeitsgerichts:

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf
Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. 
(§ 4 KSchG, Kündigungsschutzgesetz)

Versäumt man nun diese Frist, dann hilft nur noch die Zulassung einer verspäteter Klage laut § 5 KschG:

(1) War ein Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach
Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben, so ist auf seinen Antrag die Klage nachträglich zuzulassen.

(3) Der Antrag ist nur innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses zulässig.

Kurz und gut. Versucht möglichst nicht mit Fristen zu taktieren, sondern konzentriert euch auf die rechtzeitige Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Habt ihr die dreiwöchige Frist versäumt, rate ich dringend einen Rechtsanwalt einzuschalten, um die nachträgliche Klagemöglichkeit zu erreichen.

Eine spezielle Frist gibt es noch bei der außerordentlichen (fristlosen) Kündigung:

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, […]

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(§ 626 BGB: Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund)

Mit anderen Worten:
Entscheidend ist es, wann genau der Chef von dem Kündigungsgrund gewusst hat oder hätte haben können. Das klärt dann das Gericht. Hat er die o.g. Frist überschritten, ist die fristlose Kündigung unwirksam. Auch hier gilt: In jedem Fall rechtzeitig Kündigungsschutzklage erheben!

 

NOCH EIN TIPP ZUM SCHLUSS

„… muss der Arbeitgeber innerhalb von zwei Monaten, nachdem er von den maßgeblichen kündigungsrelevanten Tatsachen Kenntnis genommen hat, erklären….“
(Rheinische Post zur fristlosen Kündigung, Auszug)

Solche und ähnliche Fehler sind auf den unterschiedlichsten Homepages zu finden und können immer passieren, auch auf den Seiten von Anwälten. Gewöhnt euch deshalb einfach an, im Gesetzestext zu lesen. Nur der ist wirklich verbindlich. Im BGB § 622 sind übrigens die gesetzlichen Kündigungsfristen bei Arbeitsverhältnissen geregelt. Auch die bei einer Probezeitkündigung.

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Rechtslage Streik

Diese Hinweise sind nicht gleichzusetzen mit einer Rechtsberatung. Alle Angaben sind nach bestem Wissen und Gewissen zusammen gestellt, jedoch ohne Gewähr.

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