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naumburg1933.de und |
Otto Wolf |
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Von unserem Haus sah ich nur den Schatten
Seit 1930 geht der Markthelfer und Heizer Otto Wolf seiner Arbeit im Kaufhaus Cohn in der Herrenstraße nach, als er hier am 2. Juni 1937 verhaftet wird. Über seine Vernehmung am 3. Juni 1937 im Rathaus existiert ein Vernehmungsprotokoll. Bekannte erkennen ihn auf dem Weg vom Rathaus in das Polizeigefängnis am Jacobsring nur schwerlich wieder. Am 4. Juni 1937 wird er in Gerichtsgefängnis (Naumburg) eingeliefert. Nicht erst jetzt beginnen die Schwierigkeiten in seinem Leben. In ärmlichen Verhältnissen wird er am 1. März 1902 in Leipzig-Kleinzschocher geboren. Als der Großvater 1905 stirbt, zieht die Familie Wolf nach Naumburg, erinnert sich Frau Margarete (Jahrgang 1913), die Schwester von Otto Wolf. (Vgl. Kaufmann 2005a)
In Naumburg übernehmen Ottos Eltern die von den Großeltern geführte Gaststätte Zur Wolfsschlucht – Moritzstraße 48 – nebst einem dazugehörigen kleinen Lebensmittelgeschäft. In die Gaststube, zu der noch ein Vereinszimmer gehört, gelangt man durch den Laden. Aus dem Vereinszimmer führt eine Tür in den Flur, von dem man zum Hof kommt. Hier befindet sich das Pissoir, in dem ihr Vater zu Tode stürzte, erzählt Margarete. Ein Versicherungsgeld gibt es nicht, weil die ärztliche Diagnose einen Herzschlag erkannte. Nach dem Tod der Großmutter muss das Haus verkauft werden und die Familie aus der zur Gaststätte gehörenden Wohnung in eine kleinere Wohnung im Haus umziehen. Zwölf Mietparteien teilen sich im Haus Moritzstraße 48 drei Plumpsklos ohne Wasserspülung. Zur Wohnung gehört neben der Küche, die als einziger Raum beheizbar ist, noch ein Raum in Richtung Garten und ein kleines Schlafzimmer. Unter dem Küchenfenster befindet sich die Aschengrube, die ebenfalls von allen Mietern genutzt wird. Wasser holt man sich auf dem Hof. In den zwanziger Jahren erfolgte die Elektrifizierung. 1919 wird die „Wolfsschlucht“ von Marta Wolf, der Witwe, betrieben. Doch bereits 1921 findet man sie nicht mehr im Branchenverzeichnis. (Nach Kaufmann 2005a und 2005b) Otto Wolf ist elf Jahre alt, als der Vater stirbt beziehungsweise verunglückt. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage der Familie muss er nach Absolvierung der Grundschule als Hilfsarbeiter zum Lebensunterhalt seiner Familie (Mutter und jüngere Schwester) beitragen. Deshalb kann er keinen Beruf erlernen und erlebt so sehr früh die strukturelle Gewalt der Ökonomie. 1917 stellt ihn eine Baufirma in Leuna als Hilfsarbeiter ein. Im Jahr darauf tritt er der Freien Sozialistischen Jugend bei. Im Leuna-Werk beteiligt er sich 1921 aktiv an den militärischen Kämpfen. Wegen Teilnahme am bewaffneten Haufen stellt man ihn vor das Landgericht Wittenberg. Das Urteil fällt in der Sitzung vom 13. Mai 1921: ein Jahr Gefängnis. Sein Rechtsanwalt Alfred Weyler aus Merseburg besteht in seinem Gnadengesuch vom 1. November 1921 darauf:
Am 13. März 1922 wird der GefangeneMoritzstraße 48 Naumburg, Gasse des Handwerks und Gewerbes, entlassen (Vgl. Kaufmann 2005b, Wolf 1921). Ein Leuna-Kämpfer hat es schwer eine bezahlte Arbeit zu finden. Überdies erhält er wegen Diebstahl noch eine weitere Vorstrafe (vgl. Wolf 3.6.1937). Im Übrigen ist Langzeitarbeitslosigkeit für die Naumburger in den zwanziger Jahren nichts Besonderes. Von kurzen Episoden unterbrochen, hält diese bei Otto Wolf bis 1934 an. 1927 heiratet er Marta, geborene Thiersch. Ein Jahr darauf wird Sohn Peter geboren. 1930 pachtet er im Spechsart 100, heute Auenblick 18, für jährlich 480 Reichsmark 3 Morgen Acker. Hier wohnt jetzt die Familie. Ich „beschäftige mich hauptsächlich mit Obst- und Gemüsebau, sowie Viehzucht“, teilt er im Verhör am 3. Juni 1937 der Naumburger Ortspolizeibehörde mit. Dies hilft, die schwere Zeit mit geringem Einkommen zu überstehen. Seine Frau betreibt ab 1936 eine Wandergewerbe mit Hausschuhen.
Er ist aktives Mitglied im Verein Die Naturfreunde, die sich zum demokratischen Sozialismus bekennen. Außerdem engagiert sich Otto im Verein der Gemeinschaft der proletarischen Freidenker (GpF). Damit weiß er sich in einer Tradition, die 1905 mit der Gründung der Freidenker für Feuerbestattung beginnt, woraus sich 1908 der Zentralverband Deutscher Freidenker formiert und ab 1922 als Gemeinschaft proletarischer Freidenker agiert. Die Freidenker möchten eine konsequente Trennung von Staat und Kirche, die Förderung der naturwissenschaftlichen Bildung, weltanschauliche Toleranz und die Befreiung von repressiv-religiösen Glaubensbekenntnissen – immer eng verbunden mit dem Suchen und Streben nach einem aktiven, sinnerfüllten Leben. Otto Wolf leitet ab Mitte der 20er Jahre die GpF. Ihr Versammlungsort ist der Goldene Hahn, das zugleich Stammlokal der KPD ist. Bereits 1929 ruft die KPD zur Gründung eines Verbandes proletarischer Freidenker Deutschlands auf, der bereits im Mai 1932 verboten wird.
In seiner Hamburger Rede vom 8. August 1930 gibt Ernst Thälmann unter der Losung „Wir stürmen für Sowjetdeutschland!“ die Orientierung: „Wir dringen in alle proletarischen Massenorganisationen ein, in die Freidenkerorganisationen, in die Sportbewegung, in die Massen der am meisten ausgebeuteten Jungarbeiter, ja, wir dringen sogar in die Reichswehr ein – wie das rote Banner des Kreuzers „Emden“ bewies -, um die Kräfte der revolutionären Klassenfront zu verstärken.“ Aber – daraus lässt sich nicht die Position von Otto Wolf extrahieren. Als Vorsitzender der Ortsgruppe der GpF sucht er die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Linken Gruppen in der Stadt, nutzt dabei vielfältige Formen der Geselligkeit und alternativen Lebenskultur. Für ihn sind die Freidenker keine Unterabteilung der KPD, wie Der sozialistische Freidenker 1927 im Heft Nummer eins ausführt (siehe oben).
Von 1918 bis 1919 gehört er der Freien Jugend an. Etwa ab 1921 bis zu ihrem Verbot leitet der Arbeiter die FAUD-Ortsgruppe (Naumburg). „In den ersten Jahren“, teilt er bei der Vernehmung im Jun 1937 mit, „zählte unsere Ortsgruppe etwa 40 Mitlgieder. Zuletzt gehörten wir nur noch 3 Mann der Ortsgruppe an.“
Die FAUD (Freie Arbeiter-Union Deutschland) gründetesich am 15. September 1919 aus der Freien Vereinigung Deutscher Gewerkschaften (FVDG). Um 1925 zählt die Organisation etwa 200 000 Mitglieder. Ein Zentrum befindet sich im Ruhrgebiet. Viele ehemalige Kämpfer der „Roten Ruhrarmee“ gehören ihr an. Auf Initiative der FAUD schließen sich Weihnachten 1922 verschiedene anarchosyndikalistische Gruppen aus Europa und Amerika in Berlin in der Internationalen Arbeiter-Assoziation (IAA) zusammen; grundsätzlich anders im Führungsstil und in der Organisation als die Rote Gewerkschaftsinternationale (RGI). Die Anarchosyndikalisten engagieren sich in der Frauenbewegung, erstreben deren Emanzipation und gehen dabei unkonventionelle Wege oder initiieren alternative Wohnprojekte.
Ausserdem arbeitet er bei der Arbeiterbörse für Mitteldeutschland zwischen den Orten Bitterfeld, Eilenburg, Oschatz, Döbeln, Frankenberg, Chemnitz, Aue, Plauen, Saalfeld, Jena, Naumburg, Merseburg und Halle mit (vgl. Syndikalist, Nr. 23/1923). Otto Wolf gehörte nicht der KPD an. Ihm fiel es schwer, die stalinistisch imprägnierten Führungsmethoden der KPD zu akzeptieren. Seine linke politische Grundhaltung macht ihn zur Hassfigur der Naumburger Nationalsozialisten. Darüber berichtet seine Frau Martha:
Blick in Richtung des ehemaligen
So etwas kam öfters vor und war darum nichts Besonderes. Als er an die Tür ging, wurde gleich auf ihn geschossen. Zum Glück wurde er nicht getroffen. Aber die Geschoßeinschläge blieben noch Jahre im Türrahmen, bis zum Abbruch des Hauses. Wir benachrichtigten die Polizei, die ein Protokoll aufnahm. Dann hörten wir lange nichts darüber. Schließlich erhielten wir nach vielen Wochen den Bescheid, die Ermittlungen seien eingestellt. Die vorhandenen Spuren waren nicht untersucht worden. Es war offensichtlich, das niemand an der Aufklärung dieses Falles interessiert war. – Hätten die Nazis den Täter doch in ihren eigenen Reihen gefunden.“ (Wolf 1982)
Nach der Machtübergabe an Hitler 1933 fanden im Haus von Otto Wolf immer wieder Hausdurchsuchungen statt. Er wird oft zu Vernehmungen vorgeladen. Sein Haus Spechsart 100 (1940 Auenblick 18), das längst nicht mehr steht, lässt sich schlecht unbemerkt überwachen. Seine Lage war gut für illegale Treffen und den Umschlag von Literatur geeignet. Der Regierungspräsident von Merseburg entzieht ihm beziehungsweise seiner Ehefrau am 6. November 1936, also etwa ein halbes Jahr vor seiner Verhaftung, die Gewerbeberechtigung zum Handel mit Hausschuhen.Seine Schwester arbeitet im Kaufhaus Cohn als Verkäuferin. Otto findet hier 1934 als Heizer eine Anstellung. Schon weit vor seiner Verhaftung sucht die Polizei hier im Heizungskeller vergeblich nach illegalem Material.
Aber mit Beginn des spanischen Bürgerkrieges, schreibt Hartmut Mehringer in seinem Beitrag zum „Arnarcho-Syndikalisten“ (1994), „intensivierte die Gestapo ihre Fahndungs- und Verfolgungsmaßnahmen gegen die FAUD beträchtlich, da sie politische Attentate mit entsprechender Signalwirkung fürchtete. Im Frühjahr 1937 gelang es ihr, die Organisation der FAUD definitiv aufzurollen und auszuschalten. Allein in Westdeutschland wurden 100 Aktivisten verhaftet, in Leipzig etwa 40, in Berlin rund zwei Dutzend.“ Am 2. Juni 1937 wird Otto Wolf verhaftet. Die Vernehmung im Rathaus Naumburg erfolgt unter Anwendung von körperlicher Gewalt (Folter). Zwei Tage später kommt er in das Polizeigefängnis am Jacobsring. Den Haftbefehl stellt das Amtsgericht Naumburg am 4. Juni 1937 aus. Darüber wird Oberbürgermeister Friedrich Uebelhoer auf vertraulichem Weg infomiert. Vom 12. bis 13. November 1937 tagt in Halle das 5. Kammergericht Berlin unter Leitung von Ministerialdirektor Jäger (Berlin) mit den Beisitzern Kammergerichtsrat Reeck, Kammergerichtsrat Dr. Taeniges, Dr. Stäckel und Amtsgerichtsrat Hübener. Die Staatsanwaltschaft stützt sich im Metka-Prozess auf den Bericht der Staatspolizei Leipzig vom 26. Mai 1937. Wolf und die anderen sind des
angeklagt, „mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt die Verfassung des Reiches“ ändern zu wollen. Sie möchten die Betriebe in die Hände der Arbeiter, den Boden in die Hände der Landarbeiter und Gärtner geben, also eine Enteignung der Besitzer. „Deshalb kämpft mit uns gegen Hitler, für ein freies sozialistisches Rätedeutschland“, war das Motto der Widerstandsgruppe laut Metka-Anklageschrift. Die Staatsanwaltschaft stützt sich bei ihrer Beweisführung auf anarchistische Schriften, die Wolf von Ferdinand Götze übernahm. Es handelt sich dabei um die Zeitschriften „Sozialistische Revolution“,
Mit der ersten Zeitschrift ist die „Die soziale Revolution“ gemeint, die Ferdinand Götze (1907-1985) herausgab. Der Modelltischler übernimmt im September 1933 die Leitung der FAUD und vernetzt alle lokalen Initiativen. In dieser Mission besucht er mehrmals die Familie Otto Wolf im Spechsart. „Der Tischler Ferdinand Götze aus Leipzig“, gibt Otto Wolf bei seiner Vernehmung im Juni 1937 in Naumburg zu Protokoll, „ist mir von der früheren Bewegung her, in welcher er führender Funktionär war, persönlich bekannt. Er ist vor der Machtübernahme verschiedentlich in Naumburg in KPD- und SPD-Versammlungen als Diskussionsredner aufgetreten. Ostern 1933 kam mich Götze in meiner Wohnung besuchen. Er hat sämtliches Material von der Bewegung, das noch in meinem Besitz war, mitgenommen. …. Etwa zu Pfingsten 1933 kam Götze wieder zu mir. Er gab mir zu verstehen, dass er beauftragt sei, die Organisation der FAUD weiter zu führen …. Er forderte mich schliesslich auf, meine früheren Gesinnungsgenossen weiter zu kassieren, um die illegale Zeitung herauszugeben. Ich habe mich damit einverstanden erklärt …. Nach einigen Monaten wurde ich wieder von Götze aufgesucht. Dies kann im Juli oder August 1933 gewesen sein. Bei dieser Gelegenheit zeigte er mit eine verbotene Schrift, und zwar war es ein Fotoabzug in der Größe von einer Postkarte. Der Inhalt der Schrift behandelte die Inhaftierung u. Ermordung von Erich Mühsam in Oranienburg.“ (Wolf 3.6.1936)
Ende 1934 flieht Götze über die Tschechei, Italien, Frankreich und Spanien. 1936 nehmen viele Anarchisten als Mitglied der 1934 gebildeten DAS (Deutsche Anarchosyndikalisten im Ausland) am Spanischen Bürgerkrieg auf Seiten derConfederación Nacional del Trabajo (CNT) und der Federación Anarquista Ibérica(FAI) teil. Die sowjetische Geheimpolizei verfolgt ihn. Er flieht nach Norwegen (1938) und findet schließlich in Schweden seine neue Heimat, wo er 1985 stirbt.
Ferdinand Götze ist der Sohn von Anna Götze (1875-1958). Beide, sowie auch Ferdinands Schwester Irma und ihr Freund Karl Brauner (1914-1994) engagieren sich in der FAUD. Ebenso Ferdinands Frau, Elly Büchner. In Götzes Leipziger Wohnung Siegesmundstraße 6 führen sie avantgardistische Gespräche über Liebe, Sexualität und Faschismus. – Es ist meines Erachtens eine realistische Annahme, dass Otto Wolf auch bei den Götzes in Leipzig war. Auch vonMax Römer wissen wir um diese enge Verbindung. In der Vernehmung im Juni 1937 gibt Otto Wolf an, den Schriftsetzer Paul Bauer, wohnhaft Leipzig, Marienstrasse 24, seit 1920 zu kennen, der ebenfalls bis 1933 in der FAUD sehr aktiv war. Freundschaftliche Verbindungen bestanden seit 1930 zum Arbeiter und FAUD-Mitglied Herbert Schäfer in Riesa-Gröba. Kontakt hielte er zu Richard Thiede aus Leipzig. „Im Laufe einer Aktion der Gestapo gegen die illegale FAUD im Bezirk Leipzig die zur Festnahme des Provinzialen Börsenkassierers Richard Thiede führte,“ heisst es in der Anklageschrift (verfasst von Oberstaatsanwalt Potjan, Generalstaatsanwaltschaft beim Kammergericht Berlin) am 31. Juli 1937: „wurden Verbindungen der Reichsleitung nach Naumburg, Bitterfeld und Holzweißig festgestellt. Die Verbindungen waren von dem ins Ausland geflüchteten Reichsleiter der illegalen Organisation Ferdinand Götze geknüpft. Ziel war frühere Mitglieder organisatorisch zusammenzuschließen. Die FAUD wollte in indirekten Aktionendie gesamte staatliche und gesellschaftliche Ordnung beseitigen.“ Mit der in der Anklageschrift gegen Wolf genannten Zeitschrift „Deutschtum im Ausland“ ist sehr wahrscheinlich „Deutschtum im Ausland. Blätter zur Pflege deutscher Art“ gemeint. Dies ist ein Tarnname für die vier Ausgaben 1934/35 der in Barcelona, Amsterdam, Paris und Stockholm erscheinende
Sie wird von der IAA herausgegeben. In der zweiten Ausgabe vom Oktober / November 1934 erhält der Leser folgende Hinweise zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus:
Nicht weniger schwer wiegen bei der Verhandlung in Halle vor dem 5. Senat des Kammergerichts Berlin, die Aussagen früherer Weggefährten – Otto Schumann, Rudolf Nagel, Hermann Hesse und Voß aus Mertendorf sowie Franke aus Teuchern – zu dessen politischen Aktivitäten. Die Zeugen waren dabei, als sich Otto Wolf und Ferdinand Götze auf dem Grundstück im Spechsart 100 beziehungsweise Auenblick 18 – in den Jahren 1933 und 1934, etwa vierteljährlich trafen. Doktor jur. Gustav Hahn (Naumburg, Herrenstraße 5) teilt seinen Mandanten am 12. Oktober 1937 mit, dass er am Donnerstag in die Sprechstunde kommen soll, um „die vier ungünstigen Zeugenaussagen (zu) besprechen.“ Ungünstig? Es sind ehemalige Gleichgesinnte, die hier gegen Wolf aussagen. Das ist Verrat! Gegen die Angeklagten ergehen am 13. November 1937 folgende Urteile:
Für fünf Jahre aberkennt das Gericht Metka, Wolf und Ebert die bürgerlichen Ehrenrechte. In Naturalform bezahlt er 1937 seinen Strafverteidiger Dr. Gustav Hahn aus Naumburg.
Als Häftling im „Roten Ochsen“ (Halle) arbeitet Otto Wolf zeitweise in derGefangenen-Außenarbeitsstelle Saaledurchstich Trebitz bei Wettin. Hier dürfenihn seine Frau Martha und ihre Mutter am 28. August 1938 besuchen. Im Sommer des folgenden Jahres meldet er sich wieder. Auf einer Postkarte vom 27. Juli schreibt er an seine Frau in Naumburg:
Am 6. Dezember 1940 wird er aus dem Zuchthaus Halle („Roter Ochse“) nach Naumburg entlassen.
Als ehemaliger politischer Strafgefangener unterliegt er der ständigen Aufsicht durch die Ortspolizeibehörde. Bereits vor seiner Entlassung, am 4. November 1940, erhält der Naumburger Oberbürgermeister durch die Geheime Staatspolizei, Staatspolizeistelle Halle Instruktionen zur weiteren Überwachung von Otto Wolf. Dazu gehört nicht nur die Kontrolle seiner Meldepflicht. Es erfolgt eine umfassende Überwachung. Die Stapo fordert: “Die überwachte Person darf von der Überwachung – außerhalb der Überwachung – keine Kenntnis erhalten.“ Weiterhin soll verhindert werden,
Der Oberbürgermeister und der in Naumburg bei den Gegnern des Nationalsozialismus berüchtigten Krimanalsekretär Scholz melden am 4. Februar 1941 an die Stapo in Halle:
Bei der „Holzverarbeitungsfabrik“ könnte es sich vielleicht um die Werkstatt von Muck-Lamberty handeln …? Die Geheime Staatspolizei, Staatspolizeistelle Halle, weist am 25. August 1941 den Oberbürgermeister Naumburg an, Otto Wolf weiter zu überwachen. Am 23. Mai 1942 wird die Meldepflicht für den Anarchisten aufgehoben. Aus dieser Zeit berichtet sein Sohn Peter (geboren 1928):
Vom 15. Januar 1943 datiert sein „Bereitstellungsbefehl“. Zusammen mit anderen Naumburger Antifaschisten zieht man ihn in die berüchtigte Strafdivision 999 nach Heuberg bei Sigmaringen (Württemberg) ein. Seiner Frau erzählt er, daß Angehörige der Strafeinheit, oft wegen geringfügiger Übertretungen der Vorschriften und Anweisungen, standrechtlich erschossen wurden.
erinnert sich Martha Wolf,
Er sagte zu mir:
Mit Datum vom 19. Januar 1944 erhält Martha per Brief von Kompaniechef Müller folgende Nachricht:
Otto Wolf prägten die Kämpfe in Leuna, die Weltwirtschaftskrise und seineErfahrungen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Der Werkmann trat für eine
Otto Wolf (1902-1943)
Seine große Liebe war Martha. Immer standen sie füreinander ein. Beide waren fest mit ihrer Heimat, der Stadt Naumburg und ihrem Häuschen mit Garten im Auenblick verbunden. Wie schwer muss es wohl gewesen sein, als Martha erfuhr, dass ihr Otto aus dem Kriegseinsatz n i e w i e d e r in den Auenblick zurückkehren wird? Ihr blieben liebevolle Zeilen, die er an sie nach der Überführung vom hiesigen Gefängnis in den Roten Ochsen (Halle) am 9. November 1937 schrieb:
Anmerkung: Im Dezember 2014 mussten an Hand von Archivmaterialen einige Daten korrigiert und bestimmte Textabschnitte mit Fakten ergänzt werden.
Anklageschrift von Oberstaatsanwalt Potjan gegen Alfred Metka und andere. Bundesarchiv Berlin NJ 13 128 Berner, Rudolf: Die Unsichtbare Front. Bericht über die illegale Arbeit in Deutschland (1937). Libertad Verlag Potsdam 1997 Bibliothek, Stiftung Gedenkstätten Sachsen, Gedenkstätte ROTER OCHSE Halle (Saale), Am Kirchtor 20 b, 06108 Halle – 30. Juli 2008 Brief von Rechtsanwalt Dr. jur. Gustav Hahn, Herrenstraße 5, Naumburg (Saale), den 12. Oktober 1937 an Herrn Otto Wolf, Naumburg, Roonplatz 5 [Strafgefängnis Naumburg], unveröffentlicht Brief von Otto Wolf an [seine Frau] Martha Wolf in Naumburg/Saale, Spechsart 100 vom 9. November 1937, unveröffentlicht Brief von Rechtsanwalt Dr. jur. Gustav Hahn, Herrenstraße 5, Naumburg (Saale), den 19. November 1937 an Herrn Martha Wolf, Naumburg, Spechsart 100, unveröffentlicht Brief des Gefangenen=Außenarbeitsstelle, Saale Durchstich Trebitz, an Martha Wolf in Naumburg/Saale, Spechsart 100, vom 24. August 1938, unveröffentlicht Brief von Kompanie-Chef Müller (Dienststelle Fp. Nr. 56 926 B.) an Frau Wolf vom 19. Januar 1944. Amtlich beglaubigte Abschrift vom 17.2.1975, unveröffentlicht Geheime Staatspolizei, Staatspolizeistelle Halle (Saale), Halle, den 4. November 1939, an den Herrn Oberbürgermeister der Stadt Naumburg als Ortspolizeibehörde in Naumburg, Betrifft: Strafhäftling Otto Wolf, unveröffentlicht [Gerichtsgefängnis] Wolf, Otto [Mitteilung über die Einlieferung in das Gerichtsgefängnis]. Naumburg, 5. Juli 1937. Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, DY 55 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, DY 55/V 287/488 Entlassungsschein. Der Arbeiter Otto Wolf …. Zuchthaus Halle, Halle, den 6. Dezember 1940, unveröffentlicht Generalstaatsanwalt bei dem Kammergericht, Berlin, dem 9. Dezember 1940 Elßholzstraße 40, an den Herrn Oberbürgermeister der Stadt Naumburg als Ortspolizeibehörde in Naumburg, in der Strafsache gegen Metka [Otto Wolf], unveröffentlicht Geheime Staatspolizei, Staatspolizeistelle Halle (Saale), Halle, den 4. November 1940, an den Herrn Oberbürgermeister der Stadt Naumburg als Ortspolizeibehörde in Naumburg, Betrifft: Nachüberwachung des – der Otto Wolf, unveröffentlicht Geheime Staatspolizei, Staatspolizeistelle Halle (Saale), Halle, den 23. Mai 1941, an den Herrn Oberbürgermeister der Stadt Naumburg als Ortspolizeibehörde in Naumburg, Betrifft: Nachüberwachung des – der Otto Wolf, unveröffentlicht Jäger, Rudolf [Aussage zur Tätigkeit in der FAUD (Freie Arbeiter-Union)]. Bundesarchiv Berlin, Bestandssignatur: DY 55 / Archivnummer. V 287/488 Kaufmann, Eberhard: Topfstricker in der Wolfsschlucht. Die Naumburger Moritzstraße. „Naumburger Tageblatt“, Burgenland-Journal, Naumburg, den 25. Juni 2005 [a], Seite VII Kaufmann, Eberhard: Gasse des Handwerks und Gewerbe. Naumburger Moritzstraße erlebte Blütezeit im frühen 20. Jahrhundert – Verfall in der Nachkriegszeit – Heute stehen viele Gebäude leer. In: „Naumburger Tageblatt“, Burgenland-Journal, Naumburg, den 25. Juni 2005 [b], Seite VII Kurzbiografie über Otto Wolf. Herkunft unbekannt, Jahr 1960 (nur grobe Schätzung möglich), unveröffentlicht Mehringer, Helmut: Anarcho-Sydikalisten. In: Lexikon des deutschen Widerstandes, Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 1994, Seite 161 ff. Staatsanwalt Bischoff gegen Alfred Metka (geboren 9. April 1898) und andere. Bundesarchiv Berlin NJ 13 128 Thälmann, Ernst: Wir stürmen für Sowjetdeutschland! Rede in Hamburg 8. August 1930. Ernst Thälmann Reden und Aufsätze. Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Band 2, Auswahl aus den Jahren November 1928 bis September 1930, Dietz Verlag Berlin 1956, Seite 151 ff. Vernehmungsprotokoll Otto Wolf der Ortspolizeibehörde Naumburg vom 2. Juni 1937. Bundesarchiv Berlin, Finckensteinallee 63, DY 55/V 287/488, Archivnummer: V 287/488 Vertrauliche Information über die Verhaftung von Otto Wolf, 5. Juni 1937. Bundesarchiv Berlin, Finckensteinallee 63, DY 55/V 287/488 Vfg. [ [Verfügung] 1. Schreiben an die Staatspolizeistelle Halle (Saale), Nmb., den 4. Februar 1941, D.Obgm. als OPBeh. [Der Oberbürgermeister als Ortpolizeibehörde] i.V. [Unterschrift], unveröffentlicht [Wolf, Otto] Zur Person. Aus Vernehmungsprotokoll Otto Wolf der Ortspolizeibehörde Naumburg vom 2. Juni 1937. Bundesarchiv Berlin, Finckensteinallee 63, Bestandssignatur DY 55, Archivnummer: V 287/488 Wolf, Otto. Postkarte an [seine Frau] Martha Wolf in Naumburg/Saale, Spechsart 100, vom 28. Juli 1937 [Poststempel], unveröffentlicht Wolf,Otto. An [seine Frau] Martha Wolf in Naumburg/Saale, Spechsart 100, vom 9. November 1937 [Poststempel], unveröffentlicht Wolf, Otto: Ein Märzkämpfer des Jahres 1921 in Leuna. Ein Dokument der Kommission zur Erforschung der Betriebsgeschichte bei der Kreisleitung der SED des VEB Leuna-Werke „Walter Ulbricht“, 1982, unveröffentlicht [Wolf, Otto] Zur Person. Aus Vernehmungsprotokoll Otto Wolf der Ortspolizeibehörde Naumburg vom 2. Juni 1937. Bundesarchiv Berlin, Finckensteinallee 63, DY 55/V 287/488 Wolf, Otto: Urteil der Sitzung des Landgerichts Wittenberg vom 13. Mai 1921. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg, Wittenberger Strafprozessakten des Staatsanwalts beim Landgericht Wittenberg, Rep. C 133 Wolf, Otto Karl August: Zur Person [Vernehmungsprotokoll]. 3. Juli 1937. Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, DY 55 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, DY 55/V 287/488 Wolf, Otto [zu]. In: Dokumentation, Bundesarchiv Berlin, NJ 13 128 Zitzmann, Friedrich (Hünstetten-Wallbach): Meine Kindheit in der Moritzstraße. Internetseite des Stadtmuseums Naumburg, www.museumnaumburg.de, Januar 2006
Weiterführende Literatur Berner, Rudolf : Die Unsichtbare Front. Bericht über die illegale Arbeit in Deutschland (1937). Libertad Verlag Potsdam, 1997 Döhring, Helge: Generalstreik: Abwehrstreik…Proteststreik…Massenstreik? Streiktheorien und -diskussionen innerhalb der deutschen Sozialdemokratie vor 1914. Grundlagen zum Generalstreik mit Ausblick, Edition Av, 2010 Helge Döhring, Roman Danyluk: FAU – Die ersten 30 Jahre (Broschiert), Edition Av, 2008 Die großen Streiks: Episoden aus dem Klassenkampf (Broschiert) von Helge Döhring (Autor), Holger Marcks (Herausgeber), Matthias Seiffert (Herausgeber) Danksagung * Bild mit Ferdinand Götze (1907-1985) aus: Rudolf Berner: Die Unsichtbare Front. Bericht über die illegale Arbeit in Deutschland (1937). Libertad Verlag Potsdam, 1997. Postfach 800 162, D-14427 Potsdam. Im Buchhandel unter ISBN-Nr.: 3-922226-23-X. – siehe auch: http://www.libertad-verlag.de/libertad_507.htm ** Ich danke herzlich Herrn Wilfried Hoog (Köln) von radio chiflado für die Überlassung des Radio-Beitrags zu Anna Götze – 6. Oktober 2008. Herzlich Dank an Helge Döhring (Bremen) für die Quellenhinweise und die inhaltliche Unterstützung zumJahr 1923. – 2. August 2009
Nachtrag 19. Februar 2012 Zur Würdigung von Otto Wolf (Naumburg) siehe auch: Mit Vorlage dieser Website über Otto Wolf (Naumburg an der Saale) publizierte Helge Döhring (Bremen) eine weitere biografische Arbeit: Helge Döring: Kein Befehlen, kein Gehorchen! Die Geschichte der syndikalistisch-anarchistischen Jugend in Deutschland seit 1918. Apropos Verlag, Bern 2011, Seite 218 bis 222 |
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| Autor: Detlef Belau |
Geschrieben: April 2005. Aktualisiert: 20. Februar 2012 / 27. Dezember 2014 |
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Erich Dürre (*1900)
- Otto Bethke (* 1888– † 1970), Kraftfahrer, aus Oberschöneweide,
Siemensstraße 21 - Johann Gegodowski (* 1884–† 1976), Arbeiter, aus Oberschöneweide,
Deulstraße 8 - Hans Franz Spaltenstein (*1907), aus Oberschöneweide,
An der Wuhlheide 214
Das Kammergericht verurteilte Hans Spaltenstein zu zwei Jahren Zuchthaus. Johann Gegodowski erhielt ein Jahr und vier Monate und Otto Bethke ein Jahr und drei Monate Gefängnis.
Bei zwei weiteren Verhafteten, Anna Clamann geb. Schöneberg, und dem Arbeiter Erich Dürre (*1900), beide aus Niederschöneweide, wurde vermutlich keine Anklage vor dem Kammergericht erhoben.
aus der Anklageschrift vom Oktober 1937
Quelle: www.gdw-berlin.de
Anna Clamann geb. Schöneberg
- Otto Bethke (* 1888– † 1970), Kraftfahrer, aus Oberschöneweide,
Siemensstraße 21 - Johann Gegodowski (* 1884–† 1976), Arbeiter, aus Oberschöneweide,
Deulstraße 8 - Hans Franz Spaltenstein (*1907), aus Oberschöneweide,
An der Wuhlheide 214
Das Kammergericht verurteilte Hans Spaltenstein zu zwei Jahren Zuchthaus. Johann Gegodowski erhielt ein Jahr und vier Monate und Otto Bethke ein Jahr und drei Monate Gefängnis.
Bei zwei weiteren Verhafteten, Anna Clamann geb. Schöneberg, und dem Arbeiter Erich Dürre (*1900), beide aus Niederschöneweide, wurde vermutlich keine Anklage vor dem Kammergericht erhoben.
aus der Anklageschrift vom Oktober 1937
Quelle: www.gdw-berlin.de
Johann Gegodowski (* 1884–† 1976),
- Otto Bethke (* 1888– † 1970), Kraftfahrer, aus Oberschöneweide,
Siemensstraße 21 - Johann Gegodowski (* 1884–† 1976), Arbeiter, aus Oberschöneweide,
Deulstraße 8 - Hans Franz Spaltenstein (*1907), aus Oberschöneweide,
An der Wuhlheide 214
Das Kammergericht verurteilte Hans Spaltenstein zu zwei Jahren Zuchthaus. Johann Gegodowski erhielt ein Jahr und vier Monate und Otto Bethke ein Jahr und drei Monate Gefängnis.
Bei zwei weiteren Verhafteten, Anna Clamann geb. Schöneberg, und dem Arbeiter Erich Dürre (*1900), beide aus Niederschöneweide, wurde vermutlich keine Anklage vor dem Kammergericht erhoben.
aus der Anklageschrift vom Oktober 1937
Quelle: www.gdw-berlin.de
Otto Bethke (* 1888– † 1970)
- Otto Bethke (* 1888– † 1970), Kraftfahrer, aus Oberschöneweide,
Siemensstraße 21 - Johann Gegodowski (* 1884–† 1976), Arbeiter, aus Oberschöneweide,
Deulstraße 8 - Hans Franz Spaltenstein (*1907), aus Oberschöneweide,
An der Wuhlheide 214
Das Kammergericht verurteilte Hans Spaltenstein zu zwei Jahren Zuchthaus. Johann Gegodowski erhielt ein Jahr und vier Monate und Otto Bethke ein Jahr und drei Monate Gefängnis.
Bei zwei weiteren Verhafteten, Anna Clamann geb. Schöneberg, und dem Arbeiter Erich Dürre (*1900), beide aus Niederschöneweide, wurde vermutlich keine Anklage vor dem Kammergericht erhoben.
aus der Anklageschrift vom Oktober 1937
Quelle: www.gdw-berlin.de
Willi Boretti (* 1906 – † 1969)

Willi Boretti (1906–1969),
aus Adlershof, Gemeinschaftsstraße 30
Der Schriftsetzer und spätere technische Zeichner Willi Boretti war von 1921 bis 1923 in der kommunistischen Jugend in Baumschulenweg organisiert, bevor er sich den Anarchisten anschloss. 1926 wurde er Mitglied der FAUD, Ortsverein Adlershof. 1928 war er Leiter der Hauptstelle der Anarchistischen Jugend und in den Folgejahren Teilnehmer an Konferenzen der Berliner „Provinzial-Arbeiterbörse“. Nachdem die Adlershofer Gruppe aus der Syndikalistischen Bewegung ausgetreten war (s.o.), verließ Boretti wenig später den Ortsverein. Im August 1936 erhielt Willi Boretti Besuch von einem schwedischen Staatsangehörigen und früheren Jungsozialisten namens Rudolf Berner, einer Ferienbekanntschaft von 1928/29. Berner gab vor, auf dem Weg in die Tschechoslowakei und Österreich zu sein. Im März 1937 tauchte Berner, vermutlich aus dem vom Bürgerkrieg umkämpften Spanien kommend, wieder in Berlin auf und versuchte mit Hilfe von Boretti, Kontakte zu alten Mitgliedern der anarchistischen Föderation zu knüpfen. Eines der Ziele war dabei laut Borettis Sohn Giordano, anarchistische Gesinnungsgenossen aus Skandinavien durch das Deutsche Reich nach Spanien zu schleusen. Bereits am 3. Mai 1937 wurde Willi Boretti von der Gestapo verhaftet. Wegen „Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens unter erschwerenden Umständen“ verurteilte das Berliner Kammergericht am 9. Februar 1938 Rudolf Ludwig zu drei Jahren und Friedrich Dettmer zu zwei sowie Willi Boretti zu einem Jahr und sechs Monaten Zuchthaus. Willi Boretti galt nach seiner Haft als „wehrunwürdig“ und war während des Krieges als Betriebsingenieur bei Mannesmann in Adlershof tätig. Er hatte freundschaftlichen Kontakt zu Fremdarbeitern und hielt auch während des Krieges Verbindung zu anarchistischen Gesinnungsgenossen. Ein Treffpunkt war eine Buchhandlung in Berlin-Lichtenberg in der Nähe des S-Bahnhofes Ostkreuz. Gegen Ende des Krieges wurde er zur „Organisation Todt“ zwangsverpflichtet. Im Rahmen der so genannten Ardennenoffensive eingesetzt, geriet er schließlich für einige Monate in amerikanische Kriegsgefangenschaft. (Nach dem Krieg trat er 1946 zwar der SED bei, wurde aber bereits Anfang der 50er Jahre politisch kaltgestellt und schließlich aus der Partei ausgeschlossen. Er musste daraufhin auch einen beruflichen Abstieg erleben und verstarb im Jahre 1969.)
Willi Boretti erinnert sich 1945:
„Die Arbeiterbewegung hatte aus der Spaltung der 1. Internationale (der sozialdemokratischen Parteien im Ersten Weltkrieg, d. Verf.) nicht gelernt. Da alle sog. Arbeiterorganisationen im Geist der Rechthaberei und Unduldsamkeit durchdrungen waren, schloss ich mich keiner Partei an, sondern sah meine Aufgabe in der Versöhnung und Problemlösung. Meinen Fähigkeiten entsprechend hielt ich Vorträge bei allen Parteien, Gruppen und Gewerkschaften, die sozialistischen Zielen zustrebten. Ich übersetzte aus fremden Sprachen, besuchte Kongresse im In- und Ausland. Als Mitglied verschiedener Hilfsorganisationen setzte ich meine kleinen materiellen Mittel ein, um auch auf diesem Gebiet die
Völkergemeinschaft praktisch zu demonstrieren. 1933 zeigte sich dann, dass alle Arbeit infolge der Starrköpfigkeit der beiden großen marxistischen Arbeiterparteien umsonst (gewesen) war. Wir hatten uns umsonst in Thüringen mit den Nazis 1923 herumgeschlagen, hatten in allen Jahren vergeblich versucht, den Bauern auf unsere Seite zu ziehen in Mecklenburg. Ich wurde im Sommer 1933 eines
der ersten Opfer des Faschismus in meinem Ort, verraten durch einen Genossen der KPD, der mit wehenden Fahnen ins andere Lager hinüberschwenkte. Nach 4 Monaten ließ man mich wieder frei.
Nun kam die Zeit der geistigen Vorbereitung auf die Zeit nach der Naziherrschaft; denn dass diese eines Tages fallen müsste, war für ich nur logisch.“
aus der Anklageschrift vom Oktober 1937
Quelle: www.gdw-berlin.de
Rudolf Ludwig (*1897 – † 1975)
Rudolf Ludwig (1897–1975),
aus Baumschulenweg, Baumschulenstraße 27
Der Bauarbeiter Rudolf Ludwig war bis 1933 Mitglied der Metallarbeiter-Föderation der FAUD. Im Laufe des Jahres 1934 wurde er von Erich Frese für die illegale Arbeit gewonnen. Ludwig erhielt von Frese in der Folgezeit größere Mengen Tarnschriften zur Verteilung an Gesinnungsfreunde; u.a. an Hans Franz Spaltenstein, Heinze, Georg Winger und Erich Dürre. Weiter sammelte er Beiträge zur Unterstützung verhafteter Mitglieder der FAUD ein.
Friedrich Dettmer (*1898)
Friedrich Dettmer (*1898),
aus Köpenick, Friedenstraße 4 bei Scholz
Der Mechanikergeselle Friedrich Dettmer trat der FAUD bereits 1923 bei und war der Berliner
Föderation der Metallarbeiter zugeteilt, bei der er zeitweilig die Funktion eines Schriftführers
innehatte. Im Frühjahr 1933 übernahm er die Kasse der Ortsgruppe Oberschöneweide, die
er Ende Oktober an Erich Frese übergab. Er nahm an illegalen Zusammenkünften der FAUD
teil, unterstützte in Haft geratene Gesinnungsgenossen mit nicht unerheblichen Geldbeträgen
und verteilte illegale Schriften, die er über Erich Frese erhielt.
aus der Anklageschrift vom Oktober 1937
Quelle: www.gdw-berlin.de
Erich Frese (geb. 1903 – † 1983)
Erich Frese, aus Oberschöneweide, Fuststraße 2

Der Arbeiter Erich Frese war langjähriges Mitglied im FAUD und verwaltete ab Oktober 1933 die Kasse der Ortsgruppe Oberschöneweide. Frese spielte eine wichtige Mittlerrolle zwischen der Berliner Ebene und den Basisgruppen. Über ihn lief beispielsweise die Verteilung der politischen Tarnschriften. Erich Frese wurde im Hauptprozess vor dem Kammergericht gegen „Schwalba und andere“ zu 3 Jahren und sechs Monaten Zuchthaus verurteilt.
aus der Anklageschrift vom Oktober 1937
Quelle: www.gdw-berlin.de
Kündigung – Teil II: Kündigungsarten und Abmahnung
„Der kann mir doch nicht einfach kündigen!“ Diesen Satz hört man immer wieder, oft mit einiger Empörung. Darauf muss geantwortet werden: Doch, er kann, und er muss es dir nicht einmal begründen. Die Frage ist lediglich, ob die Kündigung rechtswirksam ist. Ob sie das ist, stellt letztendlich das Arbeitsgericht fest.
Im ersten Schritt geht es deshalb darum, festzustellen, wie gekündigt wurde. Ein Blick in das Kündigungsschreiben mag ergeben, dass es sich um eine ordentliche Kündigung handelt, da die gesetzlichen Kündigungsfristen eingehalten wurden. Diese sind im § 622 BGB geregelt. Eine ordentliche, also fristgerechte Kündigung wird in der Regel im Zusammenhang mit allen Kündigungsformen (siehe §§§-Dschungel, DA Nr. 198) ausgesprochen.
Ein Sonderfall liegt bei befristeten Arbeitsverträgen vor. Ist in diesem die ordentliche Kündigung nicht definitiv geregelt, ist eine fristgerechte Kündigung nicht möglich. Das Arbeitsverhältnis endet dann erst am Ende des festgelegten Befristungszeitraums.
Außerordentliche Kündigung
Bei der außerordentlichen bzw. fristlosen Kündigung sieht das etwas anders aus. Hier muss der Arbeitgeber einen „wichtigen Grund“ nennen, der die Weiterbeschäftigung bis zum Ende der gesetzlichen Kündigungsfristen „unzumutbar“ macht. In der Regel ist die fristlose Kündigung eine verhaltensbedingte Kündigung. Gesetzlich geregelt ist dies im § 626 Abs. 1 BGB.
Gelegentlich wird zusätzlich noch ordentlich gekündigt. Falls die fristlose Kündigung vor dem Arbeitsgericht keinen Bestand hat, bleibt dann immer noch die Gefahr, fristgerecht gekündigt worden zu sein.
„Wie kann der mir fristlos kündigen, ich habe ja noch gar keine Abmahnung erhalten“, mag manch eine/r sich denken. Aber auch hierbei verhält es sich anders, als man erstmal glaubt: Ob eine Abmahnung erforderlich war, auch das entscheidet letztendlich das Gericht (siehe auch dazu§§§-Dschungel, DA Nr. 198).
Fristlose Kündigungsgründe können sein: Vermögensdelikte, eigenmächtiger Urlaubsantritt, vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit (Ankündigungen wie: „Wenn ich keinen Urlaub bekomme, mache ich halt krank“, sind da gefährlich), Unpünktlichkeiten, etc.
Natürlich könnt auch ihr fristlos kündigen, z.B. wenn der Arbeitgeber mit der geschuldeten Lohnzahlung in Verzug ist.
Änderungskündigung
Eine besondere Art der Kündigung ist die sogenannte Änderungskündigung. Sie beinhaltet zwar eine Kündigung, aber eben auch ein neues Arbeitsangebot zu geänderten Bedingungen. Gesetzlich geregelt ist sie im § 2 KSchG. Sie ist das „mildere“ Mittel und findet oft im Zusammenhang mit einer ansonsten betriebsbedingten Kündigung Verwendung. Sie ist sozial nur gerechtfertigt, wenn der angebotene Arbeitsvertrag im konkreten Zusammenhang mit den betrieblichen Änderungen steht. Wirksam werden diese Änderungen erst nach dem Ende der gesetzlichen Kündigungsfristen.
„Aber der kann mir doch nicht einfach ohne Änderungskündigung einen anderen Arbeitsvertrag vorlegen!“ Doch, auch das kann er. Die Frage ist, ob man unterschreibt. Und oft werden solche schlechteren Arbeitsverträge auch ohne eine Änderungskündigung unterschrieben. Dann können auch kein Anwalt und kein Gericht mehr etwas tun.
Resümee an dieser Stelle
Viele Menschen denken sich: Kündigung ist Kündigung. Doch es lohnt sich, genauer hinzuschauen und zu prüfen, um welche Form und Art einer Kündigung es sich handelt. Je nachdem müsst ihr bzw. muss eure Anwältin auf diese Kündigung reagieren.
Abmahnung
Die Abmahnung ist in keinem Gesetz geregelt. Sie hat sich aus der Rechtsprechung (Richterrecht) des Bundesarbeitsgerichts (BAG) entwickelt. Bei verhaltensbedingten Kündigungen ist sie fast immer (aber eben nicht immer) notwendige Voraussetzung. Sie kann sich auf die Arbeitsleistung, aber auch auf das Verhalten im Betrieb beziehen.
„Die anderen haben das doch auch immer so gemacht. Wieso bekomme ich jetzt eine Abmahnung? Das geht doch nicht!“ Doch, auch das geht. Denn eine Gleichbehandlung im Unrecht gibt es im Arbeitsrecht nicht. Wenn auch andere sich „falsch“ verhalten haben, schützt das nicht davor, gezielt herausgegriffen und auch gekündigt zu werden.
Trotzdem muss man so etwas nicht einfach hinnehmen. Manchmal lohnt sich eine Klage gegen eine ungerechtfertigte Abmahnung. Dies kann gerade deshalb sinnvoll sein, da es keine Fristen gibt, nach denen sie verfällt, bzw. festgelegte Zeiten, nach denen sie aus der Personalakte entfernt werden muss. Auch kann man eine Gegendarstellung schreiben und verlangen, dass diese in der Personalakte hinterlegt wird.
Und Vorsicht! Arbeitsrechtliche Abmahnungen sind nicht formbedürftig. Sie können demzufolge auch mündlich ausgesprochen werden. Es muss nur klar erkennbar sein, dass man mit einer Kündigung zu rechnen hat.
In der nächsten Ausgabe werden wir uns mit der Schrifterfordernis, dem Kündigungszugang und den Fristen beschäftigen.
Kündigung – Teil I: Kündigungsformen und Abfindung
„Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist.“
Daraus ergeben sich sprachgebräuchlich folgende Kündigungsformen: nämlich die personen-, verhaltens- und betriebsbedingten Kündigungen.
- Eine personenbedingte Kündigung liegt beispielsweise vor, wenn sie krankheitsbedingt ist oder wenn z.B. eine Busfahrerin ihren Führerschein, etwa wegen eines privaten Verkehrsdeliktes, abgeben muss. Aber auch mangelnde Kenntnisse und unzureichende Fähigkeiten im Job können eine personenbedingte Kündigung nach sich ziehen.
- Eine verhaltensbedingte Kündigung liegt vor, wenn arbeitsvertragliche Pflichten verletzt wurden. Die Klassiker sind häufiges Zuspätkommen oder die Bagatellkündigungen.
- Eine betriebsbedingte Kündigung liegt etwa bei Rationalisierungsmaßnahmen, Einstellung oder Einschränkung der Produktion, Auftragsmangel und Umsatzrückgang vor.
Wichtig für uns
Bei der krankheitsbedingten Kündigung gehört es zu den größten Fehlern, zu glauben, dass sie nicht während einer Krankheit ausgesprochen werden dürfe. Ebenso falsch ist die Annahme, der Chef müssen jemandem einen anderen Job im Unternehmen suchen, wenn dieser vom Arzt ein Attest bekommt, er dürfe nur bestimmte Arbeiten (wie z.B. Heben) nicht mehr verrichten. Wenn er einen hat, liegt die Sache anders.
Bei der verhaltensbedingten Kündigung muss zwar grundsätzlich vorher eine Abmahnung ausgesprochen worden sein. „Grundsätzlich“ heißt aber, das es eine Reihe von Ausnahmen gibt, zum Beispiel bei Diebstahl.
Bei der betriebsbedingten Kündigung ist trotz Vorliegens dringender betrieblicher Gründe eine Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl der ArbeitnehmerInnen die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die ggf. vorhandene Schwerbehinderung des/der Betroffenen nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat (§ 1 Abs. 3 KSchG).
Diese Auswahl muss nur zwischen ArbeitnehmerInnen mit vergleichbaren Arbeitsplätzen durchgeführt werden. Hinzu kommt noch, dass gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG in die soziale Auswahl die ArbeitnehmerInnen nicht unbedingt einzubeziehen sind, deren Weiterbeschäftigung im berechtigten betrieblichen Interesse liegt.
Resümee an dieser Stelle
Alles in allem wird hier schon klar, dass es sich nicht um ein wirkliches Kündigungsschutzgesetz handelt. Daher spricht man eher von einem Abfindungsgesetz. Allerdings sollte man sich auch hier nicht täuschen. Ein Recht auf Abfindung besteht nur sehr begrenzt.
Abfindung
§1a KSchG – Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung:
Kündigt der Arbeitgeber wegen dringender betrieblicher Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 Satz 1 und erhebt der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 keine Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, hat der Arbeitnehmer mit dem Ablauf der Kündigungsfrist Anspruch auf eine Abfindung.
Aber auch hier ist die Höhe nicht so gigantisch wie vermutet: ein halbes Monatsgehalt pro Jahr der Betriebszugehörigkeit. Nach Abzug der Steuer und den Sozialversicherungsbeiträgen bleibt da nicht so viel.
§ 9 KSchG –Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Urteil des Gerichts, Abfindung des Arbeitnehmers:
Stellt das Gericht fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen.
Dies gilt aber auch umgekehrt für den Arbeitgeber. Als Abfindung ist dann ein Betrag bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen. Man muss somit erst einmal den Prozess gewinnen, ansonsten gibt es nichts. Oft versuchen Arbeitgeber, Beschäftigte mit einem Aufhebungsvertrag zu ködern, um sich den Gerichtsärger zu ersparen. Hier ist äußerste Vorsicht geboten, denn der Ärger mit der Agentur für Arbeit ist vorprogrammiert (Stichwort Sperrfristen).
In der nächsten Ausgabe beschäftige ich mich an dieser Stelle mit den verschiedenen Kündigungsarten (ordentlich, fristlose und Änderungskündigung).
Werner Höme (* 1907 – † Juni 1937)
14. Februar 1907 – 11. Juni 1937
Der Graveur Werner Höme war Mitglied der sozialdemokratischen Jugendorganisation und anschließend der Anarchistischen Tatgemeinschaft. Dies war eine in Dresden ansässige Jugendgruppe, die ihre eigene Zeitung Revolutionäre Tat herausgab. Drei Ausgaben dieses Papiers erschienen. Die Gruppe hatte 14 Mitglieder beiderlei Geschlechts und ein weiteres Mitglied war Herbert Wehner, später führender Kommunist und dann Sozialdemokrat.
Höme trat dann 1926 der FAUD bei. Ab 1931 war er Vorsitzender der Dresdner Syndikalistischen Arbeiter-Föderation und Herausgeber der Zeitung „Der Arbeitslose“. Höme organisierte zusammen mit Herbert Hilse und Oskar Kohl den Dresdner FAUD-Untergrund. 1933 initiierte er mehrere Regionaltreffen und koordinierte das Netzwerk. Die Dresdner Gruppe produzierte eine Ausgabe einer Untergrundzeitung, die Mai-Zeitung.
Ab Mai 1933 befand sich Höme längere Zeit in Haft. Nach seiner Entlassung aus dem KZ Hohnstein im Februar 1934 veranlasste er die Witwe von Erich, Kreszentia Mühsam, aus Deutschland auszuwandern. Mit Herbert Hilse, Käthe Jünger und Ernst Schmidt gelang es ihm, den Nachlass von Erich Mühsam in Prag in Sicherheit zu bringen. Im Juni 1937 erneut verhaftet, wurde Werner Höme im selben Monat ermordet, während er sich in Untersuchungshaft befand.
Adaptiert von Nick Heath aus
http://www.gdw-berlin.de/bio/ausgabe_mit.php?id=245
Mit zusätzlichen Informationen unter www.nrw.vvn-bda.de/texte/0263_anarchist.htm
Helmut Klose (* 04. August – † 1987)

Er war Schneider von Beruf. Im Alter von achtzehn Jahren ging er auf die Straße und nahm Jobs im Bergbau und im Straßenbau an. Er trat der anarchosyndikalistischen Freien Arbeiter-Union Deutschlands (FAUD) bei.
Ab 1925 begann er Kurzgeschichten zu schreiben, die in verschiedenen sozialdemokratischen Zeitungen erschienen. Er setzte sein Leben als Hobo fort und unternahm lange Reisen nach Norwegen und Jugoslawien. 1927 gründete Gregor Gog (1891-1945), der „Vagabundkönig“, eine Vagabundbruderschaft, der sich Helmut anschloss. Gog schrieb für libertäre Zeitschriften wie Anarchist, Der Syndikalist und Besinnung und Aufbruch. Er und seine Frau Anni Geiger-Gog standen der FAUD nahe und befürworteten die Arbeit mit ihrer Organisation. 1929 fand vom 21. bis 23. Mai in Stuttgart eine internationale Vagabundenkonferenz statt, an der Helmut Klose teilnahm. Im selben Jahr spielte er in dem von Fritz Weiss inszenierten Film Vagabund mit Gog als Berater. Es wurde am 11. Dezember dieses Jahres in Wien uraufgeführt.
1930 verließ er die Straße und arbeitete als freier Schriftsteller in Berlin.
Mit dem Aufstieg der Nazis zur Macht fühlte sich Helmut bedroht. Tausende von Vagabunden wurden von Polizei, SA und SS in ganz Deutschland zusammengetrieben und die FAUD selbst unterdrückt. Er verließ Deutschland nach Österreich und ging dann nach Jugoslawien, wo er als Reiseleiter in Sarajevo arbeitete.
Er wurde im Februar 1937 aus Jugoslawien ausgewiesen, weil er spanische anarchistische Literatur besaß. Er zog nach Spanien, wo er von März bis Juni 1937 Mitglied des Aufsichtsgremiums des Sébastian Faure Century war, das nach dem französischen Anarchisten benannt war (aber nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Gruppe, die hauptsächlich aus französischen Freiwilligen bestand). in der Durruti-Säule), auch bekannt als das Bataillon der Küste an der Grenze zwischen Frankreich und Spanien in Port Bou. Dies war eine Milizengruppe, die der CNT-FAI antwortete und sich aus den deutschen Anarchisten Albert Kille, Herbert und Helmut Aul, Fritz Köhn, Heinz Petry, Philippe Urban und Richard Winkler zusammensetzte. Helmut schloss sich den Deutschen Anarchosyndikalisten (DAS) der in Katalonien tätigen deutschen Anarchistengruppe an.
Er nahm auch an der Arbeit des Landwirtschaftskollektivs von San Andres teil. Als er am 2. Juli 1937 von den Stalinisten festgenommen wurde, weil er republikanische Offiziere an der Grenze entwaffnet hatte, half er bei der Organisation eines Schneiderkollektivs. Bis Dezember 1938 war er in verschiedenen Gefängnissen – dem Modelo, dem Gefängnisschiff Argentina und dem Segorbe-Gefängnis in Valencia. Während seiner Haft auf der Argentinien bombardierten franzö- sische Flugzeuge den Hafen in Barcelona, wo er festgemacht hatte. Er schaffte es, mehrere Briefe herauszu- schmuggeln, in denen er die Zustände in den Gefängnissen anprangerte, die in der libertären Presse veröffentlicht wurden.
Nach seiner Freilassung wurde er bis Kriegsende einem Strafbataillon zugeteilt. Er wurde völlig aus gesundheitlichen Gründen freigelassen. Er war der letzte deutsche Anarchist, der befreit wurde. Mit der Retirada und der Flucht vieler über die Grenze nach Frankreich wurde Helmut im Lager Gurs interniert. Hier nahm er an dem von Anarchisten eingesetzten Komitee teil, um der stalinistischen Kontrolle der Mehrheit der Gefangenen entgegenzuwirken.
Im September 1939 durfte er sich unter Vermittlung des britischen Künstlers Hedda Carrington in Cambridge niederlassen. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, wurde er als deutscher Staatsbürger auf der Isle of Man und dann bis Ende 1941 in Kanada interniert. Im Internierungslager freundete er sich mit dem deutschen Zoologen Hans Werner Lissmann an. Er scheint danach auf einer Farm in Cambridgeshire gearbeitet zu haben und eine Landfrau, Rita, geheiratet zu haben. Sie hatten 1944 ihren ersten Sohn, Radovan Robert Garcia Klose, der drei weitere Söhne bekam. Wegen der verarmten Verhältnisse lebte der Kloses im harten Winter 1947 in einem Glockenzelt auf der Raines Fruit Farm in Madingley. Danach bekam er eine Anstellung als Assistent im Labor des Lissmann Institute in Cambridge, das auf Tierverhalten spezialisiert war.
In den Jahren 1947-1948 führte Klose einen Briefwechsel mit George Orwell, während er im Cranham-Sanatorium war. Er schickte ihm Äpfel von der Farm und besuchte ihn später im Sanatorium. Orwell stellte einem anarchistischen Freund von Klose, der versuchte, ein Verlagshaus in Düsseldorf aufzubauen, eine Liste wichtiger Bücher in englischer Sprache zur Verfügung.
Helmuts Sohn, bekannt als Rado oder Bob, besuchte die gleiche Schule wie Syd Barrett und Roger Waters, die Mitglieder von Pink Floyd werden sollten. Dave Gilmour, ein weiteres Mitglied von Pink Floyd, erinnerte sich: „Mein Vater hat mit Helmut Klose zusammengearbeitet und Rado war ein Freund von Geburt an. Helmut war nach dem Krieg als Assistent an den Downing Street Laboratories beschäftigt und half meinem Vater, der eine leitete Forschungslabor dort sowie Vorträge in Zoologie. Ich kann mich erinnern, mit der ganzen Familie Klose auf der Terrasse unseres Hauses in Cambridge zu Mittag gegessen zu haben, die wir mit sieben Jahren verlassen haben, d. H. 1953. Rados richtiger Name ist Radovan – wir haben ihn immer Rado genannt. Er hat mir in jungen Jahren ein gutes Stück Gitarre beigebracht. Er war ein bisschen gut. Mein Bruder Peter lebte ein Jahr lang bei den Kloses, als mein Vater 1961 in den USA ein Sabbatjahr verbrachte, und in ihrem Haus war ein kleines, sehr rustikales Häuschen in Haslingfield mein / unser zweites Zuhause “(aus A Very Irregular Head von Rob Chapman) ).
Helmut Klose starb 1987 in Haslingfield.
Nick Heath
Quellen:
Eintrag auf Klose unter: http://militants-anarchistes.info/spip.php?article2932
Und
http://anarcoefemerides.balearweb.net/page/12






„Es war bereits dunkel, als mein Mann eines Abends gerufen wurde. – Komm mal raus, Otto.





gerechte Verteilung der Lebenschancen, für Solidarität und politische Mitbestimmung ein. Ein Mann mit aufrechtem Charakter und ein lauterer Mensch.