DA: Kampf gegen Sinaltrainal geht weiter – GewerkschafterInnen (nicht nur) bei Coca-Cola fürchten um ihr Leben.

Kampf gegen Sinaltrainal geht weiter – GewerkschafterInnen (nicht nur) bei Coca-Cola fürchten um ihr Leben.

Als Reaktion auf die Wiederaufnahme der internationalen Coca-Cola-Kampagne durch die kolumbianische Lebensmittelgewerkschaft Sinaltrainal gibt es derzeit eine Welle von Todesdrohungen und Gewalt gegen die Gewerkschafter und deren Familienangehörige.
Im September wurde Andrés Damian Flores Rodríguez, der 16-jährige Sohn von José Domingo Flores, dem Leiter des Regionalbüros von Sinaltrainal (Sindicato Nacional de Trabajadores de la Industria de Alimentos) in Santander, von maskierten Bewaffneten entführt. Andrés wurde verprügelt und ihm wurde eine Nachricht für seinen Vater mit auf den Weg gegeben: „Sag’ deinem Vater, dass wir keine Ruhe geben werden, bis wir euch alle zerstört haben“.

Im Dezember fand Domingo Flores, Coca-Cola-Arbeiter und Funktionär von Sinaltrainal, in der Garage seines Hauses in Bucaramanga eine Morddrohung. Er hatte tags zuvor zusammen mit Luis Edoardo García Flugblätter an seine KollegInnen verteilt, in denen an die Ermordung des Coca-Cola-Arbeiters Isidro Gil am 5.12.1997 erinnert wurde. Später stellten sie bei einer Erinnerungsveranstaltung eine Galerie sowohl für die während des Streiks der Firma United Fruit Company (heute Chiquita Brands) im Jahre 1928 umgebrachten Arbeiter aus als auch Bilder der bei Coca Cola oder Nestlé arbeitenden Mitglieder von Sinaltrainal, die bis heute ermordet worden sind. Außerdem fand man im Büro von Sinaltrainal in Bucaramanga einen Briefumschlag, der Morddrohungen gegen Luis Edoardo García und Javier Correa, den Präsidenten von Sinaltrainal, enthielt. In dem Schreiben wird angekündigt, dass man beide noch im Dezember umbringen werde. Diese letzte Drohung trifft nur einen Tag nach der Ermordung von José de Jesús Martín Vargas ein, der Mitglied von Sinaltrainal war und für Nestlé(1) arbeitete. Diese neuen Ereignisse reihen sich ein in eine lange Liste von Morden und Angriffen gegen diese Gewerkschaft.

Hintergrund

1992 versammelte José Gabriel Castro(2), der damalige Geschäftsführer der Coca-Cola-Company in Bucaramanga, die ArbeiterInnen und verkündete, dass jede gewerkschaftliche Betätigung als ein „Akt des Terrorismus“ angesehen werde. Seit diesem Tag wurden und werden die ArbeiterInnen, GewerkschaftsfunktionärInnen und AktivistInnen konstant von den Paramilitärs verfolgt. Die Zahlen sprechen für sich: Seit 1991 sind 2.245 Morde, 3.400 Todesdrohungen und 138 gewaltsam verschleppte und „verschwundene“ GewerkschafterInnen dokumentiert. Im Kontext des seit 40 Jahren andauernden bewaffneten „Krieges niedriger Intensität“ in Kolumbien werden GewerkschafterInnen von den sogenannten „Sicherheitskräften“ und deren paramilitärischen Verbündeten immer wieder beschuldigt, „subversiv“ zu sein. Dieser Vorwurf taucht verstärkt auf kurz vor, während und direkt nach Arbeitskämpfen. Er ist für die so Bezeichneten eine unverhohlene Warnung. Reicht die nicht aus, um die betroffenen Militanten zum Schweigen zu bringen, greifen „Sicherheitskräfte“ und Paramilitärs auch zu drastischeren „Mitteln“, inklusive Mord.

Billig, aber nicht billig genug

Eduardo García: „Coca Cola, führend in Sachen Repression und ArbeiterInnenunterdrückung, ist das Konzernmodell der Globalisierung und beispielhaft für Hyperausbeutung“. 10.000 ArbeiterInnen hat Coca Cola im Verlauf der letzten zwölf Jahre aus ihren 20 Abfüllbetrieben in Kolumbien entlassen und sie dann mit befristeten Verträgen wieder eingestellt, die zu zwölf oder 14 Stunden Arbeit täglich das gesamte Jahr über verpflichten. Gesundheitliche Absicherung oder die Zusicherung einer Weiterbeschäftigung sind in diesen Verträgen jedoch nicht enthalten. Die ArbeiterInnen müssen Coca Cola die Betriebsuniform und bestimmte Sicherheitselemente abkaufen. 86% aller Coca-Cola-Beschäftigten arbeiten über Zwischenfirmen und nur 14% haben einen direkten Vertrag mit Coca Cola; von diesen letzteren sind 8% Gewerkschaftsmitglieder der Sinaltrainal.

Die SINALTRAINAL…

…der organisierten Cola-ArbeiterInnen wurde 1982 gegründet. Ihre Wurzeln aber greifen mehr als 50 Jahren zurück; seit Nestlé nach Kolumbien kam und die erste Basisgewerkschaft sich formierte. Die Sinaltrainal vereinigt ArbeiterInnen von Coca Cola, Nestlé, und der Corn Products Corporation sowie von einigen kleineren Unternehmen. „Diese ganze kriegerische, gewalttätige und auch juristische Aggression, so Luis Eduardo García, hat uns zu einer kleinen Gewerkschaft werden lassen. Von anfänglich 5.300 Mitgliedern sind 2.000 übrig geblieben. Aber auch wenn sie uns verfolgen und wir wenige sind, wir werden die Verteidigung des Lebens, der Arbeit und unserer Klassenprinzipien nicht aufgeben“.

„Weil ich das Leben liebe, konsumiere ich keine Coca-Cola“.

Die Internationale Kampagne gegen Coca Cola geht weiter. Im Frühling 2008 wird der Internationale Sprecher von Sinaltrainal, Edgar Paez, im Rahmen der Kampagne Europa besuchen. Bis dahin ergeht der dringende, weltweite Aufruf an alle Organisationen und Personen, den kolumbianischen Staat und Coca Cola dazu aufzufordern, das Leben und die Unversehrtheit aller Mitglieder von SINALTRAINAL und deren Familien zu schützen, den Morddrohungen nachzugehen und die materiellen und geistigen Verantwortlichen zu finden, und das Versammlungsrecht und die freie gewerkschaftliche Arbeit zu garantieren.

K.S. (das ist Rudolf Mühland)

(1) Am 22. November 2007 wurde der Nestlé-Arbeiter José de Jesús Martín Vargas von Unbekannten ermordet. Er war seit 1977 Mitglied der kolumbianischen Lebensmittelgewerkschaft Sinaltrainal. So sehr die diversen Konzerne auf dem Weltmarkt Konkurrenten sind, so sehr herrscht eine unausgesprochene Einigkeit im Kampf gegen die ArbeiterInnen.

(2) nicht verwandt mit Fidel Castro, dem Maximó Líder auf Kuba

aus der Marginalspalte:

Die Gewerkschaft bittet um Protestschreiben an:

Presidencia de la República

Dr. Álvaro Uribe Vélez

Cra. 8 No..7-26, Palacio de Nariño, Santa fe de Bogotá,

Fax: (+57 1) 566.20.71

E-mail: auribe@presidencia.gov.co

Presidente de Coca-Cola

mail@na.cokecce.com

www.cokespotlight.org/flash/indexflash.html

www.cokewatch.org

Presidente Coca Cola FEMSA en Colombia

JUAN CARLOS JARAMILLO

Carrera 94 No. 42-94, Fontibón Bogotá, D. C.

Fax: (571) 4011687

E-mail: jarbelaez@panamco.com.co, cocacola@hotmail.com

DA: Streik bei Ford – Russland: Inflation von 50% und mehr treibt Arbeiterschaft in den Streik

Streik bei Ford – Russland: Inflation von 50% und mehr treibt Arbeiterschaft in den Streik

Situation in Russland

Die Streikbewegungen in Russland sind untrennbar an die horrende Inflation im Lande gekoppelt. So sind zum Beispiel die Nahrungsmittelpreise und die einiger anderer Produkte, seit Anfang 2007 um 50-70% (!) gestiegen. Wirtschaftswissenschaftler weisen darauf hin, dass dies noch nicht das Ende der Preissteigerungen sei. Sie erwarten noch während des Winters eine weitere Preissteigerung um bis zu 50%. Die Wirtschaft in Putins Russland hat ihre Basis in den Monopolen. Diese sind wiederum auf vielfältige Art und Weise untereinander, mit der Staatsmaschine und direkt mit Putin verwoben. Diese „Drei-Welt“-Ökonomie hat nur einen Zweck: Die Reichen an der Spitze einer mafiösen Pyramide aus Neureichen und Staatsfunktionären noch reicher zu machen. Unter ihnen und als Erster unter Gleichen: Putin, der ein geschätztes Privatvermögen von 40 Millarden US Dollar sein Eigen nennen soll. All diese Bosse haben keinerlei Interesse an einem „Ausgleich“ mit den Lohnabhängigen. Viele dieser Bosse und „Offiziellen“ sind frühere Kriminelle oder waren/sind im russischen Geheimdienst tätig. Sie alle wissen, dass ihre Zeit nur sehr begrenzt ist, denn sie können jederzeit ihre Macht und ihren Reichtum im permanenten politischen und ökonomischen Konkurrenzkampf verlieren. Daraus schließen sie, dass sie so schnell wie möglich so reich wie möglich werden müssen. Die Wünsche der Arbeiterschaft stören da nur und so greifen sie zu den verschiedensten Methoden gegen Streikende:

# gerichtliche Verbote

# gesetzliche Gewalt (Polizei)

# und ungesetzliche Gewalt

So wurden zum Beispiel nahezu alle Streiks der letzten Monate von den Gerichten für „illegal“ erklärt und einige GewerkschaftsaktivistInnen wurden entweder durch die Polizei, die Mafia oder nacheinander von beiden angegriffen.

Der Streik bei Ford

Die Werksleitung hatte mit Beginn des unbefristeten Streiks am 20. November(1) die Streikenden ausgesperrt. Bei dem Streik, an dem 1.700 der 2.200 ArbeiterInnen teilnahmen, handelte es sich um die größte Arbeitsniederlegung der letzten Jahre. Die Ford-ArbeiterInnen forderten die Anerkennung berufsbedingter Krankheiten sowie eine Absage an befristete Arbeitsverträge. Die Hauptforderung der Streikenden ist eine Lohnerhöhung um 30-40%, was nicht mal die Inflationsrate (in Bezug auf Nahrungspreise) ausgleicht(2). Momentan verdienen die ArbeiterInnen bei Ford ca. 500 USD im Monat. Das ist für russische Verhältnisse nicht schlecht. Zum Vergleich: In der Millionenstadt Saratov verdienen IndustriearbeiterInnen, ÄrztInnen und LehrerInnen ca. 150 USD im Monat. Wie dem auch sei, dank der horrenden Inflation sinkt die reale Kaufkraft rapide! Militante der KRAS-IAA starteten eine Kampagne, um einerseits die Idee der Anarchie unter den ArbeiterInnen bekannt zu machen und andererseits die reformistische Gewerkschaft offen zu kritisieren. Die KRAS forderte die Arbeiterschaft auf, nicht länger ergeben den Gewerkschaftsführern hinterher zu trotten, stattdessen sollten sie lieber eine Vollversammlung einberufen und dort all ihre Entscheidungen fällen. Die ArbeiterInnen erzählten uns in persönlichen Gesprächen, sie wüssten, dass ihnen die reformistische Gewerkschaft nicht helfen kann. Aber angesichts der Tatsache, dass sich eine Sondereinheit der Polizei (OMON) auf dem Gelände befindet, seien sie zu ängstlich, um zu Mitteln der Direkten Aktion, wie zum Beispiel Sabotage, zu greifen. Rund 400 ‚Scabs'(3) der russischen Ford-Filiale haben eine Erklärung unterschrieben, in der sie von dem Streik Abstand nehmen. Sie sollen während des Produktionsausfalls zwei Drittel des normalen Lohns behalten, die Streikenden gehen leer aus. Nach einer Woche Stillstand nahm das üblicherweise in drei Schichten arbeitende Werk am 28. November die Produktion im Ein-Schicht-Betrieb wieder auf. Am 11.12. gelang es dem Management, mit weiteren Streikbrechern eine zweite Schicht anzufahren.

Der Streik bei Ford wird von Automobilherstellern aufmerksam beobachtet

Im vergangenen Jahr hat der Ford-Konzern seinen Verkauf in Russland um 92 Prozent gegenüber 2005 auf knapp 116.000 Fahrzeuge gesteigert. Der Umsatz von Ford Focus betrug dabei 73.500 Stück, 85 Prozent mehr als im Jahr davor. Ein Tag Band-Stillstand kostet dem Unternehmen vier Millionen Dollar. Der Streik bei Ford wird von anderen Automobilherstellern, die Werke in Russland planen, aufmerksam beobachtet. Volkswagen und Skoda haben mit dem Bau eines 370 Millionen Dollar teuren Werks in Kaluga bei Moskau begonnen. General Motors, Toyota und Nissan planen Werke bei St. Petersburg. Wie ein Sprecher von Nissan Motor Russland gegenüber der Internetzeitung „Fontanka.ru“ erklärte, lerne man aus den Fehlern anderer Unternehmen. Arbeitssuchende mit Gewerkschaftsvergangenheit würden bei der „Formierung“ der neuen Nissan-Belegschaft aber angeblich nicht herausgefiltert.

Das vorläufige Ende

Dank der finanziellen Hilfe von ArbeiterInnen aus der ganzen Welt wurde der Streik mehr als vier Wochen lang durchgehalten. Am 13.12. hat die Werksleitung ihre Bereitschaft erklärt, auf wesentliche Forderungen der Streikenden einzugehen. Ihre einzige Bedingung dafür war, dass die Arbeit ab 17.12. wieder aufgenommen werde. Zur Vertragsschließung wird eine Kommission von Ford-Europa erwartet. Diese soll dann zusammen mit der Werksleitung und der Gewerkschaft einen Vertrag gestalten.(4 )

Nik Topark (das ist Rudolf Mühland)

(1) pünktlich mit Ablauf einer gerichtlich verhängten „Streikpause“

(2) die Inflationsrate (insgesamt) beträgt offiziell 11,5%

(3) Aus dem anglo-amerikanischen kommende Bezeichnung für Streikbrecher

(4) Bis zum Redaktionsschluss war das Ergebnis dieser „Gestaltung“ nicht in Erfahrung zu bringen

Artikelaktionen

DA: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit? – EU-Sozialkommissar Vladimir Spidla denkt laut darüber nach.

 

Wenn man dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit glauben darf, dann geht ein neues Gespenst um in Europa. Sein Name: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit.
Liest man nur die Titelzeilen entsprechender Meldungen in den Massenmedien, so ist man geneigt auf die Europäische Union und ihre diversen Institutionen zu hoffen. So zum Beispiel der DGB, der laut seinem Vorsitzenden Michael Sommer, die Initiative des EU-Sozialkommissar Vladimir Spidla zu einer einheitlichen europäischen „Lösung des Zeitarbeitsproblems“ begrüßt. Schade nur, dass es die Einzelgewerkschaften des DGB waren, welche Tarifverträge mit Zeitarbeitsverbänden abgeschlossen haben, die im Schnitt gut 30% unterhalb des jeweiligen Branchentarifs liegen. Vergessen, dass so das Gebot „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ auf Betreiben der SPD/Die Grünen (diese hatten ein entsprechendes Gesetz verabschiedet) und der DGB-Einzelgewerkschaften aktiv hintertrieben wurde. Glücklicher Weise scheinen die ArbeiterInnen an akuter Demenz zu leiden – unabhängig davon, aus welchem Land sie hierher gekommen sind und wie lange das her ist. So können die SozialdemokratInnen in den Parteien und Gewerkschaften getrost damit rechnen, dass ihnen dies von der Arbeiterschaft nicht vorgeworfen werden wird. Und selbst wenn sich Einzelne daran erinnern werden, so bleibt den Einen doch immer die Ausrede, dass sie diese Tarifverträge hätten abschließen müssen (da sonst Gelbe Gewerkschaften noch schlechtere Tarife abgeschlossen hätten(1)); und den Anderen, dass die Öffnung im Gesetz ja durch die Gewerkschaften nicht hätte in Anspruch genommen werden müssen.

Der Vorschlag des EU-Sozialkommisars

Demnach sollen LeiharbeiterInnen zukünftig nach sechs Wochen der gleiche Lohn und die gleichen Sozialleistungen zustehen wie den „Festen“. Zum einen ist diese Sechswochenfrist eine absolut willkürlich in die Runde geworfene Zahl(2), und zum anderen steht zu befürchten, dass sich dadurch nur eines für die Ausgeliehenen ändern wird: die maximale Verweildauer an einem Arbeitsplatz. Auch wenn Vladimir Spidla in der Presse so zitiert wird, als ginge es ihm tatsächlich um „das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, so ist doch nicht zu leugnen, dass es ihm nicht um die prinzipielle Abschaffung der Ungleichbehandlung geht, sondern nur um eine „sozialverträgliche“ Ausgestaltung derselben unter Beibehaltung des Mythos Leiharbeit. Gleichzeitig soll diese Initiative die nur allzu deutliche, und mittlerweile schon von verschiedener Seite festgestellte Unzufriedenheit der auf diese Art ausgebeuteten LeiharbeiterInnen begrenzen.

Der Mythos Leiharbeit…

… ist ein zweifacher: Einerseits heißt es, Leiharbeit ermögliche den Unternehmen bei Personalengpässen und Auftragsspitzen ein flexibles Management. Andererseits soll sie für ehemalige Erwerbslose ein Weg in die Festanstellung sein. Selbst Spidla spricht offen aus, was wir alle wissen: „dass Unternehmen, auch in Deutschland, die Zeitarbeit ausschließlich zur Kostendämpfung nutzen und dabei fest angestellte Mitarbeiter entlassen, um sie anschließend dauerhaft durch billigere Zeitarbeiter zu ersetzen“ [Quelle?]. So entsteht ein Sog hin zur Zeitarbeit. Der umgekehrte Weg wird immer schwieriger und existiert nur noch als medial zur Schau gestelltes Einzelschicksal. Zur Zeit arbeiten rund 600.000 Beschäftigte in Deutschland als LeiharbeiterInnen – fast doppelt so viele wie 2003! In der EU malochen bereits vier von zehn Arbeitskräften ohne regulären Vertrag [Auch ZAF schließen „reguläre Verträge ab! Alternative: unbefristeten Vertrag?]. Dazu zählen neben ZeitarbeiterInnen vor allem Selbständige. Laut einer EU-Studie aus dem Jahr 2006 sind Leiharbeitnehmer mit ihrem Arbeitsplatz deutlich unzufriedener als Festangestellte. Sie haben demnach das Gefühl, „nicht genau so gut behandelt zu werden wie die Kollegen mit einem festen Arbeitsplatz“. Sicherlich ist das nicht nur ein Gefühl. Bei LeihsklavInnen ist zum Beispiel die Zahl der Arbeitsunfälle deutlich höher als bei ihren KollegInnen mit einem sogenannten regulären Arbeitsplatz. In Deutschland gibt es nach EU-Erhebungen pro 1000 regulär Beschäftigten 37 Arbeitsunfälle, bei Beschäftigten über Zeitarbeit sind es 48. Daher auch die zusätzliche Aufforderung LeiharbeiterInnen genauso gute Weiterbildungsmöglichkeiten anzubieten wie ihren KollegInnen.

Gleicher Lohn für Gleiche Arbeit!

Trotz der Augenwischerei aus Brüssel, den Ablenkungsmanövern des DGB und der Unkenrufe des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit bleibt die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit in doppeltem Sinne richtig!

Einerseits in dem Sinne, dass wir dahin kommen müssen, dass alle ArbeiterInnen für die gleiche Arbeit tatsächlich vom ersten Tag an den gleichen Lohn bekommen: Unabhängig davon, ob sie LeihsklavInnen, ZwangsarbeiterInnen (1-Euro-Jobs) oder „regulär Beschäftigte“ sind.

Andererseits in dem Sinne, dass die Lohnschere zwischen Männern und Frauen endlich geschlossen wird. Noch immer erhalten Frauen in Europa bis zu 30% weniger Lohn für dieselbe Arbeit als Männer! Allerdings dürfen wir uns dabei nicht so sehr auf die Regierungen, seien es die Nationalen oder die Supranationalen, verlassen. Auch wenn es altbacken klingt: Die Geschichte lehrt uns, dass auch die kleinste Verbesserung nur von uns selbst erkämpft werden kann und muss.

Den regelmäßigen LeserInnen der DA muss ich an dieser Stelle keinen Vortrag über Anarchho-Syndikalismus halten. Alle anderen sind aufgefordert sich auf www.fau.org selbst zu informieren.

Rudolf Mühland (FAU Düsseldorf)

(1) Auf die Idee, gegen diese sittenwidrigen Tarife/Gewerkschaften zu klagen, sind die DGB-Einzelgewerkschaften damals nicht gekommen. Das erstaunt, da sie doch sonst immer gerne gegen andere Gewerkschaften klagen und sich richterlich bestätigen lassen, dass es sich nicht um Gewerkschaften handeln kann. Stutzig macht auch die Tatsache, dass es damals keinen Widerstand aus den Gewerkschaften gegen diese Gesetzesinitiative von Rot-Grün gab. Wenn auch die Verfilzung zwischen Parteien und Gewerkschaften nicht alles erklären kann, so sollte das doch aufhorchen lassen. Zahlreiche Spitzen-GewerkschaftsfunktionärInnen sind auch an herausragender Stelle in so mancher Partei tätig.

(2) Warum nicht zwölf Monate oder besser: direkt ab den ersten Tag!?

DA: Revolution oder Re-Evolution? – Der „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ entpuppt sich als typische Diktatur lateinamerikanischen Stils

Revolution oder Re-Evolution? – Der „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ entpuppt sich als typische Diktatur lateinamerikanischen Stils

Hugo Chavez erklärte im Rahmen seiner neuerlichen Vereidigung als Staatspräsident am 10. Januar die Wiederverstaatlichung der nationalen Telefongesellschaft sowie der Stromindustrie. Außerdem erklärte er seine Absicht, die staatliche Kontrolle über das venezolanische Öl auszuweiten. Ohne Zweifel war dies alles Ausdruck politischer Veränderungen. Diese Entwicklung betrifft nicht nur Venezuela, sondern auch lateinamerikanische Staaten. Ungeachtet der Erklärungen von Chavez, und seinesgleichen über den Beginn eines „Sozialismus im 21. Jahrhundert“, verteidigen alle diese Regierungen das staatliche und private Eigentum der Produktionsmitel und lassen in „ihren“ Staaten die traditionellen militärischen und polizeilichen Repressionsinstrumente unangetastet.

Wachstumsrate und Revolution

Im vergangenen Jahr ist der private Sektor um 10,3 Prozent gewachsen, während der öffentliche Sektor nur um die Hälfte dessen zugenommen hat. Im gleichen Zeitraum hat die verarbeitende Industrie nur minimal zugelegt, und die offizielle Arbeitslosenrate liegt bei etwa zehn Prozent. Das Hauptwachstum fand im Finanzsektor Venezuelas statt. Die Financial Times bemerkte: „Nicht nur private Banken setzen auf die Revolution.“ Viele der erlassenen Gesetze sind weniger radikal, als Regierung oder Opposition behaupten. Das Fischfang-Gesetz besagt zum Beispiel, daß die industriellen Flotten erst sechs Meilen von der Küste entfernt ihre Netze auswerfen dürfen. Das Petroleum-Gesetz sieht höhere Abgaben bei der Öl-Förderung vor und schreibt bei Joint-Venture-Unternehmungen eine staatliche Mehrheit vor. „Ein Angriff auf das Eigentum“, schimpft Pedro Carmona vom Unternehmerverband Fedecamaras über das „Ley de tierras“, die Agrarreform. Bei näherem Hinsehen entpuppt es sich als Bluff. „Unsere Landwirtschaft findet im Hafen statt“, so Eduardo Terra, fast alle Lebensmittel werden importiert und es keine Bauern- oder Landlosenbewegung. Für den Präsident der deutsch-venezolanischen Handelskammer und Direktor der Banco de Crédito, German Garcia-Velutini ist das ley de tierras „Populismus“. Das Gesetz sieht die Konfiszierung nicht genutzter Äcker und die Übergabe an Bauern vor, aber die Begünstigten erhalten keine Besitztitel. Damit sollen Verpfändung und Verkauf verhindert werden. Aber auch Kredite werden verhindert, denn  so Garcia-Velutini  „ohne Bürgschaft kein Geld“.

Öl, Globalisierung,  Antiimperialismus & Indigenas

Venezuela verkauft weiterhin 95 Prozent seines Öls auf dem Weltmarkt (80 Prozent gehen allein in die USA) und nur fünf Prozent werden zu günstigen Preisen über Projekte wie Petrocaribe oder die Verträge mit linken Kommunalverwaltungen in Mittelamerika abgegeben. Die Chávez-Regierung braucht die Globalisierung, damit sie Verträge mit den großen Ölkonzernen wie ChevronTexaco, ABB, Teikoku und Statoil, abschließen kann. Trotz seiner anti-kapitalistischen Rhetorik hat Chávez den Öl- und Gaskonzernen riesige Gebiete in Venezuela überlassen, z.B. die Platforma Deltan, große Ölfelder an der Küste von Venezuela. Es gibt zahlreiche andere Beispiele wie die Unterzeichnung von Verträgen mit Royal/Dutch Shell, um Erdgas in Marshal Sucre im Wert von $2,7 Milliarden zu fördern, oder das „American Port“-Projekt mit mehreren Großkonzernen um Kohle im Wert von $60 Millionen in Zulia herzustellen. Momentan sind US-venezolanische Geschäfte ungefähr $29 Milliarden wert, was Venezuela zum drittgrößten Handelspartner der Vereinigten Staaten in Lateinamerika macht. Trotz ihrer anti-imperialistischen Rhetorik lieferte die Chávez-Regierung den USA während des US-Angriffs auf den Irak weiterhin Öl. 2003, das Jahr des zweiten Irak-Krieges, war das staatliche Ölunternehmen, die PDVSA, der zweitgrößte Lieferant von Erdöl an die USA. Etwa 47 Millionen Barrel Öl im Wert von $333 Millionen erreichten die USA, was ungefähr 13% der gesamten Ausfuhr von Venezuela in diesem Jahr ausmachte. Chávez weiß, dass er, so lange das Öl im Land weiter fließt, die Bevölkerung mit sozialen Projekten und revolutionären Parolen beruhigen kann. Obwohl die Armen einige kurzfristige Verbesserungen in den Bereichen Gesundheit und Erziehung erlebt haben, gibt es bisher keine echten Änderungen der sozialen Strukturen des Landes, sondern nur neue Etiketten und neue Farben. Im September 2000 hat Cavez zusammen mit elf anderen südamerikanischen Regierungen die IIRSA (1) unterzeichnet. Dieses wenig bekannte, aber massive Infrastrukturprojekt wird wie der Plan Puebla Panama in Zentralamerika „Entwicklungskorridore“ einrichten. Diese „Entwicklungskorridore“ werden den Interessen der zerstörerischen Öl-, Gas- und Bergbauindustrien dienen, indem sie Autobahnen, Wasserdämme, Gas- und Ölpipelines bauen sowie dazu die Militärbasen, um so auf dem gesamten südamerikanischen Kontinent die Ausbeutung zu erleichtern. Nach dem IIRSA-Treffen in Venezuela im Juni 2003 erkläre Chavez den Zweck der IIRSA-Projekte in seiner eigenen Fernsehsendung „Alo Presidente“ (2) als „das Propagieren produktiver kommerzieller Methoden, die ein anhaltendes Wachstum garantieren sowie anhaltendes Wachstum und Nachhaltigkeit für die gesamte Region“. Chavez verkündete in dieser Sendung auch die Gründung der PetroAmerica, die wie alle anderen großen Ölprojekte in Südamerika massive Umweltzerstörung und menschliches Leid verursacht. Als am 31. März 2004 Tausende Indigenas zusammen mit StudentInnen gegen die Gasförderung und für die Anerkennung indigenen Landes demonstrierten konnten die DemonstrantInnen bedauerlicherweise Chavez nicht sprechen. Dieser war gerade durch einen Besuch des früheren Fußballspielers Maradona abgelenkt.

„Lider Maximo“ mit zweifelhaften Einstellungen

Chavez‘ Regierung nimmt immer stärker einen diktatorischen Charakter an. So hat er beispielsweise ein Ermächtigungsgesetz eingeführt mit dem er auf dem Verordnungswege regieren kann. Im Hintergrund steht dabei die enorme soziale Kluft zwischen Arm und Reich, die die venezolanische Gesellschaft nach wie vor charakterisiert. Für Kritiker, ist es schwierig, an seiner Seite zu bleiben. Er nimmt keine Ratschläge entgegen, hört nicht zu, umgibt sich mit Opportunisten, geben seine Freunde hinter vorgehaltener Hand zu. „Er ist Militär und hat einen Dickschädel“, erklären sie. Statt zu überzeugen, fordert er Gehorsam. Er läßt die zivile Gesellschaft nicht an der Macht teilhaben sondern zentralisiert Entscheidungen in seiner Hand. Kein Dialog mit den Bürgern, sondern stundenlange Monologe, übertragen vom staatlichen Fernsehen, jeden Sonntag. Das Militär hat seinen beträchtlichen Einfluss behalten und die Zahl der Militärs und Ex-Militärs, die Regierungsämter bekleiden, hat unter Chávez sogar zugenommen. Alle strategischen Posten wurden mit Militärs besetzt, Minister, Geheimdienste, Staatsbetriebe, Botschafter, Gouverneure. Momentan besteht das Chávez-Regime aus einem Zusammenschluss von KommunistInnen und anderen Linken mit konservativen Militärs, Rechten und OpportunistInnen (3) . Und die bedienen sich wie eh und je aus allen Töpfen. Dabei hatte Chávez seinem Wahlvolk eine Kampfansage an die Korruption versprochen. Chávez will nach seinen Taten, nicht nach seinen Reden beurteilt werden. Das ist sinnvoll, denn er redet viel. Trotz aller Angriffe auf „Neoliberalismus“ und „Imperialismus“ hat er keine klare Ideologie (4), zu seinen Freunden zählen nicht nur Fidel Castro sondern auch die argentinischen „Carapintadas“, jene ultrarechten Militärs, die die Amnestiegesetze mit Säbelrasseln erzwungen haben. Chavez bekräftigte auch bei mehr als einer Gelegenheit seine Freundschaft mit dem Iran oder Weißrussland. Es scheint so als handelte er frei nach der Devise der „Feind meines Feindes ist mein Freund“. Chávez hat 2006 Weißrussland besucht und mehrere Verträge mit der Regierung dort abgeschlossen. Er erklärte, Lukaschenko sei sein Freund und kein Diktator. In Weißrussland sind Verurteilungen wegen „Verleumdung des Präsidenten“ beinahe an der Tagesordnung und viele Opositionelle kommen unter ungeklärten Umständen ums Leben oder verschwinden. Während eines Besuches des Iran am 29. Juli 2006 erklärte Hugo Chavéz: „Israel verübt an den Libanesen die selben Handlungen, wie sie Hitler an den Juden verübt hat …“ (im Gespräch mit Al-Dschasira). Iran und Venezuela seien „Brüder“ und Venezuela werde „unter welchen Umständen auch immer“ stets an der Seite Teherans stehen.(5) Auch wenn die jüdische Gemeinde in Venezuela im Moment nicht akut durch Progrome bedroht ist, so erweckt Chavez doch den Eindruck Kenner und auch Anhänger antijüdischer Verwschörungstheorien zu sein. Denn seine Äußerungen zu „den Juden“ im Iran waren nicht die einzigen Ausfälle. In einer Ansprache am Heiligabend 2005 erklärte zum Beispiel: „Die Welt hat genug für alle, doch eine Minderheit, die Nachkommen derer, die Christus kreuzigten, dieselben, die Bolivar verjagten und ihn auf ihre Art in Santa Maria kreuzigten (…), haben sich die Reichtümer der Welt zueigen gemacht. Eine Minderheit hat das Gold des Planeten an sich gerissen, das Silber, die Bodenschätze, das Wasser, das schöne Land, das Öl.“

Die Circulos Bolivarianos und Autonomie

Die abnehmende Autonomie und die zunehmende Abhängigkeit der Politik von Chávez könnte bedeuten, dass, sollte Chávez aus irgendeinem Grund seines Amtes enthoben oder nicht wieder gewählt werden, die „bolivianische Revolution“, d.h. die Verbesserungen, die im Land stattgefunden haben, leicht rückgängig gemacht oder zerstört werden könnten. Von einem Menschen so abhängig zu sein, macht den sozialen und politischen Fortschritt schwach und prekär und läuft auf das Risiko hinaus, eine Diktatur entstehen zu lassen. Als Chávez an die Macht kam, betonte er die Wichtigkeit der Macht von unten. Die Gründung von zahlreichen Circulos Bolivarianos in den Barrios, bestätigte diese Aussage und wurde anfangs wegen ihres libertären Charakters von der Mehrheit der libertären Bewegung als fortschrittlich begrüßt. Es schien tatsächlich, als ob eine Revolution von unten stattfände. Aber im Laufe der Zeit mischte sich die Regierung immer öfter in die Angelegenheiten der Circulos ein und versuchte, sie in chavistische Wahlwerbungsgruppen umzuwandeln. Das Risiko besteht, dass die Gruppen wie in Kuba zu Circulos de Defensa de la Revolución (6) werden, die Castro zu Bespitzelung und Kontrolle der Bevölkerung verwendet.

Die Gewerkschaftsbewgung in Venezuela

Obwohl die anarchistische Bewegung ständig wächst und ein zunehmendes Interesse an den anarchosyndikalistischen Ideen fest zu stellen ist, gibt es wegen der fehlenden syndikalistischen Traditionen kaum Anarcho-SyndikalistInnen in Venezuela. Die Gewerkschaftsbewegung ist relativ jung. Die CTV (7) wurde erst 1958 von gegründet Die CTV wird im Stil der großen europäischen und US-Gewerkschaften hierarchisch geführt, mit geringer oder keiner Beteiligung der Arbeiterschaft. Chávez versuchte 1999 eine Alternative, die FBT (8) aufzubauen, mit der er die CTV infiltrieren und die Organisation unter seine Kontrolle bekommen wollte. Sein Versuch ist gescheitert. Folglich wurde 2001 die UNT (9) gegründet. 2002 besetzten Mitglieder der UNT neun ungenutzte Fabriken. Dieses Ereignis, dass sich erst einmal positiv anhört, kann leider nicht mit den Fabrikbesetzungen in Argentinien verglichen werden, weil die Besetzer nichts gemacht haben, ohne vorher die Regierung um Erlaubnis zu bitten, auch wenn dies bedeutete Wochen lang untätig herumzusitzen. Anstatt sich selber zu organisieren, zogen sie es vor, von der Regierung Krümel zu erbetteln.

Die Opposition….

…..besteht auf der einen Seite aus Neoliberalen, Großgrundbesitzern und Rechten und auf der anderen Seite aus SozialistInnen, KommunistInnen und AnarchistInnen, welche sich feindlich gegenüberstehen, was die politische Lage weiter verkompliziert. Die libertäre Bewegung in Venezuela hat sich über die Frage gespalten, ob sie der Chávez-Regierung ihre Unterstützung gewähren sollen oder nicht. Trotz der Tatsache, dass die Kritikpunkte der AnarchistInnen an Chávez ganz andere sind als die der rechten Opposition, werden erstere unter anderem von den sogenannten „anarcho-chavistas“ (Pro-Chávez-AnarchistInnen) beschuldigt, dass sie in die Hände der rechten Opposition spielen oder sogar die Rechten unterstützen würden. Die „anarcho-chavistas“ behaupten, dass die AnarchistInnen10 keine wahren AnarchistInnen seien, weil sie gegen eine „revolutionäre“ Regierung agieren würden. Nach der Meinung der „anarcho-chavistas“ ist die Chávez-Regierung das geringere Übel und das es nicht der richtige Zeitpunkt sei, die Chávez-Regierung zu kritisieren. Sie haben Angst davor, mit den Reaktionären in einen Topf geworfen zu werden, da Chávez alle, die seine Regierung kritisieren, regelmäßig als Konterrevolutionäre bezeichnet. Die Position der AnarchistInnen wurde in El Libertario (Nr. 44) auf den Punkt gebracht: „Wir setzen auf soziale Bewegungen, die die Dynamik für unabhängige Aktion und Organisation aufbauen und die auf der breitesten Teilnahme auf allen Ebenen basieren, was den Aufbau verschiedener Arten direkter Aktionen und Selbstverwaltung ermöglichen wird, jenseits staatlicher Kontrolle oder anderer Instanzen der Unterdrückung. Dies ist die einzige Art und Weise, Freiräume, Gleichheit und Solidarität zu verbinden, aus denen die Zukunft hervorgehen wird, für die wir kämpfen. Unsere Position kann zusammengefaßt werden mit den Worten von John Holloway: „Die Welt verändern, ohne die Macht zu übernehmen“.

Die Zukunft

Obwohl die Entwicklung einer unabhängigen sozialen Bewegung durch das Sich-Verlassen auf die Chávez Regierung nicht gerade gefördert wird, wächst eine solche doch langsam heran, besonders in den Bereichen Feminismus, Indigenenrechte und Umweltschutz, drei Bereiche, die von der Regierung vernachlässigt werden. Die linke Opposition wächst, da immer mehr Linke enttäuscht werden durch die Oberflächlichkeit und durch die Richtung, die die „Bolivarianische Revolution“ anscheinend genommen hat. Das Interesse am Anarcho-Syndikalismus als Alternative wächst, ob es in naher Zukunft zu großen Entwicklungen kommen wird darf bezweifelt werden. Vielmehr steht zu Befürchten das uns die Veränderungen in Venezuela immer mehr an den Wirtschaftsnationalismus und militärischen Populismus eines Juan Peron in Argentinien erinner werden.

AutorInnen: Catkawin (FdAIFA) & Nik Toparkdas ist Rudolf Mühland

siehe auch: el libertario (Venezuela)

1 Integration der Regionalen Südamerikanischen Infrastruktur
2 Folge 155
3 Ein Phänomen das nur als „Chavismus“ bezeichnet werden kann
4 Außer der Ideologie aller paternalistischer Revolutions“führer“, die an der Macht bleiben zu wollen.
5 Siehe auch das Kapitel: Öl, Globalisierung & Antiimperialismus in deisem Artikel
6 Kreisen zur Verteidigung der Revolution
7 Confederación de Trabajadores de Venezuela – Konföderation von Venezolanischen ArbeiterInnen
8 Fuerzas Bolivarianas de Trabajadores – Bolivianische Kräfte der ArbeiterInnen
9 Union National de Trabajadores – Nationale ArbeiterInnen Union

Vorwort zur Erstausgabe Frank Fernandez: Anarchismus auf Kuba, Oktober 2006 im Verlag Syndikat A, ISBN: 3-9810846-3-2 (bis 31.12.2006) 978-3-9810846-3-4 (ab 01.01.2007)

Frank Fernandez: Anarchismus auf Kuba

Vorwort zur Erstausgabe, Oktober 2006 im Verlag Syndikat A, ISBN: 3-9810846-3-2 (bis 31.12.2006) 978-3-9810846-3-4 (ab 01.01.2007)

„Eine revolutionäre Regierung kann nicht revolutionär sein, solange sie eine Regierung ist“

>Solidaridad Gastronomica< am 15.Februar 1959

„Partria o Muerte“

(„Vaterland oder Tod“

Schriftzug um das Konterfei Che’s auf der 3 Pesos Münze

Wer kennt hier zu Lande schon die Geschichte des kubanischen Anarchismus?

Gab es auf Kuba überhaupt AnarchistInnen? Haben diese in der Entwicklung Kubas irgendeine Rolle gespielt? War es nicht die Bewegung M26J und die Kommunistische Partei, die ein Ende mit der Diktatur Batistas gemacht hat? Gehörten Fidel Castro und Konsorten nicht zu den fortschrittlichsten Elementen, die diese Zeit und diese Gegend zu bieten hatte? Hatte die neue Junta nicht selbst den weltberühmten Anarcho-Syndikalisten Augustin Souchy eingeladen nach Kuba zu kommen und einen Bericht zu schreiben?

Diese und noch einige andere Fragen werden in diesem Buch beleutet und die deutschsprachige Leserschaft wird hier eine ganz andere version der Geschichte erfahren. Es ist dies die Version eines militanten Anarchisten, der sich aus dem Exil die Mühe gemacht hat seinen Kampf für ein libertäres Kuba weiter zu führen. Dabei erliegt er allerdings nicht der Versuchung, die anarchistische Bewegung blind zu ikonisieren oder aus der „Analyse“ von Fehlern zu einer allgemeinen Wahrheit zu kommen. Nein, so nüchtern wie es ein Beteiligter nur sein kann, schildert er die Geschichte der kubanischen Libertären, der so genannten Revolution, des Widerstandes und die Abweisung durch die neoanarchistische Bewegung Europas.

Eben diese neoanarchistische Bewegung Europas, welche den Freiden mit den MArxistInnen gesucht hat und zum Teil noch heute mit Che-Button an der Jacke herumläuft, oder meint das kubanische Regime verteidigen zu müssen.

Heute, im August 2006, sieht es ganz so aus als ob zumindest eine Hoffnung der kubanischen AnarchistInnen im Exil sich erfüllen würde. Das Regime, welches Fidel Castro und Konsorten auf der größten Karibikinsel vor nunmehr 50 Jahren errichtet haben, hat sein biologisches Verfallsdatum erreicht.1 In den nächsten Wochen und Monaten wird die Stabilität des regimes, soviel Hofnung sei erlaubt, in sich zusammenbrechen. Dann haben die Menschen auf Kuba endlich die Chance für einen Neuanfang.

Wohin dieser Neuanfang sie führen wird weiß heute noch niemand. Es bleibt zu hoffen, dass die libertären Traditionen welche im Exil überlebt haben, und die zarten Ansätze der libertären Bewegung welche in den letzten Jahren auf Kuba immer wieder aufgetaucht und wieder verschwunden sind, stark genug sind, um eine Basis für kommende AktivistInnen zu legen.

Es ist auch an uns, dafür Sorge zu tragen, dass die libertären Ideen auf Kuba nicht aussterben und nicht länger unterdrückt werden. Die neoanarchistische Bewegung Europas hat etwas gut zu machen und ich hoffe sie macht es gut!

Rudolf Mühland

Anmerkung:

  1. Heute (11.06.2007), da ich diese Zeilen im web veröffentliche, weiß ich das ich mich damit geirrt habe. Fidel lebt noch immer. Zur Erinnerung: zur Zeit als ich das Vorwort schrieb war Fidel Castro wegeneiner schweren Darmerkrankung in Behandlung. Wochen/Monate lang gab es keine oder nur sehr kurze Auftritte in der „Öffentlichkeit“

Reinhold Wilhelm Huppertz (* 18. November 1904 in Düsseldorf; † 15. März 1978 in Mülheim an der Ruhr)

war ein deutscher Anarchist, der gegen die NS- und kommunistische Staatsdiktatur arbeitete. Nach 1945 war er in der SBZ tätig und gründete 1948 im Ruhrgebiet die Zeitschrift Befreiung.

Wilhelm (Willy) Huppertz war Monteur. Nach einer kurzen Phase als christlicher Sozialist wandte er sich dem Atheismus zu und trat Mitte der 1920er Jahre der FAUD und der AAUE bei, wo er sich politisch engagierte. Als Anarchokommunist und -syndikalist wurde er im Umfeld der in Zwickau herausgegebenen Zeitschrift Proletarischer Zeitgeist aktiv. Mit dem Aufstieg der Nazis wurde er für einige Wochen verhaftet und verhört. Um September 1940 wurde er erneut verhaftet und am 20. Juli 1944 als Reaktion auf den Bombenanschlag gegen Hitler in das KZ Sachsenhausen verlegt, wo es ihm gelang, trotz der gekürzten Nahrungsrationen zu überleben.

Nach dem Krieg lehnte Willy Huppertz aus anarchistischen Prinzipien eine feste Anstellung in der Gewerkschaft ab und stellte die Kontakte zwischen den wenigen Überlebenden im Ruhrgebiet und der russisch besetzten Zone wieder her. 1947 gab Huppertz das von Wilhelm Jelinek 1946 editierte „Rundschreiben Zwickau“ heraus, das bis 1948 erschien. Jelinek sandte ihm Geld für eine Vervielfältigungs­maschine und eine Liste der Abonnenten des Zeitgeist, und Huppertz gründete 1948 in Essen die Zeitschrift Befreiung. Als ihr Herausgeber fungierte er bis 1973 und übergab sie dann einer Gruppe junger Aktivisten in Köln, wo sie bis 1978 mit einer Auflage von 1500 Exemplaren erschien. Der Autor H.J. Degen schrieb dass „Willi Huppertz, einer der wichtigsten anarchistischen Gestalten nach 1945 konstantierte angesichts der rebellischen Studentenbewegung und erster Ansätze eines neuen Anarchismus in der BRD und West-Berlin: Leider war eben die Neigung zum Anarchismus nach 1945 gleich Null im deutschen Sprachgebiet“ [1].

Willy Huppertz zeigte eine große Skepsis gegenüber den neuen sozialen Bewegungen, bei denen er eine zu große Nähe zum Leninismus sah. 1950/51 gab er gemeinsam mit Rudolf Oestreich die nicht erfolgreichen Zeitschriften Der Freie Arbeiter und Vereinigte Blätter heraus [2]. In den späten 1960er Jahren bereitete er gemeinsam mit Rudolf Krell den Internationalen Kongress der anarchistischen Föderationen vor und schrieb für das diese Zusammenkunft vorbereitende Bulletin, das in Paris von September 1966 bis August 1968 erschien und von Guy Malouvier herausgegeben wurde.

Willi Jelinek, * 25.12.1889, † 24.3.1952

Wilhelm „Willi“ Jelinek (* 25. Dezember 1889 in Ludwigsdorf; † 24. März 1952 im Zuchthaus Bautzen) war ein deutscher Metallarbeiter, Autor, Betriebsratsvorsitzender und Vertreter des Anarchosyndikalismus.

Wirken

Nach dem Ersten Weltkrieg organisierten sich in Deutschland zeitweilig mehr als 150.000 Menschen in der anarchosyndikalistischen und anarchistischen Bewegung.[1] Jelinek beteiligte sich bei der Zeitschrift „Proletarischer Zeitgeist“ als Autor und als Kontaktadresse. Diese „von Arbeitern für Arbeiter geschriebene Zeitung“ (Untertitel) stand anfangs der Allgemeine Arbeiter-Union – Einheitsorganisation (AAU–E) nahe, wandte sich jedoch später von der rätekommunistischen Ausrichtung der AAUE ab.
Ab 1933 und nach 1945 hatten es die Anarchisten schwer, ihre Weltanschauung in Wort und Schrift zu verbreiten. Jelinek spielte eine wichtige Rolle als Anarchosyndikalist unmittelbar nach der Machtergreifung (1933) durch die Nationalsozialisten und auch später nach Ende des Zweiten Weltkrieges (1945). 1933 kamen verschiedene anarchistische Aktivisten in Schutzhaft, so unter anderem Jelinek, Marie Meier und Martin Küchler. Ein Jahr später wurde eine Gruppe aus dem Umfeld der freiheitlichen Sozialisten in Hagen verhaftet. Martin Küchler wurde mit seiner Ehefrau wegen des Hörens von Feindsendern verurteilt.
Wilhelm Jelinek organisierte zusammen mit anderen Anarchisten und Anarchosyndikalisten 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ, später DDR) einen Treffpunkt für freiheitliche Sozialisten, genannt die „Zwickauer Richtung“. In jener Zeit gab er das Rundschreiben Zwickau heraus, das später von Willy Huppertz fortgeführt wurde. Frühere Mitglieder der Anarchistischen Föderation (AF), unter anderem Fritz Heller, beteiligten sich bei der Informationsstelle und dem Rundschreiben. „In Zwickau wurde, so unglaublich es klingt, eine Informationsstelle des gesamtdeutschen Anarchismus gebildet. Sie berief Mitte 1948 nach Leipzig eine geheime Konferenz aller unter sowjetischer Besatzungsmacht lebenden Antiautoritären verschiedener Richtungen ein“.  Zwischen 1945 und 1948 waren anarchistische Gruppen in der SBZ so gut organisiert, dass sie westdeutschen Anarchisten unter anderem finanzielle Hilfe bieten konnten.

Willi Jelinek ist tot
Im November 1948 wurde ein Treffen in Leipzig für libertäre Gruppen organisiert. Jelinek, der die Konferenz mit geplant hatte, wurde, wie alle anderen Teilnehmer, am 10. November von Mitarbeitern der Abteilung K 5 der Volkspolizei und der sowjetischen Geheimpolizei MGB verhaftet. Ein sowjetisches Militärtribunal verurteilte ihn am 26. Februar 1949 wegen „antisowjetischer Agitation“ und „illegaler Gruppenbildung“ zu einer Freiheitsstrafe von 25 Jahren. Zur Strafverbüßung kam Jelinek in die SMT-Justizvollzugsanstalt Bautzen, die 1950 Zuchthaus der DDR wurde.

Unter bislang ungeklärten Umständen starb Wilhelm Jelinek 1952 im Zuchthaus Bautzen. Seine Mitstreiter sprachen von „politischem Mord“.

Die dunkle Nacht von Willi Jelinek

Von Nick Heath und bearbeitet von libcom

Wilhelm Rudolf Jelinek, oder Willi, wie er genannt wurde, wurde am Weihnachtstag 1889 in Ludwigsdorf geboren.

Er lebte in Zwickau, einer sächsischen Industriestadt in der DDR, unweit von Chemnitz und der tschechischen Grenze.

Metallschmelzereien und Minen befinden sich in unmittelbarer Nähe. Von 1922 bis März 1933 war dort die anarchistische Zeitschrift Proletarischer Zeitgeist herausgegeben worden.

Es war ein wöchentlicher, antiautoritärer Prozess, der versuchte, Verbindungen zwischen Anarchisten und Kommunisten des Rates herzustellen. Es wurde von Otto Reimers vertrieben und erhielt die Unterstützung von Otto Rühle, der versuchte, den Block der antiautoritären Revolutionäre aufzubauen

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren im Mai 1945 nur noch sechs Überlebende der Gruppe übrig. Siebenundzwanzig waren von der Gestapo ermordet worden. Einer der Überlebenden, Willi Jelinek, hatte die Abonnementliste für Zeitgeist versteckt und sandte nun detaillierte Briefe an die sichersten von ihnen, um eine Organisation wiederzubeleben. Jelinek war sowohl Mitglied der anarchosyndikalistischen Freien Arbeiter Union (FAUD) als auch des Ratsmitglieds AAUD.

Die Russen, die jetzt das Gebiet besetzten, drängten auf die Fusion der Sozialdemokratischen Partei (SPD) und der Kommunistischen Partei (KPD), um eine Vereinigte Sozialistische Partei (SED) zu schaffen, die eine Tarnung für die Kommunisten sein könnte. Jelinek prangerte diesen Schritt an: „Die Kommunistische Partei spielt die Rolle eines Fuchses, der die Ängste des Hasen beruhigen will, indem er herausstellt, dass er Vegetarier ist.“

In einem anderen Brief (Februar 1946) an die Anarchisten sprach er sich gegen eine Beteiligung der Anarchisten an einem sozialistisch-kommunistischen Block aus. Er glaubte, dass die SPD-KPD-Union von kurzer Dauer sein würde und dann die Anarchisten zu ihren Gunsten kämen. Daher die Notwendigkeit, die anarchistische Bewegung neu zu organisieren.

Im Juni 1946 bildete sich der Zwickauer Kreis – bestehend aus alten Zeitgeistlesern und Arbeitsplatzaktivisten. Es begann Informationsrundschreiben an Anarchisten in der russischen Zone und in Westdeutschland zu versenden. Jelinek stellte den Kontakt zu Reimers wieder her, der mit dem Aufbau einer anarchistischen Organisation in Hamburg begonnen hatte.

In Sachsen wurden fünf oder sechs Gruppen gebildet, in Thüringen die gleiche Anzahl. Es wurden Verbindungen zu Anarchisten in Hamburg, Mühlheim und Kiel geknüpft.

In der Fabrik, in der er arbeitete, war Jelinek von 95% der Arbeiter zum Präsidenten des Betriebsrates gewählt worden, und er arbeitete in der FDGB-Gewerkschaftszentrale in der russischen Zone, um seinen Einfluss auszuweiten. Die Kommunisten, die ihn schon lange kannten, dachten, er habe seine Ideen geändert, aber von den ersten Sitzungen des Betriebsrats waren sie schnell desillusioniert.

Bei der Gründung der SED forderten die Kommunisten Jelinek auf, den Ratsvorsitz zu verlassen – was er ablehnte. Der Zwickauer Kreis richtete ein Informationsbüro ein und versandte Rundschreiben, in denen die unüberwindlichen praktischen Probleme in der russischen Zone aufgezeigt wurden: Die Bearbeitung eines Papiers, die Verwendung eines Vervielfältigers waren verboten.

Trotzdem beschlossen sie, fortzufahren. Sie beschlossen, die Anarchisten wie Rudolf Michaelis, die sich der SED angeschlossen hatten, zu vergessen und sich an die neue Generation und die Arbeiter zu wenden, um ihnen die Natur des Stalinismus zu zeigen. Ende 1947 schrieb Jelinek eine Broschüre, die niemals veröffentlicht werden würde. Er prangerte die „Diktatur des Proletariats“ an, die die Autorität der Führer bedeutet. Wo es Gehorsam gibt, gibt es Führer, die befehlen “. Jede Diktatur bedeutete die Herrschaft einer Minderheit. Die Verteilung von Flugblättern und Briefen wurde schwieriger. Die Polizei beobachtete Jelinek ständig. Vorsorglich übermittelte er die Zeitgeist-Abonnementliste an Willy Huppertz im westdeutschen Mühlheim im Ruhrgebiet.

Huppertz war ein freischaffender Anarchist, der seit den 20er Jahren aktiv war und keiner Organisation angehört hatte, nicht einmal der FAUD. Er hatte Zeit im Konzentrationslager Oranienburg verbracht. Ab März 1948 gab er die anarchistische Monatszeitschrift Befreiung heraus und verteilte sie. Huppertz organisierte die Verteilung von Befreiung und anarchistischen Flugblättern an die russische Zone.

Jelinek hatte immer noch einige Illusionen, dass das Regime in der russischen Zone ein wenig „liberalisieren“ würde, was den freien Verkehr eines anarchistischen Papiers ermöglichen würde, und er schrieb, dass es unter Ulbricht besser sein würde als unter Hitler!

Am 10. November 1948 wurde er von zwei russischen Offizieren in Begleitung eines Dolmetschers und eines Beamten der deutschen Kriminalpolizei festgenommen. Seine Frau und sein Schwiegersohn wurden festgenommen – und letzterer verschwand spurlos.

Nach einem langen Verhör kehrte Frau Jelinejk in eine Wohnung zurück, in der die Möbel völlig leer waren. Die Anarchisten in der russischen Zone wurden zu einem Scheintreffen nach Leipzig gerufen und verhaftet. Jelinek selbst wurde in das ehemalige nationalsozialistische Konzentrationslager Sachsenhausen geschickt, in dem sich nun Gegner der Kommunisten befanden!

Dort traf sich Jelinek mit anderen Kameraden und sie gründeten eine geheime Gruppe. Die Ration von Jelinek wurde reduziert, und dann wurde er wegen seiner fortgesetzten Verbindung mit anderen Anarchisten in das Konzentrationslager in Bautzen geschickt.

Hier litten die Gefangenen unter Hunger und viele starben an Tuberkulose. Am 13. März 1950 kam es zu einem Aufstand, und eine Kommission russischer Offiziere und Angehöriger der deutschen Volkspolizei versprach bessere Bedingungen. Tatsächlich wurden sie schlimmer und am 30. März kam es zu einem neuen Aufstand.

Jelinek gelang es, einen Appell an Westdeutschland wegen der miserablen Verhältnisse in den Lagern Bautzen und Torgau zu schmuggeln. Der Aufruf erschien im Hamburger Echo vom 15. Mai 1950.

Dafür wurde Jelinek mit schlechterer Behandlung belohnt. Anfang 1952 starben in Bautzen zwei Anarchisten an Tuberkulose. Am 20. März 1952 befand sich Jelinek bei einem Besuch seiner Tochter noch in einem vernünftigen Gesundheitszustand. Aber am 24. März starb er unter Bedingungen, die immer noch rätselhaft sind.

Die wenig bekannte Geschichte von Willi Jelinek verdient eine Wiederholung, nicht nur wegen des Mutes eines ergebenen anarchistischen Militanten, sondern als Beispiel dafür, was Anarchisten unter einem leninistischen Regime erwarten können.

PS:

Bautzen, das Lager, in dem Jelinek starb, wird noch immer als Gefängnis genutzt, so dass es seit 1904 kontinuierlich genutzt wird, auch von der Gestapo. Bautzen 2 in einem grünen Vorort unweit des Stadtzentrums wurde 1906 gegründet und ist heute ein Museum. Bautzen 2 wurde auch von den Russen und dann von der Stasi benutzt.

Awareness Konzept „Schwarz-Rotes-Wochenende“

 Ist dir etwas passiert womit es dir gerade schlecht geht?
 Hast du eine Diskriminierungserfahrung gemacht?
 Hat ein anderer Mensch deine Grenzen überschritten?
 Hast du Redebedarf?
 Fühlst du dich unwohl?
Wir möchten, dass die Veranstaltungsreihe ein diskriminierungssensibler Raum ist und sich alle Teilnehmenden wohl und sicher fühlen. Daher gibt es während unserer Veranstaltungsreihe ein Awareness-Team, das sich sowohl als Ansprechpartner*innen bei grenzüberschreitendem, übergriffigem und diskriminierendem Verhalten versteht als auch eine Sensibilisierungsrolle einnimmt.
Wann Menschen ihre Grenzen verletzt sehen und welches Verhalten als Gewalt erfahren wird, kann sehr unterschiedlich sein. Das Recht darüber zu entscheiden, wann etwas als gewalttätig und übergriffig gilt liegt bei der davon betroffenen Person. Das Erlebte wird von uns nicht in Frage gestellt. Die Rolle des Awareness-Teams sehen wir als empathischen und parteilichen Beistand. Es geht darum, das Gefühl von Ohnmacht und Ausgeliefertsein zu überwinden und dass persönliche Grenzen – egal, wo sie liegen – völlig okay sind. Dabei bleibt alles, was du uns anvertraust, unter uns. Im Mittelpunkt steht die konkrete Unterstützung der betroffenen Person entsprechend ihrer Bedürfnisse. Wir suchen gemeinsam nach einer Lösung, mit der du dich wohl fühlen kannst. Es wird nichts ohne deine eindeutige Zustimmung passieren. Wir helfen dir und unterstützen dich so gut wir können.
Wie wir während den Veranstaltungen arbeiten
Wir sind jederzeit für dich ansprechbar. Vor der Veranstaltung stellen wir uns persönlich vor, du erkennst uns zusätzlich an unserer Armbinde. Auch wenn du dich mit einer Situation während einer Veranstaltung unwohl fühlst und es anonymisiert ins Plenum tragen möchtest sind wir da um dich zu unterstützen. Wenn wir den Eindruck haben, dass Menschen diskriminiert wurden oder wenn uns zugetragen wird, dass Menschen eine Grenzüberschreitung erfahren haben, werden wir im ersten Schritt, falls ersichtlich, die betroffenen Personen ansprechen um zu erfragen wie es ihnen geht und welchen Umgang sie sich mit dem Vorfall wünschen. Wir möchten euch ganz herzlich einladen, euch bei uns nach einem Vorfall zu melden und uns mitzuteilen welchen Umgang ihr euch mit der Situation wünscht. Natürlich könnt ihr euch auch gerne melden, wenn ihr die unangenehme Situation noch nicht genau benennen könnt.
Wir behalten uns das Recht vor bei (wiederholten) Grenzüberschreitungen Menschen von der Veranstaltung auszuschließen.
Wir Menschen im Awareness-Team sind bemüht auf sensible Weise auf euch einzugehen, haben allerdings bestimmte Diskriminierungserfahrungen nie selbst erlebt. Schreibt uns gerne an faud-srw@fau.org mit dem Betreff “Awareness”, wenn ihr Verbesserungsvorschläge oder Kritik an unserem Awareness-Konzept habt, wir freuen uns von euch zu lernen!

Kündigung Teil IV – Die Rolle des Betriebsrats bei der Kündigung und die Klage dagegen vor dem Arbeitsgericht

paragraphen.gifGibt es in eurem Betrieb einen Betriebsrat (BR), habt ihr bei der Kündigung einige Vorteile. Sollte es der Arbeitgeber versäumen, den BR vor der Kündigung anzuhören, gilt eine Kündigung als unwirksam (§ 102 Abs. 1 BetrVG). Mit anderen Worten, der BR weiß vor euch ob ihr gekündigt werdet und sollte mit euch darüber reden (§ 102 Abs.2 letzter Satz). Es gibt nur einen kleinen Haken: Ihr müsst trotzdem innerhalb von drei Wochen zum
Arbeitsgericht (siehe Direkte Aktion #201), weil nur dort die Unwirksamkeit festgestellt werden kann. Erst danach
dürft ihr weiter malochen.

Ein weiterer Vorteil ist, dass ihr die Möglichkeit habt, auf Weiterbeschäftigung nach Ablauf der Kündigungsfrist (bis zum rechtskräftigen Beschluss des Rechtsstreits) zu klagen, wenn der BR der Kündigung „ordentlich “ widerspricht (§ 102 Abs.5 Satz1). Ihr müsst somit zwei Klagen erheben: eine gegen die Kündigung und eine zweite auf
Weiterbeschäftigung.

Leider funktioniert die Zusammenarbeit mit dem BR in der Realität nicht immer so wie gewünscht. Der erste Fehler ist der fehlerhafte „ordentliche “ Widerspruch des BR. Im
Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) gibt es lediglich fünf Punkte, aufgrund derer der BR einer Kündigung widersprechen kann (§ 102 Abs. 3 BetrVG). Davon sind in der Regel nur vier relevant: soziale Gesichtspunkte, die Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz, eine zumutbare Umschulung bzw. Fortbildung oder die Änderung der Vertragsbedingungen.

Dabei muss der BR darauf achten, welche Kündigungsform bzw. -art vorliegt (siehe dazu auch DA #198 und #199). Am besten ihr kümmert euch selbst mit darum, dass der richtige Widerspruch eingelegt wird.

Auch solltet ihr darauf achten, dass der Betriebsrat innerhalb einer Woche nach Erhalt der Anhörung widerspricht. Die Frist beginnt erst am Tag nach Eingang der Anhörung, aber Achtung: das Wochenende ist natürlich in der Woche enthalten! Geht die Anhörung beispielsweise am Mittwoch an, beginnt die Frist am Donnerstag. In diesem Fall muss der Widerspruch bis zum Mittwoch der Folgewoche beim Arbeitgeber vorliegen. Ist dieser Tag zufällig ein Feiertag, erst am nächsten Tag. Lässt der BR diese
Frist einfach verstreichen bzw. gibt er den Widerspruch zu spät ab, gilt die Zustimmung als erteilt (§ 102 Abs.2 Satz 2).

Fällt dem Betriebsrat und euch nichts zu den oben genannten Widerspruchsgründen ein, dann könnt ihr den BR immer noch veranlassen, möglichst viele Bedenken zu äußern (§ 102 Abs.2 Satz 1). Auch wenn er ordentlich widersprochen hat, sollte er trotzdem alle Möglichen nutzen, mit denen der Arbeitgeber von einer Kündigung abrücken könnte. Dies gilt ausdrücklich auch bei einer außerordentlichen, sprich fristlosen Kündigung (§ 102 Abs. 2 Satz 3), da hier kein Widerspruch möglich ist.

INSTANZEN DER ARBEITSGERICHTSBARKEIT – KLAGEERHEBUNG BEI EINER KÜNDIGUNG

Die Arbeitsgerichtsbarkeit verfügt generell über drei Instanzen, die Arbeitsgerichte (ArbG), Landesarbeitsgerichte (LAG) und zuletzt das Bundesarbeitsgericht in Erfurt (BAG). An dieser Stelle beschäftigen wir uns vor allem mit der 1. Instanz.

Zuerst ist wichtig, dass ihr die Klage rechtzeitig (s.o.) erhebt. Dies könnt ihr auch ohne anwaltliche Vertretung. Dazu gibt es eine Rechtsantragsstelle, die mit einem Rechtspfleger besetzt ist, der für oder mit euch die Klageschrift formul iert. Auch braucht ihr euch nicht anwaltlich vertreten zu lassen, sondern könnt euch selbst mit dem Arbeitsgericht und den AnwältInnen der Gegenseite herumärgern. Ihr könnt aber auch eine/n VertreterIn eurer Gewerkschaft mit der Prozessvertretung beauftragen.

Solltet ihr dennoch eine Anwältin oder einen Anwalt beauftragen, tragt ihr die Kosten selbst. Auch der Arbeitgeber muss seine Rechtsvertretung selbst bezahlen. Die Gerichtsgebühren sind im Arbeitsgerichtsverfahren niedriger als bei anderen Gerichtsverfahren. Oft werden Verfahren vor dem Arbeitsgericht mit einem Vergleich beendet, so dass diese Kosten ganz entfallen. Bei einem Urteil richtet sich die Höhe der von der unterlegenen Partei zu tragenden Gerichtsgebühr nach dem Streitwert. Bei 5.000 Euro sind dies ca. 250 Euro.

ABLAUF DES VERFAHRENS

Zunächst wird ein Gütetermin angesetzt. Im Gütetermin wird von einem Richter lediglich versucht, eine einvernehmliche Lösung des Konflikts herbeizuführen. Hier
könnt ihr ggf. schon eine Abfindung aushandeln. Wenn ihr allerdings euren Arbeitsplatz behalten möchtet, kommt es unweigerlich zum Kammertermin. Dort sitzen dann nicht nur der hauptamtlicher Richter, sondern noch zwei ehrenamtliche, einer der Arbeitgeberseite und einer der Arbeitnehmerseite.

Auch hier wird zuerst versucht, eine gütliche Einigung zu erzielen, das ist in der Regel eine Abfindungszahlung. Wenn ihr aber weiterhin darauf besteht, weiter arbeiten zu wollen, wird ein Urteil gesprochen. Gegen ein ergangenes Urteil, welches euch nicht passt, könnt ihr dann Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) einlegen.

§§§-Dschungel: Kündigung – Teil III: Schrifterfordernis, Kündigungszugang und Fristen

paragraphen.gifDie Schrifterfordernis
ist im § 623 BGB geregelt:

„Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; die elektronische Form ist ausgeschlossen.“

Trotz dieses einfachen Gesetzestextes tauchen hier immer wieder Unsicherheiten auf.

Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses muss schriftliche rfolgen und vom Aussteller eigenhändig unterschrieben sein. Schriftlich heißt somit ein Original aus Papier mit handschriftlicher Unterschrift des Arbeitgebers. Die Schriftform gilt übrigens auch wenn ihr selbst kündigt. Zugang in elektronischer Form bedeutet hier E-mail, SMS, etc., aber auch das Fax. (Siehe §§§-Dschungel in der Direkten Aktion Nr. 197)

WANN GILT EINE KÜNDIGUNG ALS ZUGEGANGEN?

Eine Kündigung muss in den „Herrschaftsbereich“ des Empfängers kommen, zum Beispiel in seinen Briefkasten. Zugegangen ist sie aber erst, wenn ihr sie, unter Abwägung der Umstände, auch zur Kenntnis nehmen konntet. Wird sie zu den üblichen Postzustellungszeiten eingeworfen, gilt der gleiche Tag als Datum des Zugangs. Wird die Kündigung allerdings später eingeworfen, gilt erst der nächste Tag. Doch auch hier, Vorsicht:

Bei den vielen privaten Zustellern verteilt sich die übliche Zustellung schon fast bis in den Nachmittag. Auch bei Abwesenheit (Urlaub etc.) gilt die Kündigung dann als zugestellt und die 3-wöchige Widerspruchsfrist beginnt zu laufen.

Der Einwurf der Benachrichtigung über die Lagerung eines Einschreibens bei der Post
in euren Briefkasten bedeutet noch keinen Zugang der Kündigung beim Empfänger. Auch seid ihr nicht verpflichtet, das Schreiben abzuholen, es sei denn, dass ihr mit einer Kündigung rechnen konntet. (LAG Rheinland-Pfalz 10 SA 949/00)

FRISTEN

Werden die oben genannten Erforderlichkeiten nicht eingehalten, ist die Kündigung unwirksam. Aber Vorsicht: Nur ein Gericht kann diese Unwirksamkeit feststellen.
Das heißt für euch, dass ihr in jedem Fall eine Kündigungsschutzklage erheben müsst, und zwar innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung.

Anrufung des Arbeitsgerichts:

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf
Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. 
(§ 4 KSchG, Kündigungsschutzgesetz)

Versäumt man nun diese Frist, dann hilft nur noch die Zulassung einer verspäteter Klage laut § 5 KschG:

(1) War ein Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach
Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben, so ist auf seinen Antrag die Klage nachträglich zuzulassen.

(3) Der Antrag ist nur innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses zulässig.

Kurz und gut. Versucht möglichst nicht mit Fristen zu taktieren, sondern konzentriert euch auf die rechtzeitige Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Habt ihr die dreiwöchige Frist versäumt, rate ich dringend einen Rechtsanwalt einzuschalten, um die nachträgliche Klagemöglichkeit zu erreichen.

Eine spezielle Frist gibt es noch bei der außerordentlichen (fristlosen) Kündigung:

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, […]

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(§ 626 BGB: Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund)

Mit anderen Worten:
Entscheidend ist es, wann genau der Chef von dem Kündigungsgrund gewusst hat oder hätte haben können. Das klärt dann das Gericht. Hat er die o.g. Frist überschritten, ist die fristlose Kündigung unwirksam. Auch hier gilt: In jedem Fall rechtzeitig Kündigungsschutzklage erheben!

 

NOCH EIN TIPP ZUM SCHLUSS

„… muss der Arbeitgeber innerhalb von zwei Monaten, nachdem er von den maßgeblichen kündigungsrelevanten Tatsachen Kenntnis genommen hat, erklären….“
(Rheinische Post zur fristlosen Kündigung, Auszug)

Solche und ähnliche Fehler sind auf den unterschiedlichsten Homepages zu finden und können immer passieren, auch auf den Seiten von Anwälten. Gewöhnt euch deshalb einfach an, im Gesetzestext zu lesen. Nur der ist wirklich verbindlich. Im BGB § 622 sind übrigens die gesetzlichen Kündigungsfristen bei Arbeitsverhältnissen geregelt. Auch die bei einer Probezeitkündigung.

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Rechtslage Streik

Diese Hinweise sind nicht gleichzusetzen mit einer Rechtsberatung. Alle Angaben sind nach bestem Wissen und Gewissen zusammen gestellt, jedoch ohne Gewähr.

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