Ernst Rieger (* 10.6.1875 – † 1947)

Berlin, Bürovorsteher, geboren in Lautenburg (Westpreußen); 1895-1914 SPD; nach 1903, Mitglied der syndikalistischen Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften (FVdG); 1915 Spartakusbund, 1917 USPD; Delegierter von Berlin Hohenschönhausen auf dem Gründungsparteitag der KPD (30.-31. Dezember 1918/1. Januar 1919), bekämpft jegliche bürgerlich-demokratische Phraseologie sowie jeglichen Wahlkampf:
„Wir müssen uns frei machen von der Phrase der Demokratie im althergebrachten vergifteten Sinne. Es ist nicht Demokratie, wenn wir zwar gleiches Wahlrecht haben, aber im Übrigen kein gleiches soziales Recht… Wir müssen Mut haben, zu bekennen, welchen reaktionären Zwecken die Nationalversammlung dienen soll, nämlich, die Arbeiterräte illusorisch zu machen“.
Er stellt auch der Reichskonferenz den wichtigen linksradikalen Antrag vor:
„Die Tarifvertragspolitik der gewerkschaftlichen Zentralverbände, die Abwürgung der Streiks und die systematische Unterbindung des sozialen Befreiungskampfes des Proletariats durch die
Gewerkschaftsbürokratie, sowie die ablehnende, ja feindliche Haltung der Verbandsführer gegen die sofortige Inangriffnahme der Sozialisierung der Produktionsmittel sind in ihrer Wirkung staatserhaltend und darum revolutionsfeindlich. Die Zugehörigkeit zu solchen Gewerkschaftsverbänden ist deshalb unvereinbar mit den Zielen und den Aufgaben der Kommunistischen Partei Deutschlands. Für die Führung der wirtschaftlichen Kämpfe und zur Übernahme der Produktion nach dem Sieg der sozialen Revolution ist vielmehr die Bildung revolutionärer, örtlich begrenzter Arbeiterorganisationen (Einheitsorganisation) notwendig. Diese Kampforganisationen haben ihre Tätigkeit im besten Einvernehmen mit der Kommunistischen Partei und den zentralen Streikkommissionen auszuüben, und die kommunistische Produktion vorzubereiten und durchführen zu helfen“.
1919 AAU und April 1920 KAPD. Er fordert im Juni 1920 den Zusammenschluss der Linkskommunisten mit den Syndikalisten (FAUD). Ab 1924-1925 in der FAUD tätig. 1933-1945 nicht verfolgt, trat er 1945 der KPD, danach 1946 der SED bei.

Quellen: Hermann Weber, Die Gründung der KPD. Protokoll u. Materialien des Gründungsparteitag der KPD 1918/1919, Dietz Verlag, Berlin,
1993, S. 159, 338-339; Biographische Datenbanken: https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de; Hartmut Rübner, Freiheit und Brot. Die
Freie Arbeiter-Union Deutschlands. Eine Studie zur Geschichte des Anarchosyndikalismus, Libertad Verlag, Berlin/Köln, 1994, S. 241.

Otto Reimers (* 17.9.1902 – † 22.10.1984)

Hamburg, Bauarbeiter, Bauleiter, geboren in Grambek bei Mölln (Schleswig-Holstein), AAU, ab 1922 AAUE um die Zeitschrift
Proletarischer Zeitgeist, 1930 Anarchist, 1933 illegale Arbeit; 1945 Herausgeber anarchistischer Zeitungen, mit Alfred Weiland* Herausgeber von Neues Beginnen.
Als ältester von fünf Geschwistern musste Reimers nach Beendigung der Schule bereits anfangen zu arbeiten; er tat dies bei Waldarbeitern und Bauern um die finanzielle Situation der Familie zu erleichtern. In den 1920er Jahren wurde Reimers in der antiautoritären Arbeiterbewegung aktiv. 1920-1921 hatten die Hamburger Unionisten den Beitritt bei der KAPD und der Komintern abgelehnt und schlossen sich der AAU-E Otto Rühles* und Franz Pfemferts* an. 1923/24 suchte die AAU-E verstärkt die Zusammenarbeit mit der anarcho-syndikalistischen FAUD und
der IAA. Im Jahre 1926 gründete er mit Karl Matzen*, Karl Roche* und Ernst Fiering* in Hamburg den Block antiautoritärer Revolutionäre, bestehend aus Anarchosyndikalisten, Anarchisten, Unionisten und Individualanarchisten. Sprecher bei den Treffen waren u.a. Pierre Ramus, Ernst Friedrich, Helmut Rüdiger und Rudolf Rocker. Zusammen mit Paul Schöß* übernahm er 1926 den Vertrieb der Zeitschrift Proletarischer Zeitgeist (1922–1933) von der Allgemeinen Arbeiter-Union (AAU) und arbeitete an der Zeitschrift Die freie Gesellschaft mit.
Nach der Machtübernahme der Nazis musste Reimers gezwungenermaßen mit seiner Arbeit für Zeitschriften aufhören. In der Illegalität nach Februar 1933 konnte die Hamburger Gruppe fast monatlich bis Mitte 1934 die zwölfseitige Schrift Mahnruf herausgeben. Den II. Weltkrieg verbrachte Reimers hauptsächlich damit, die durch Bombenangriffe beschädigten U-Bahn-Schächte und -Tunnel, sowie die Hochbahn Hamburgs wiederaufzubauen, da sein Arbeitgeber immer wieder seine Freistellung vom Kriegsdienst
erreichen konnte.
Nach Kriegsende war Reimers aktiv als Herausgeber der ersten anarchistischen Zeitschrift in Deutschland, Mahnruf; publiziert einige Wochen nach Kriegsende (Mai bis Dezember 1945).
Reimers wollte mit dem Mahnruf zur Gründung einer neuen anarchistischen Bewegung beitragen. Die gehoffte Resonanz blieb allerdings aus. Außerdem war er Herausgeber der Zeitschriften Information, anarchistische Gedanken und Betrachtungen zur Geschichte, Literatur und Politik der Gegenwart; zusammen mit Heinrich Freitag und Walter Stöhr (1956–1961). In den Jahren 1955 bis 1959 war er auch Herausgeber des deutschsprachigen, internationalen anarchistischen Mitteilungsblattes C.R.I.A.
(Commission des Relations Internationales Anarchistes).
1959 wurde der Bund freier Sozialisten und Anarchisten auf einem Anarchistenkongress in Neviges gegründet wobei Reimers einer der Mitinitiatoren des Kongresses war. Er war Mitglied der Föderation freiheitlicher Sozialisten (FfS). Beiträge aus linksliberaler, demokratischer und freier sozialistischer Sichtweise brachte seine
Zeitschrift Neues Beginnen (1969–1971). Die von Reimers redigierte Publikation Zeitgeist – für sozialen Fortschritt, freien Sozialismus, Kultur und Zeitgeschehen erschien von 1971 bis 1974. Sie fusionierte später mit der von Heiner Koechlin herausgegebenen Zeitschrift Akratie, in der auch der Anarchosyndikalist Willi Paul veröffentlichte.
Neben seiner Tätigkeit als Herausgeber war er auch Autor zahlreicher Artikel. Wolfgang Haug veröffentlichte einen Nachruf auf Otto Reimers, Das politische Engagement war ihm Berufung und Verpflichtung, in der Zeitschrift Schwarzer Faden (Nr. 16, April 1984, S. 56). Im Verlag Walter Stöhr erschien von 1969 bis 1971 die anarchistische Zeitschrift neues beginnen, herausgegeben von Otto Reimers in Hamburg. Der Untertitel lautete: Beiträge zur
Zeitgeschichte, Kultur und Politik aus linksliberaler–demokratischer und freier sozialistischer Gesinnung; eine Publikation von antiautoritären Sozialisten. Vorgestellt wurde das Blatt mit
den Worten: „Vertritt den humanistischen–demokratischen Sozialismus. Wendet sich gegen die Verketzerung des Wortes und der Weltanschauung des Anarchismus“. Und: „Die Zukunft
darf nicht mehr der Gewalt gehören, sondern dem Mit- und Nebeneinander aller Menschen“.
Neues beginnen erschien zweimonatlich mit einer Auflage von 600 Exemplaren. Nachfolger war die Zeitschrift Zeitgeist. Bereits 1960 wurde die gleichnamige anarchistische Publikation neues beginnen herausgegeben von Karl Blauert in Iserlohn. Die Zeitschriften Information und Befreiung sollten zusammengelegt werden mit neues beginnen.
Wegen interner Meinungsverschiedenheiten auf dem Anarchistenkongress in Neviges wurde das Projekt eingestellt und realisiert von Reimers in 1969 indem er neues beginnen fortsetzte.
Otto Reimers ist 1984 in Laufenburg gestorben.

Quellen: Günter Bartsch, Anarchismus in Deutschland: 1945-1965, Band l, Fackelträger, Hannover 1972; Mahnruf: Widerstand im Dritten
Reich, Schwarzer Faden Nr. 3, 1981; Georg Hepp, Otto Reimers zum Gedenken (1900-1984), Die Freie Gesellschaft, Heft 13/14, 1985, S. 94-
96; Michael Kubina, Von Utopie, Widerstand und Kaltem Krieg. Das unzeitgemäße Leben des Berliner Rätekommunisten Alfred Weiland
(1906-1978), LIT Verlag, 2000, S. 258.

August Ernst Reinhold Merges alias Krummer August (* 3.3.1870 – † 6.3.1945)

Novemberrevolution in Braunschweig, 8. November 1918: die Delegation des Arbeiter- und Soldatenrates (v. l. n. r.: Friedrich Schubert, Henry Finke, August Merges, Paul Gmeiner, Hermann Schweiß und Hermann Meyer)

Expedient, Herausgeber und Redakteur, Sohn eines Fleischers, Schneider, Braunschweig, geboren in Malstatt-Burbach bei Saarbrücken. Während der Wanderschaft wurde er Mitglied der SPD und arbeitete später hauptamtlich als Ökonom des Gewerkschaftshauses in Alfeld.
1906 hörte er auf, in seinem Beruf zu arbeiten, und war als bezahlter Funktionär für die SPD in Hildesheim und Alfeld an der Leine tätig. Dort verwaltete er das Gewerkschaftshaus.
Merges wurde in Delligsen von 1908 bis 1910 für die SPD in den Gemeinderat gewählt und trat als erfolgreicher Agitationsredner auf.
1911 zog er mit seiner Familie nach Braunschweig, wo er zunächst eine Kunststopferei betrieb. Er arbeitete dann als Anzeigenwerber für den Braunschweiger Volksfreund und wurde Herausgeber und Redakteur dieser sozialdemokratischen Zeitung.
Er kämpfte energisch die Kapitulation der Sozial-Demokratie im August 1914. Anfang 1915 gründete August Merges, mit Sepp Oerter (1870-1928) und August Thalheimer (1884-1948) den „Braunschweiger Revolutionsclub“. Er stand den Spartakisten nahe. Über Thalheimer und Merges bestand Kontakt zur Berliner Spartakisten-Zentrale.
Dem „Revolutionsclub“ gehörten ca. 15 Personen an, die in Opposition zur Kriegsunterstützung des SPD-Vorstandes standen. Die Hälfte der Mitglieder waren Funktionäre der SPD und der Gewerkschaft, die andere Hälfte oppositionelle Jugendliche aus dem „Bildungsverein jugendlicher Arbeiter und Arbeiterinnen“.
Anfang 1916 nannte sich der „Revolutionsclub“ in „Spartakusgruppe Braunschweig“ um. Die Gruppe konnte ihre Leitsätze in den Versammlungen der SPD vortragen und diskutieren und wurde so schnell zum bestimmenden Faktor innerhalb der Partei. In fast allen Betrieben gelang es, Vertrauensleute des Spartakus zu etablieren. Im selben Jahr wurde Merges wegen „antimilitaristischer Aktivitäten gegen den Krieg“ in „Schutzhaft“ genommen.
1917 wurde Merges Mitglied der USPD (die in Braunschweig im Gegensatz zum Reich die Mehrheit stellte). Er war gleichzeitig Mitglied des Spartakusbundes und arbeitete aktiv bei den Internationalen Kommunisten Deutschlands (IKD) mit.
1917-1918 leitete Merges eine von den Spartakisten gegründete „Deserteurzentrale“, die Deserteuren Unterschlupf gewährte und sie mit gefälschten Pässen und Lebensmittelmarken versorgte. Am 3. November sprach er auf einer illegalen Protestkundgebung auf dem Leonhardtplatz in Braunschweig, mit ca. 1.000 Teilnehmern.
Merges hatte als geschickter Redner und Agitator massiven Einfluss auf das Proletariat im Freistaat Braunschweig. Er besetzte er am 8. November 1918 gegen 7 Uhr morgens mit einer Gruppe Bewaffneter das Volksfreund-Haus der SPD, wodurch sich die Linksradikalen ein eigenes Sprachrohr verschafften. Am Nachmittag desselben Tages erzwangen Merges und andere die Abdankung des letzten braunschweigischen Welfen-Herzogs Ernst-August, der die Stadt am folgenden Tage zusammen mit seiner Familie ins Exil verließ. Der Arbeiter- und Soldatenrat übernahm daraufhin die politische Führung in Braunschweig,
sein Vorsitzender war der „Husar Schütz“. Bereits zwei Tage später, am 10. November 1918, wurde eine Alleinregierung der USPD durch den Arbeiter- und Soldatenrat ausgerufen. Die „Sozialistische Republik Braunschweig“ wurde proklamiert, und August Merges wurde auf Vorschlag von Sepp Oerter zu ihrem Präsidenten ausgerufen. Der Sozialistischen Republik Braunschweig gehörten folgende acht „Volkskommissare“ an: Minna Faßhauer (Volksbildung, die einzige Frau), Karl Eckardt (Arbeit), Gustav Gerecke (Ernährung), August Junke (Justiz),
Michael Müller (Verkehr und Handel), Sepp Oerter (Inneres und Finanzen), Gustav Rosenthal (revolutionäre Verteidigung) und August Wesemeier (Stadt Braunschweig).
Am 23. November 1918 nahm Merges an der Reichskonferenz des Rates der Volksbeauftragten in Berlin teil. Zusammen mit dem Vertreter aus Gotha stimmte Merges als einziger gegen die Einberufung einer Nationalversammlung. Bei der Wahl zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919 wurden als Vertreter für Braunschweig Oberlandesgerichtsrat August Hampe, Rechtsanwalt Dr. Heinrich Jasper und August Merges bestimmt.
Bei der Konstituierung der Nationalversammlung in Weimar hielt er eine scharfe Rede gegen die Reichsregierung Ebert-Scheidemann. Bereits am 22. Februar 1919 legte er sein Mandat in der Nationalversammlung nieder und schied aus der Regierung in Braunschweig aus, weil er die „Revolution durch den Parlamentarismus verraten“ sah. Nach Einmarsch der Truppen des Generals Maercker Mitte April 1919 tauchte Merges unter und lebte eine Zeitlang illegal, flüchtend nach Berlin.
Er verließ die USPD und schloß sich der KPD an, stand aber nach dem II. Heidelberger Parteitag im Herbst 1919 in Opposition zur Zentrale unter Paul Levi, Clara Zetkin und Wilhelm Pieck.
1920 trat Merges aus der KPD aus und führte die Mehrheit der Braunschweiger KPD Mitte 1920 in die KAPD. Im Juli 1920 reiste er mit Otto Rühle zum II. Weltkongreß der Komintern nach Moskau.
Merges und Rühle lehnten die von Karl Radek entworfenen „Leitsätze über die Grundaufgaben der Kommunistischen Internationale“ ab, die auf dem Kongress beschlossen werden sollten und Bedingungen zur Aufnahme in die Komintern enthielten. Sie reisten deshalb schon vor Beginn des Kongresses wieder ab. Noch auf dem Rückweg erreichte sie eine erneute Einladung des Exekutivkomitees, mit der Zusicherung, dass die KAPD das volle Stimmrecht bekomme, ohne dass dafür Forderungen irgendeiner Art zu erfüllen seien. In einem Schreiben, das Merges aus Rußland von einem Kongreßteilnehmer erhalten und das er den Mitgliedern der KAPD bekanntgegeben hatte, wurde mitgeteilt: „Als Levi in Moskau erfahren hatte, Rühle und Merges seien mit beratender und beschließender Stimme zugelassen da stellte der Levi namens der deutschen Delegation das Ultimatum: die Levileute würden den Kongreß verlassen, falls Rühle und Merges auf dem Kongress erscheinen sollten!“.
Nach seinem Rückkehr nach Deutschland, erklärte Merges in mehreren Vorträgen in verschiedenen Städten: „Rußland ist zwar das Land, das als erstes die soziale Revolution durchgeführt hat, es wird aber das letzte Land sein, das den Sozialismus durchführt“.
Im Oktober 1920, war Rühle (und vielleicht auch Merges), aus der KAPD ausgeschlossen. August Merges machte doch während des Februar 1921 Parteitages der KAPD in Gotha eine günstige für Rühle Unterstützungsintervention (und eine zweite Intervention über die Frauenfrage).

In Braunschweig trat er nicht in die AAU, sondern die FAU, danach 1921 in die anti-autoritäre AAU-E ein. August Merges und Minna Faßhauer, näherten sich auch der anarchosyndikalistischen Freien Arbeiter-Union an und traten als Redner in deren Versammlungen auf. In den Jahren der Weimarer Republik war er mehrmals angeklagt u. a. auf Herausgabe der Abdankungsurkunde des Herzogs von Braunschweig und wegen illegaler Waffenverstecke.
Merges, der aktives Miglied der Roten Hilfe in Braunschweig war, leitete 1926 eine kleine Gruppe von ehemaligen KAPD-Genossen (Franz Pfemfert*, Oskar Kanehl*), die sich Spartakusbund Nr. 2 nannte und auch Kontakte zu Erich Mühsam hatte.
Zur Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 schrieb Merges ein Flugblatt mit dem Titel Hitler bedeutet Krieg und Untergang, welches sein Sohn Walter und Oswald Berger druckten und vor dem Arbeitsamt verteilten. Es wurden bei ihm zahlreiche Hausdurchsuchungen vorgenommen und viele seiner Bücher beschlagnahmt.
1934 nahmen August Merges und Minna Faßhauer* an der Kommunistische Räte-Union teil. Diese begann diverse Flugschriften herzustellen und zu verteilen (Kampfsignal, Der Rote Rebell, Die braune Pest…), an denen auch Merges mitgearbeitet hatte. Am 27. Mai 1935 wurde Merges verhaftet und am 7. Oktober 1935 durch das Oberlandesgericht Braunschweig zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt, er war u. a. in Wolfenbüttel inhaftiert und schweren Mißhandlungen ausgesetzt. Am 20. Dezember 1937 entlassen, stand er bis zu seinem Lebensende unter Polizeiaufsicht.
Am Morgen des 6. März 1945 wurde August Merges in seinem Garten in Braunschweig tot aufgefunden.

Quellen: Kommunismus im Allgemeinen, insbes. KPD und Nebenorganisationen, Band 2, 6. Juni – 21. Oktober 1921 (BArch, R 1507/2053);
Hans Manfred Bock, Syndikalismus und Linksradikalismus. Von 1918 bis 1923. Zur Geschichte und Soziologie der Freien Arbeiter-Union
Deutschlands (Syndikalisten) der Allgemeinen Arbeiter-Union Deutschlands und der Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands,
Meisenheim am Glan 1969; Peter Berger, Brunonia mit rotem Halstuch. Novemberrevolution 1918/19 in Braunschweig, Hannover 1979;
Olaf Gebhard: Die Räteherrschaft in Norddeutschland zwischen Kriegsende und Weimarer Republik, Masterarbeit, Braunschweig 2010/2011;
SAPMO Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde, Lebenslauf Alfred Merges, Zittau, 30.3.1970, An das Institut für Marxismus-Leninismus, Berlin
(SgY 30/0623); Biographische Datenbanken: https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de; „August Merges“,
http://www.linkfang.de/wiki/August_Merges#cn-Bock-7

Heinrich Melzer alias Willi, Fritz Bielefeld (* 1890 – † 1967)

Kesselschmied, Tiefbauarbeiter;
1910-1913, Heizer in der Marine, 1914-1918, Marinesoldat; 1918 Teilnahme an der Hamburger Revolution, 1920 Kommandant der Roten Ruhr-Armee, 1920-1922 Sekretär des SDB (Deutscher Seemannsbund), die Union der deutschen Seeleute, Stettin; 1922-1929 Geschäftsführer der FAUD (Rheinland); 1930-1940 Rechtsvertreter eines Kriegs- und Arbeitsopfer-Verbandes; 1933-1945 Berufsverbot und Verhaftung.
1945 einer der Gründer des Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) für das Mülheimer Stadtgebiet. Als Vertreter der KPD gehörte er vom 3. August bis zum 21. Dezember 1945 dem ernannten Bürgerausschuss der Stadt Mülheim an. Melzer wurde zum Kreisvorsitzenden des DGB gewählt und blieb in diese Funktion bis 1954. Aus „Enttäuschung  über die politisch-gesellschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik“, zog er sich nach seiner
Pensionierung 1954 aus dem politischen Leben zurück. Am 14. März 1972 wurde in Mülheim eine Straße in der Nähe des Rathauses nach ihm benannt (Heinrich-Melzer Str.).

Quellen: Hermann Knüfken, Von Kiel bis Leningrad, BasisDruck, Berlin, 2008, S. 460;

https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Melzer

Karl Matzen

AAUE Groß-Hamburg, danach FAUD. Im Jahre 1926 gründete er mit Otto Reimers*, Karl Roche* und Ernst Fiering* in Hamburg den „Block antiautoritärer Revolutionäre“, bestehend aus Anarchosyndikalisten, Anarchisten, Unionisten und
Individualanarchisten.
Quellen: Karl Matzen: „Ein gelungenes Experiment“, Die Aktion Nr. 4/6, 15. März 1925, S. 160-161;
https://muckracker.files.wordpress.com/2012/06/barrikade-4.pdf.

Zwei Tarifverträge!

Zwei Tarifverträge!

Es soll hier nicht etwa die Frage für oder gegen Tarifverträge zur Debatte gestellt werden, sondern wir wollen nur folgend dem Hinweis in No. 2 des „Pressedienstes“ handeln. Die Monopolvormachtstellung der reformistischen Zentralorganisationen in Deutschland bei Abschlüssen von Tarifverträgen, mit ihren Klasseneinteilungen und Ausschaltungen
der davon betroffenen Arbeiterschaft macht es notwendig, dass wir uns mit dieser Angelegenheit beschäftigen und gebe ich deshalb zur besseren Information, Auszüge aus dem Reichstarif für das Hoch- u. Tiefbaugewerbe in Deutschland und lasse mich dabei von dem Gedanken leiten, das diese Auszüge besser überzeugen, als wie dies mit einer einfachen Beschreibung geschehen kann.
Im Gegensatz zu dem reformistischen Vertrag gebe ich einige Auszüge aus dem Tarifvertrag einer Fachgruppe (syndikalistische Fliesenleger Düsseldorf), die der syndikalistischen Bauarbeiter Föderation Deutschlands angeschlossen ist. Aus der Gegenüberstellung beider Tarifverträge, zeigt sich bei dem letzteren ganz offen der Charakter der Klassenkampforganisation, wo trotz kollektiven Tarif jeder davon betroffene Arbeiter unmittelbarer Träger des Abkommens ist.

Reichstarifvertrag für Hoch-, Beton-, Tiefbauarbeiten
zwischen den Arbeitgeberverbänden des deutschen Reiches
und den Spitzenverbänden der Arbeitnehmer, dem deutschen Baugewerksbund, dem Zentralverband der Zimmerer u. verwandter Berufsgenossen, dem Zentralverband christlicher Bauarbeiter, dem Zentralverband der Maschinisten und Heizer sowie Berufsgenossen
Deutschlands.

Anmerkung zum Geltungsbereich:
In diesem Abschnitt des § 1. Absatz 5, zeigt sich die Monopolstellung der reformistischen Organisationen durch ihre staatliche Anerkennung, aber auch gleichzeitig die völlige Ausschaltung der
Arbeiterschaft selbst, bei der Regelung der Lohn u. Arbeitsbedingungen. Denn durch die staatliche Allgemein-verbindlichkeitserklärung des betreffenden Tarifvertrages, schalten individuell abgeschlossene Arbeitsverträge bei der Betrachtung der
Klagefähigkeit aus, sobald die gegenpartei also der Unternehmer Mitglied der tariftragenden Organisation ist. Der § 5, welcher den Arbeitslohn in Klassen einteilt, kann wegen seiner Länge nur teilweise gegeben werden. So sagt der Abschnitt 2 des § 5: Der Stundenlohn ist unterschiedlich festzusetzen für alle Arbeiter-Gruppen bis zum vollendeten 19. Lebensjahr und über 19 Jahre (Vollarbeiter). Dann staffelt man die Löhne der Facharbeiter vom 16-19. Lebensjahr, und setzt für Hilfsarbeiter in derselben Altersklasse den Lohn um 17% niedriger als wie in den jeweiligen Stufen der Facharbeiter. Die Hilfsarbeiter (Voll- wie jugendliche Arbeiter) teilt man dann wiederum in zwei Klassen und zwar für den Hoch u. Tiefbau, bei letzteren ergibt sich der Unterschied aus der Entlohnung, denn der Tiefbauarbeiter liegt 20-25 % tiefer als der Lohn des Bauarbeiters aus dem Hochbaugewerbe. Platzarbeiter, Wächter u.s.w. stehen in der Entlohnung wiederum unter dem Tiefbauarbeiter.
Der Lohn der Facharbeiter staffelt sich nach den einzeln erfassten Branchen des Hoch u. Tiefbaugewerbes deren Zahl ungefähr 30 beträgt. Diese Löhne staffeln sich wiederum in die meist 5 Ortsklassen der einzelnen Tarifgebiete, die sich in großer Zahl über das gesamte Reichsgebiet verteilen. So das sich eine Klassierung der einzelnen Berufe des Hoch u. Tiefbaugewerbes ergibt, wie sie das ganze Wesen des Reformismus mit sich bringt. Von besonderem
Interesse ist dann noch der § 10 der die Ferien regelt.
Der Abschnitt 1. behandelt die Ferienansprüche der Arbeiter von 3 Tagen im ersten Beschäftigungsjahr bis zu 5 Tagen nach 3-jähriger Tätigkeit bei ein und derselben Firma. Die Voraussetzung auf
Ferienanspruch im Jahre, besteht in einer ununterbrochenen
Zugehörigkeit zu ein und demselben Betrieb von 36 Wochen. Dazu kommen noch allerlei Ergänzungen doch wird auch der Unbefangene sagen, dass die Ferienfestsetzung nur Sand in den
Augen des größten Teils der bauarbeiterschaft ist.
(…)
Anmerkung:
Kameraden, soweit der Reichstarif für das Baugewerbe in Deutschland. Ich glaube treffender keinen Beweis über den wahren Charakter der reformistischen Zentralverbände bringen zu können,
als wie es mit der Übermittlung des Reichstarifvertrages geschehen ist. Das diesen Steigbügelhaltern des Kapitals, diese vortrefflichen Klauselierungen, gerade in der jetzigen Lohnabbauwelle zum Verhängnis geworden sind, trägt nur zur Erhärtung meiner Behauptungen bei.
Das es auch anders geht beweist der Tarif unserer Düsseldorfer Organisation und gewinnt dieser Vertrag doppelt an Bedeutung, da er sich auf den Klassenkampf aufbaut und auch gleichzeitig die
Tarifauffassung der anarcho-syndikalistischen Bauarbeiter
Deutschlands kennzeichnet.

Arbeits-Vertrag:
Lohn und Akkordtarif für das Fliesengewerbe Düsseldorf u. Umgebung.

§ 1 – Vertragsschließende:
Vorliegender vertrag ist abgeschlossen und gegenseitig anerkannt von der Arbeitgeber-Vereinigung angehörenden Plattierungsgeschäften in Düsseldorf u. Umgebung – inkl. Neuss einerseits und der Freien Vereinigung der Fliesenleger, angeschlossen der Freien Arbeiter-Union (Syndikalisten) sowie dem deutschen Baugewerksbund andererseits.
§ 2 – Geltungsbereich:
Dieser Vertrag gilt für alle Arbeitsstätten in Düsseldorf u. Umgebung einschließlich Neuss und für alle auswärtigen Arbeitsstätten, wo von Plattengeschäften oder Unternehmern obengenanter Orte
Plattenarbeiten ausgeführt werden. Der Sitz des Geschäftes ist für die Auslegung und Bezahlung des Tarifes und der Zulagen maßgebend.
§ 3 – Arbeitszeit:
Die Arbeitszeit beträgt 8 Stunden, jedoch ist Samstag um 1 Uhr Schluß. In Zeiten schlechter Konjunktur ist die vorhandene Arbeit, so einzustellen und die Arbeitszeit so zu kürzen, dass alle Leger gleichmäßig Beschäftigung und Verdienst haben. Sollte es dann noch nicht möglich sein, alle Leger zu beschäftigen, dann sind diejenigen Leger auszuschalten, in deren Familie mehrere Personen am Verdienen sind. Ab 1.11.1930 wurde die 5 Tagewoche eingeführt.
§ 4 – Überstunden, Nacht- und Sonntagsarbeit:
Überstunden sowie Nachts- und Sonntagsarbeit und Arbeit an den gesetzlichen Feiertagen sind in besonderen Fällen zu leisten und dürfen nur gefordert werden, wenn durch deren Unterlassung Menschenleben in Gefahr kommen; Verkehrsstörungen eintreten, wenn Schäden durch Naturereignisse zu verhindern oder zu beseitigen sind; ferner bei dringenden Reparatur- und Installationsarbeiten in Theatern, Fabriken und bei ähnlichen Arbeiten. Als Überstunden, Nacht- und Sonntagsarbeit und als Arbeiten an gesetzlichen Feiertagen gelten:

  1. als Nachtarbeit jede Arbeit von abends 8 Uhr bis
    morgens 6 Uhr.
  2. Als Überstunden jede Arbeit in der zeit, die zwischen der Nachtarbeit und der normalen Arbeitszeit liegt.
  3. Als Sonntagsarbeit und Arbeit an gesetzlichen Feiertagen jede Arbeit an diesen Tagen von morgens 5 Uhr bis abends 12 Uhr. Für Überstunden wird ein Zuschlag von 25% gezahlt. Für Arbeit an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen, sowie für Nachtarbeit wird ein Zuschlag von 100% auf die Akkordsatztarife gezahlt.

§ 5 – Lohnabrechnung:
Für die Berechnung des Lohnes ist der Akkordtarif massgebend. Alle Arbeiten, für die in diesem Vertrag Akkordpreise festgelegt sind, werden nur in Akkord ausgeführt. Alle in diesem Tarif nicht
aufgeführten Arbeiten oder neuen Formen, für welche unter Anrufung eine Einigung über den Akkordsatz nicht erzielt wird, werden zum Stundenlohn mit 20% Zuschlag bezahlt.
§ 6 – Lohnzahlung:
Die Lohnzahlung umfasst eine Woche. Die Lohnzahlung findet jeden Freitag vor Feierabend an der Baustelle und wenn dies nicht möglich ist, in den Geschäftsräumen des Arbeitgeber, oder sofern der Arbeitnehmer nicht Nachhause gehen kann, an der Arbeitsstelle, bzw. durch Postsendung Freitagabend statt. Die Lohnperiode schließt Mittwochs. Abschlagszahlungen auf Akkordarbeiten sind an
den Lohntagen in Höhe von ungefähr 90% des verdienten Akkordlohnes zu leisten. Die Anträge auf
Abschlagszahlungen müssen spätestens bis Donnerstag morgens bestellt werden. Das Warten auf Material wird in Stundenlohn gezahlt, wenn der Leger dieses einen halben Tag vorher bestellt hat.
§ 7:
Regelt die in Deutschland üblichen Fragen der Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
§ 8 – Schlichtung und Streitigkeiten:
Streitigkeiten aus diesem Vertrag sind durch die örtlichen Schlichtungskommissionen, bestehend aus drei Arbeitgebern und drei Arbeitnehmern, schleunigst zu schlichten. Die beiderseitigen Vertragsschließenden wählen ihre Mitglieder. Der Vorsitzende wird in jeder Sitzung gewählt. Die Schlichtungskommission hat, wenn eben angängig, innerhalb 24 Stunden, spätestens aber 48 Stunden
zu tagen und sind vor dieser Tagung und während des Verfahrens, Streiks und Aussperrung oder ähnliche Maßnahmen irgendwelcher Art unter keinen Umständen zulässig. Anträge für die Schlichtungskommission sind schriftlich zu stellen an den Obmann
unter genauer Begründung des Streitfalles. Bei allen Streitigkeiten, sind die amtlichen und staatlichen Schlichtungsinstanzen auszuschalten, soweit hierzu kein Zwang besteht.
§ 9 – bringt örtliche Regelung.
§ 10 und 11 – Durchführung des Vertrages:
Alle im nachfolgenden Akkordtarif festgesetzten Preise sind Mindestpreise und dürfen unter keinen Umständen unterboten werden. Alle dem Tarif zuwiderlaufenden Abmachungen (billiger arbeiten sind nach dem Entscheid des Reichsarbeitsgerichtes
ungültig.) Der Stundenlohn beträgt 1,80 Mk. Soweit der Vertrag unserer Düsseldorfer Organisation.
Die Gegenüberstellung des § 8 dieses Vertrages, allein dürfte genügen um die von mir aufgestellte Behauptung gegenüber dem reformistischen vertrag zu rechtfertigen. Ein weiteres eingehen auf
die Gegensätze ist mir wegen des Platzmangels im „Pressedienst“ in dieser Nummer nicht möglich, doch werde ich in einer späteren Ausgabe darauf zurück greifen. Wie es ja auch den Antrag 3 der Madrider Konferenz entspricht. M.
Kasse:
An Beitrag ging von der norwegischen Landesföderation, für die Zeit von 1930-31, der Betrag von 88,37 Kr. ein.

• Presse-Dienst des ISBF, Jahrgang I, Dezember 1931,
Nummer 3 [8 hektografierte A 4 Seiten]

Quelle:https://muckracker.files.wordpress.com/2012/06/barrikade-4.pdf

Carl Windhoff (* 09.11.1872 – † 28.05.1941)

Es gab Zeiten, da wurden über sozialdemokratische
Provinzbürgermeister und Kleinfunktionäre
ganze Biographien geschrieben. Darüber, wie lieb
sie ihre Kinder hatten und darüber, was sie alles
erreichten für das Wohl der Arbeiterschaft – als
Sesselhelden. Ich möchte mich im Folgenden mit
einer kurzen Portraitierung eines tatsächlich bedeutenden
Mannes befassen. Gegen den Strom
schwimmend, persönliche Risiken und Nachteile
eingehend, erreichten er und seine Mitstreiter Au-
ßergewöhnliches. In der bisherigen Literatur zum
Thema syndikalistische Arbeiterbewegung war seine
Person nur am Rande von Bedeutung. Nicht einmal
seine Lebensdaten waren der Recherche wert
und wurden falsch angegeben. (1) Leider ist in den
mir vorliegenden Quellen nicht viel mehr als seine
gewerkschafts-politische Tätigkeit auffindbar, sein
Name omnipräsent, als Redner, Organisator, Agitator,
hoher Funktionär. Privates bleibt außen vor. Ist
die allgemeine Kritik an der Parole „Große Männer
machen Geschichte“ berechtigt, so ist dennoch die
Geschichte der revolutionären Arbeiterbewegung
des Rheinlandes ohne ihn nicht denkbar.
Sozialisierung zum Kampf
Carl Windhoffs Sozialisierung erfolgte in jungen
Jahren unter Einfluß des Sozialistengesetzes. Damit
wurde ihm im Klassenkampf der Einsatz seiner
ganzen Persönlichkeit praktisch in die Wiege gelegt.
Als das „Gesetz gegen die gemeingefährlichen
Bestrebungen der Sozialdemokratie“ 1878 in Kraft
trat, war er fünf Jahre alt. Als es nicht mehr verlängert
wurde, stand er im 17. Lebensjahre. Geboren
wurde Carl Windhoff am 09. November 1872
in Düsseldorf,(2) der Stadt, welcher er sein Leben
lang treu bleiben sollte. Sein Herz schlug seit seinem
14. Lebensjahr für die sozialdemokratische
Arbeiterbewegung, für ihre Zeitungen, Broschüren
und Bücher. Die Tatsache, dass er sich alles selber
erarbeiten musste, sollte sein ganzes Leben prägen.
Sein Bildungsbedürfnis war umfassend. Als junger
Erwachsener las er Edward Bellamy, Leo Tolstoi,
Emile Zola, die volkswirtschaftlichen Schriften von
Peter Kropotkin, aber auch naturwissenschaftliche
Literatur bis hin zu „süddeutschen Bauernromanen“.
Dieser Bildungshunger verhalf ihm zu den
Werten der „gegenseitigen Hilfe“ und der „allgemeinen
Solidarität“.

Organisationsaufbau (1900-1914)
Windhoffs erste gewerkschaftliche Tätigkeiten lassen
sich auf das Jahr 1900 zurückverfolgen, als er
versuchte, seine Fliesenlegerkollegen gegen die
heftigen Widerstände der Kapitalisten zu organisieren.
Fünf Jahre darauf konstituierte sich schließ-
lich die „Vereinigung der Fliesenleger Düsseldorfs
und Umgebung“. In dieser Berufssparte war der
Konkurrenzdruck durch die Zentralverbände der
Bauberufe noch unwesentlich, und das Organisationsvakuum
wurde redlich genutzt: Für die Region
sollte diese gewerkschaftliche Pionierarbeit für
Jahrzehnte große Bedeutung innerhalb der gesamten
Baubranche erlangen. Die Fliesenleger waren
äußerst fleißige und selbstdisziplinierte Arbeiter
mit guten Arbeitszeugnissen und vergleichsweise
hohen Erwartungen an andere und sich selbst, was
den Einsatz innerhalb und außerhalb der Betriebe
anbelangte. Windhoff wurde zur Zielscheibe der
Kapitalisten. Wurde er ausgesperrt, litt die Rentabilität
des Unternehmens. Doch wollte das hohe Maß
an Arbeitskraft auch teuer verkauft werden. Da er
lernte, sich durchzubeißen und – mit dem Ziel einer
freien und gerechten Gesellschaftsordnung – für die
Rechte der Arbeiterschaft zu kämpfen, war es ihm
trotz großer materieller Not in der eigenen Familie
unangenehm,(3) die Unterstützung seiner Kollegen
anzunehmen. Die Vereinigung der Fliesenleger erreichte
ihre Etappenziele:
„Wir waren die erste Organisation in Deutschland,
welche unseren Kollegen vom Jahre 1923 ab
6 Tage Ferien bei vollem Lohn sicherte, was dann
vielfach Nachahmung fand.“(4) Hierin lag der
Grundstein für die jahrzehntelange Treue ihrer
Mitglieder bis in die Zeit des Hitlerfaschismus
hinein. Reichsweit schlossen sie sich der „Freien
Vereinigung deutscher Gewerkschaften“ (FVDG)
an. Das war die lokalistische Strömung innerhalb
der sozialdemokratischen Gewerkschaftsbewegung,
welche sich nicht der zentralistisch aufgebauten
„Generalkommission der Gewerkschaften
Deutschlands“ unterordnen wollte und deshalb
im Jahre 1908 aus der sozialdemokratischen Partei
ausgeschlossen wurde, bzw. austrat. In den
Jahren zuvor widerstanden sie den zahlreichen
und lukrativen Abwerbungsversuchen seitens der
Funktionäre der nun mit ihnen konkurrierenden
zentralgewerkschaftlichen Verbände. Diese waren
zentralistisch aufgebaut und ihre Mitglieder in
autoritärem Geiste erzogen. Sie schlossen schnell
ihren Frieden mit dem Klassengegner und militaristisch
gesinnt im Hurrapatriotismus angekommen
zum 1. Weltkrieg ihren Burgfrieden mit dem Kaiserreich.
In den lokalorganisierten Gewerkschaften
der FVDG hingegen verblieben bis 1914 reichsweit
nur etwa 8.000 Mitglieder, die einen konsequenten
Antimilitarismus vertraten und den diktatorischen
Verhältnissen der Kriegszeit ausgesetzt blieben.
Für sie wurde der Begriff „Syndikalisten“ gefunden,
da der französische Syndikalismus mit seinem
Modell der „Arbeiterbörsen“ großen Einfluß hatte.
Daneben wirkten auch anarchistische Ideengänge
impulsgebend auf die Bewegung ein, sodaß sich
für die 1920er Jahre der Begriff „Anarcho-Syndikalismus“
etablieren sollte. Zusammen mit Fritz Kater
und Karl Roche nahm Windhoff im Jahre 1913
am Ersten internationalen Syndikalistenkongreß in
London teil.(5)
Weltkrieg und Revolution (1914-1919)
In der Kriegszeit lag die Bewegung weitgehend
brach, beschränkte sich auf die Aufrechterhaltung
der Organisation und auf die Unterstützung Versehrter
und Hinterbliebener. Nach dem Verbot ihrer
Organe zu Kriegsbegin brachte die FVDG zwei
interne Periodika heraus, deren Erscheinen in den
Jahren 1915 und 1917 ebenfalls polizeilich untersagt
wurde. Zu einem nicht geringen Teil bestanden diese
aus Todesanzeigen. Nach Kriegsende wandten
sich die Syndikalisten gegen den politischen und
putschistischen Charakter der deutschen Revolution
von 1918/19 und erinnerten daran, „sich mehr
um die wirtschaftliche Macht zu bemühen und die
Fabriken unter die Herrschaft der Arbeiterschaft zu
bringen.“ (6)
Aufstieg zur Massenbewegung (1919)
Die Repression beschränkte sich keinesfalls auf die
Zeiten diktatorischer Verhältnisse. Der Terror gegen
die Lokalorganisierten bestand auch nach 1918/19
weiter und ging wesentlich von den reaktionären
Zentralverbänden aus, welche im Verein mit Kapitalisten
und der Staatsmacht die Syndikalisten aus
den Betrieben drängten: Wenn der Unternehmer
nicht wollte, sogar mittels Streiks gegen die eigenen
Kollegen! Dagegen waren nur sehr gefestigte
Vereinigungen der Syndikalisten gefeit, die aus
den besten Kämpfern der alten Arbeiterbewegung
bestanden. Die Fliesenleger Düsseldorfs wehrten
sich nicht nur erfolgreich. Es gelang ihnen, durch
enorme Fleißarbeit und diplomatische Fähigkeiten,
große Teile der von den Zentralverbänden enttäuschten
revolutionären Arbeiterschaft des Rheinlandes
und Ruhrgebietes zu sammeln und ab September
1919 zu Zehntausenden, nämlich aus der
„Allgemeinen Bergarbeiter Union“ (Gelsenkirchen),
sowie der Essener und Düsseldorfer „Allgemeinen
Arbeiter-Union“, organisatorisch als „Freie ArbeiterUnion
Deutschlands“ (FAUD) zusammenzufassen.
Damit füllten sie ein Organisationsvakuum, bevor
als weitere Konkurrenz bei diesen Organisationen
die Kommunisten zum Zuge kamen. (7)
Rudolf Rocker erinnerte sich: „In ihren Interessen
standen uns die Organisationen sehr nah, obgleich
sie mit unseren Grundsätzen nur oberflächlich bekannt
waren. Es lohnte sich daher schon, mit ihnen
eine Einigung zu erzielen. Das war allerdings keine
leichte Aufgabe. (…) Unter den Wortführern gab es
manche, mit denen die Verhandlungen schwerer
waren; die meisten von ihnen (…) verfügten hauptsächlich
nur über eine Vielzahl leerer Schlagworte,
die sie meist bei den Kommunisten aufgelesen
hatten. Dass es trotzdem möglich war, mit jenen
Organisationen zu einem Einverständnis zu gelangen,
war hauptsächlich das Verdienst des Genossen
Carl Windhoff in Düsseldorf gewesen, dessen unverdrossene
Arbeit schließlich ein Werk zustande
brachte, das anderen wohl kaum gelungen wäre.
(…) Obgleich er den Führern der Zentralverbände
im großen Industriegebiet stets ein Dorn im Auge
war, erfreute er sich unter den Arbeitern eines
ausgezeichneten Rufes. Die makellose Ehrlichkeit
seiner Gesinnung und seine Bereitschaft, sich für
die Rechte anderer mit seiner ganzen Person einzusetzen,
nötigten sogar seinen bittersten Gegnern
Achtung ab. (…) Seine zähe Beharrlichkeit erzielte
denn auch einen vollständigen Erfolg. Am 15. und
16. September 1919 fand in Düsseldorf eine ge-

meinsame Konferenz statt, die von 105 Delegierten
besucht war. (…) nach langen Verhandlungen
kam die Verschmelzung zustande, und zwar auf
Grund der Richtlinien, welche die FVDG auf ihren
Kongressen 1906 und 1910 angenommen hatte. Die
Konferenz faßte auch den Beschluß, den beteiligten
Organisationen vorzuschlagen, ihre bisherigen Namen
aufzugeben und sich fortan als „Freie ArbeiterUnion
Deutschlands“ (Syndikalisten) zu betätigen.
Dieser Beschluß wurde auch auf dem 12. Kongress
der FVDG in Berlin im Dezember desselben Jahres
mit großer Mehrheit angenommen. Dadurch hatte
sich die syndikalistische Bewegung Deutschlands
mit einem Schlage verdoppelt und erreichte einen
Mitgliederbestand von 120.000.“(8)
Allein in Düsseldorf waren im Jahre 1919 organisiert:

Alle Berufe und Bauberufe: 800 Mitglieder
Kommunalarbeiter: 4.000
Metallarbeiter: 11.400
• Zusammen: 16.200 (9)
Erfolge (die 1920er Jahre)
Als eine der wenigen syndikalistischen Vereinigungen
gelang es den Fliesenlegern, eigene Tarifverträge
abzuschließen und einflussreiche Betriebsräte
zu stellen.(10) In einer Rede auf dem 18.
Kongress der FAUD im Jahre 1930 konnte Windhoff
berichten:
„Wir haben in verschiedenen rheinischen Orten
Löhne erreicht, die um 30 bis 35 % höher sind als
in den übrigen Orten. (…) Wir haben erreicht, dass
wir darüber bestimmen, wer eingestellt und wer
entlassen wird. (…) Wir haben die Zentralgewerkschaft
genötigt, unsere Abmachungen mit zu unterschreiben.
Wir haben die staatlichen Schlichter
ausgeschaltet. Wir haben die schriftliche Bestimmung
durchgesetzt: ‚Für alle Streitigkeiten sind
die amtlichen und staatlichen Schlichtungsstellen
auszuschalten, soweit dazu nicht ein gesetzlicher
Zwang besteht.’ (…) Wir haben in verschiedenen
Verträgen durchgesetzt, dass nur Mitglieder unserer
Fliesenleger-Organisation eingestellt werden.
Wir arbeiten täglich nur 7 ½ Stunden [1906
waren in der Baubranche noch 10 Stunden üblich]
(11) und am Sonnabend Nachmittag gar nicht. Bei
schlechter Konjunktur bestimmen wir, dass die Arbeitszeit
weiter so verkürzt wird, dass keiner entlassen
zu werden braucht. In der Zeit der jetzigen
Massenarbeitslosigkeit ist die radikale Verkürzung
der Arbeitszeit eine Notwendigkeit, für die alle Arbeiter
und auch viele kleinbürgerliche Schichten
Verständnis haben. Wir arbeiten jetzt an der Durchsetzung
der fünftägigen Arbeitswoche.“(12)
Carl Windhoff war der Motor der Bewegung, vertreten
auf zahlreichen Treffen, versehen mit vielen
Funktionen und Verfasser vieler Artikel in der breit
gefächerten Arbeiterpresse. Der FAUD auf Reichsebene
war er eine unverzichtbare Stütze. Nicht
zuletzt wehrte sich Carl Windhoff mit Vehemenz
gegen interne Angriffe zersetzender Protagonisten
(Rudolf Östreich und Carl Langer) auf die syndikalistische
Organisation ab.(13)
Die Fliesenlegervereinigung führte in den 1920er
Jahren mehrere erfolgreiche Streiks durch und
konnte dem Unternehmertum deutlich mehr Zugeständnisse
abtrotzen als die Bauarbeiter außerhalb
Düsseldorfs. Zwar gehörten die Fliesenleger damit
zu den am besten bezahlten Bauarbeitergruppen.
Dennoch drückte sich Windhoff dahingehend aus,
dass sie nicht eher ruhen würden, bis nicht alle Kollegen
soviel Lohn erhielten, wie die Minister. (14)
Neben den Streiks kam es zu Sabotageaktionen,
wie sie der Kollege E. Wüsthoff als Zeitzeuge kurz
beschrieb: „Wir hatten immer so einen kleinen Fäustel
dabei, den musste man immer am Schnittpunkt
von vier Fliesen treffen, dann waren mit einem
Schlag gleich vier kaputt.“ (15)
Der regionale Einfluß der syndikalistischen Fliesenleger,
welche sogar ein eigenes Mitteilungsblatt
herausgaben, war so groß, dass es im Jahre 1925
zur Gründung einer „Interessengemeinschaft aller
organisierten Fliesenleger in Rheinland und Westfalen“
kam, welcher auch Mitglieder der Christlichen-
und Zentralgewerkschaften angehörten.
Diese Interessengemeinschaft war nötig, um gegen
das Anwerben kostengünstigerer Arbeiter von
auswärts geschlossen vorgehen zu können und effektiver
gegen Streikbrecher vorzugehen.(16) Aufgrund
seiner starken Stellung überstand Windhoff
die Jahre bis 1930 offenbar ohne lange Phasen der
Arbeitslosigkeit. (17)
Eine eigene Düsseldorfer Fliesenlegerjugend
wurde gegründet, und diese trug im Wesentlichen
zur Stabilisierung der syndikalistischen Jugendbewegung
in der Region bei. (18) Nirgendwo anders
in Deutschland ist die Gründung einer nach
Beruf organisierten syndikalistischen Jugendorganisation
bekannt geworden, das schafften nur die
Fliesenleger:
„In zünftiger Tradition wurden hier die Jungen
von den älteren Arbeitern (meist den Vätern) selbst
eingearbeitet und angelernt. Die erwachsenen Arbeiter
kontrollierten damit streng die Einstellung
künftiger Gesellen, im doppelten Sinn: Sowohl die
Zahl, als auch die Gesinnung. Die Bauunternehmer
waren dabei ganz ausgeschaltet, was für die
Jugendlichen hieß, dass ihr Gegenüber zunächst
vor allem die proletarischen – Alten – selbst waren.“
(19)
Zäher Kampf (1930-1933)
Im Jahre 1930 bestanden in Düsseldorf noch Ortsvereine
der:
Bauarbeiter: 80 Mitglieder
Fliesenleger: 85
(von insgesamt etwa 120 in der Stadt)(20)
Metallarbeiter: 69
• Zusammen: 234 Mitglieder(21)
Mit der Weltwirtschaftskrise im Jahre 1929 verschärfte
sich die Arbeitslosigkeit und nahm in den
Reihen der Syndikalisten hohe Ausmaße an. Nach
Angaben Carl Windhoffs lag das zum großen Teil
auch daran, dass die von den Syndikalisten nach
verbindlichem Reichskongressbeschluß aufgegebenen
lokalen Betriebsratsposten nun von Zentralgewerkschaftern
übernommen wurden, welche
keine Zustimmung zur Einstellung von Syndikalisten
gaben.
Nach siebenjähriger Tätigkeit bei der Firma „Osterather
Plattenlager“ wurde Carl Windhoff im
Jahre 1930 entlassen und klagte dagegen vor dem
Arbeitsgericht Düsseldorf auf Entschädigung. Den
Grund der Entlassung sah er darin, dass er in allen
Jahren Mitglied der Lohn- und Schlichtungskommission
und „an allen Verhandlungen beteiligt“ gewesen ist, welche sich in solidarischer Weise
um alle Kollegen kümmerte, sie vor Entlassungen
schützen wollte.(22) Vom Präsidium des Landesarbeitsamtes
Köln erhielt er im November 1932 die
Drohung mit sechs Monaten Gefängnis, sollte er
sich weiterhin für das „Krümpersystem“ einsetzen,
welches vorsah, die Erwerbslosen abwechselnd zu
beschäftigen. (23)
Dennoch waren die Syndikalisten nicht kleinzukriegen:
Unter ihrem Druck und ihrer Führung traten
mit ihnen in Düsseldorf noch im Oktober 1932
der Baugewerksbund und die „Christliche Baugewerkschaft“
in den Streik. (24)
Nazizeit (1933-1937)
Den Aussagen Windhoffs beim Polizeiverhör von
1937 zufolge beschloss die Vereinigung der Fliesenleger
ihre Auflösung bereits im Dezember 1932, um
der „neu aufzubauenden nationalsozialistischen
Bauarbeiter-Organisation beizutreten.“ Die Auflö-
sung zum 1. April 1933 sei schon im Januar desselben
Jahres beschlossen und Windhoff mit der
geschäftlichen und formalen Liquidierung beauftragt
worden. Damit wandte er sich gegen die polizeiliche
Ansicht, dass die Fliesenlegerorganisation
durch die Staatsmacht aufgelöst worden sei, um
ihrer Einschätzung als „gefährlich“ entgegenzutreten.
(25) Mit dieser Aussage wollte er die Kollegen
schützen, und wahrscheinlich dachten die Fliesenleger
in vollem Vertrauen auf ihre eigene Überzeugung
und Leistungsfähigkeit (!) tatsächlich daran,
ihren betrieblichen Einfluß in die Nazizeit herüberzuretten,
sich illegal zu organisieren.
Windhoff zahlte die restlichen Gelder für die
Fliesenleger Düsseldorfs an die FAUD und wurde
zu Beginn des Jahres 1933 wegen „Beleidigung“ gerichtlich
verurteilt. (26) Im Sommer 1933 kam es bei
ihm in der Grafenberger Allee 257 zur ersten Hausdurchsuchung
und Verhaftung durch die Polizei.
Er solle Gelder der „Deutschen Arbeitsfront“ unterschlagen
haben. Im Oktober 1934 stand die SA bei
ihm in der Wohnung – über sieben Stunden lang.
Noch im gleichen Jahr folgten eine weitere Durchsuchung
und eine Woche später seine Verhaftung.
Bis März 1937 fanden insgesamt sieben Haussuchungen
bei Windhoff statt. Die gesuchten illegalen
Schriften wurden jedoch nicht gefunden. Am
23. Februar 1937 erfolgte eine erneute Verhaftung
des nunmehr 64-jährigen und seiner Frau durch
die Gestapo. Er sei „geistiger Kopf der Fliesenleger
von Rheinland und Westfalen“ und wurde wegen
„Vorbereitung zum Hochverrat“ angeklagt. Er solle
die Fliesenlegerorganisation „im geheimen“ weitergeführt,
Versammlungen durchgeführt, Gelder
weitergeleitet, an „den Baustellen zu Gewaltakten
gegen die Unternehmer aufgefordert“ und schließ-
lich einen Streik in Lippstadt inszeniert haben. (27)
Dafür wurde Carl Windhoff zu drei Jahren Zuchthaus
verurteilt.
Tod
Der Mitangeklagte Ernst Binder erinnerte sich
im Jahre 1948: „Windhoff war noch während der
Dauer des Prozesses im Vollbesitz seiner geistigen
Kräfte und führte seine Verteidigung selbst. In der
Strafanstalt Lüttringhausen setzte, wahrscheinlich
schon als Folge der langen Untersuchungshaft,
ein schneller gesundheitlicher Verfall ein. Meines
Wissens erlitt er mehrmals einen Gehirnschlag und
wurde zur Beobachtung in das Lazarett der Strafanstalt
Klingelpütz in Köln überführt. Als er von
dort aus wieder nach Lüttringhausen überführt
wurde, war W[indhoff] in einem körperlichen und
geistigen Verfallszustand, dass er alsbald, noch vor
Beendigung seiner Haftzeit, entlassen wurde. Carl
Windhoff hat sich auch zuhause nicht mehr erholt
und starb, offensichtlich an den Folgen der Haft,
am 28. Mai 1941.“ (28)
International
Carl Windhoff war aktiv in der „Internationalen
syndikalistischen Bauarbeiter-Föderation“, dem
branchenspezifischen Pendant zur „Internationalen
Arbeiter-Assoziation“ (IAA). Als Funktionär und
Delegierter referierte er im Jahre 1931 auf dem 4.
IAA-Kongress in Madrid. (29) Diese Internationale
Bauarbeiter-Föderation blieb die einzige in Ansätzen
funktionierende syndikalistische Brancheninternationale
und gab in den Jahren 1931/32 mit dem
„Presse-Dienst“ ein eigenes Organ heraus. (30)
Schlußwort
Aufgrund seiner Biographie war Carl Windhoff so
überzeugt von der gerechten Sache seiner Tätigkeit
und seiner eigenen Überzeugungskraft, dass er sogar
mit seinen Aussagen in den Verhören durch die
Nazis, „auf Verständnis für seine gewerkschaftliche
Tätigkeit rechnete, wo er sich nach Lage der Dinge
sagen musste, dass hier absolut kein Verständnis
zu erwarten war,“ so Ernst Binder im Jahre 1947.
(31) Carl Windhoff gehörte zu den bedeutendsten
Syndikalisten der 1920/30er Jahre in Deutschland.
Seine Persönlichkeit ist beispielgebend für die heutige
Zeit.
• Helge Döhring
(Institut für Syndikalismusforschung, Bremen)

Carl Windhoff zum 60. Geburtstage.

Unser Genosse Carl Windhoff-Düsseldorf wird am
9. November 60 Jahre alt. Sein Name und sein
Wirken sind mit der Geschichte der deutschen
anarcho-syndikalistischen Bewegung untrennbar
verknüpft. Ein großer Teil seines Lebens war dem
Kampfe gegen Staat und Kapital, gegen Vorurteile
und Feigheit seiner Klassengenossen gewidmet.
Auch heute wieder zu seinem 60. Geburtstage
steht er inmitten eines Streikes. Seine Arbeit
und seine Treue zur Sache des revolutionären
Anarcho-Syndikalismus sollen uns Jüngeren ein
Beispiel sein. Die FAUD übermittelt ihrem alten,
aber innerlich jungen Genossen Carl Windhoff
die besten Grüße und Wünsche für die Zukunft
und für weiteres Wirken im Sinne des AnarchoSyndikalismus.
• Die Geschäftskommission. Reinhold Busch“ (25)

Anmerkungen:

(1) Demnach habe er von 1882 bis 1940 gelebt.
(2) Vgl.: Bundesarchiv, R 58-318, Bl. 163.
(3) Seit 1917 lebte er in zweiter Ehe mit Käthe Windhoff zusammen.
(4) Alle Angaben nach: IISG, Rocker Papers, Nr. 606.
(5) Vgl.: „Der Syndikalist”, Nr. 2/1931. Vor dem Krieg wohnte Windhoff in der Bruchstrasse 95 in Grafenberg, vgl.: Protokoll
Fliesenlegerkongress 1906.
(6) Protokoll über die Verhandlungen des 18. Kongresses der Freien
Arbeiter-Union Deutschlands, S. 64.
(7) Vgl.: IISG, Rocker Papers, Nr. 606.
(8) Rudolf Rocker: Aus den Memoiren eines deutschen Anarchisten, S. 300 f.
(9) Vgl.: Protokoll über die Verhandlungen vom 12. Kongress der Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften, Präsenzliste.
(10) Die Tarifverträge waren gekennzeichnet durch eine kurze Laufzeit, während der Revolutionszeit um 1918/19 hatten sie
teilweise eine Kündigungsfrist von nur 24 Stunden, vgl.: Ulrich Klan/Dieter Nelles: „Es lebt noch eine Flamme“…, S. 144.
(11) Vgl.: Vereinigung der Fliesenleger Deutschlands: Protokoll über die Verhandlungen der V. Konferenz.

(12) Protokoll über die Verhandlungen des 18. Kongresses der Freien
Arbeiter-Union Deutschlands, S. 65.
(13) Vgl.: „Der Syndikalist“, Nr. 52/1921.
(14) Vgl.: „Der syndikalistische Bauarbeiter“, Nr. 3/1929, zit.n. Ulrich Klan/ Dieter Nelles: „Es lebt noch eine Flamme“…, S. 168.
(15) Ulrich Klan/Dieter Nelles: „Es lebt noch eine Flamme“…, S. 146.
(16) Das Regulativ der Interessengemeinschaft findet sich neu abgedruckt in: Ulrich Klan/Dieter Nelles: „Es lebt noch eine
Flamme“…, S. 144 f.
(17) Vgl.: IISG, Rocker Papers, Nr. 606.
(18) Vgl.: IISG, Rocker Papers, Nr. 606.
(19) Ulrich Klan/Dieter Nelles: „Es lebt noch eine Flamme“…, S. 201.
(20) Vgl.: Ebd., S. 145.
(21) Protokoll über die Verhandlungen des 18. Kongresses der Freien
Arbeiter-Union Deutschlands, Präsenzliste.
(22) Vgl.: „Der Syndikalist“, Nr. 15/1932.
(23) Vgl.: IISG, Rocker Papers, Nr. 606.
(24) Vgl.: „Der Syndikalist“, Nr. 47/1932. Siehe auch: „Presse-Dienst“ der „Internationalen Syndikalistischen Bauarbeiter Föderation“, November 1932

Quelle: https://muckracker.files.wordpress.com/2012/06/barrikade-5.pdf (Stand: 21.01.2020)

Hartz IV: Hungertod durch Leistungsentzug (3)

http://media.de.indymedia.org/images/2007/06/186459.jpgRund zwei Monate nach dem Tod eines Jugendlichen in Speyer, der verhungern musste, weil ihm die Behörden durch Sanktionen sämtliche Sozialleistungen versagt hatten (WCN berichtete), hat die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion der Partei Die Linke eingeräumt, die Streichmaßnahmen der örtlichen GfA wären „rechtsfehlerhaft“ gewesen. Konsequenzen, um etwaige zukünftige Todesfälle zu vermeiden, will man aber offenbar nicht daraus ziehen.

Das rheinland-pfälzische Sozialministerium hatte zuvor ein Verschulden der örtlichen Behörden ausgeschlossen. Die Bundesregierung sieht auch keinen Anlass, der ebenfalls durch Unterernährung betroffenen Mutter des Verstorbenen mit Entschädigungsleistungen für den rechtswidrigen Verwaltungsakt entgegenzukommen.

Während auf dem Friedhof von Speyer, Parzelle 8, ein sogenanntes „Armengrab“ wo der 20-jährige André Kirsch seine letzte Ruhe gefunden hat, ein niedergelegter Kranz verspricht: „Wir werden Dich nie vergessen„, nehmen die Medien längst keine Notiz mehr von der skandalösen Tragödie. Nur dem regionalen SWR war das parlamentarische Nachspiel noch ein paar pflichtgemäße Zeilen wert, in den Internetforen von Arbeitsloseninitiativen wird das Thema dagegen heftig diskutiert, die Klagen über ungerechtfertigte Behördenentscheidungen nehmen sprunghaft zu.

Im vorliegenden Fall hatte offenbar ein Sachbearbeiter entweder durch Unkenntnis der Gesetzeslage oder durch Willkür die verhängnisvolle Katastrophe ausgelöst: Bei den festgestellten drei Meldeversäumnissen hätte die Kürzung der Leistung gleich welchen Alters nur jeweils 10% pro Aufforderung betragen dürfen, eine Streichung war somit ungerechtfertigt, den Betroffenen hätten weiterhin ca. 200 Euro pro Monat zugestanden.

Der komplette Leistungsentzug ist jedoch bei „schwereren Vergehen“ wie z. B. Nichtannahme einer zumutbaren Arbeit oder die Verweigerung einer Fortbildungsmaßnahme gängige Praxis und wird von den ARGEN meist auch gnadenlos durchgezogen. Schon bei einer erstmaligen Pflichtverletzung dieser Art erhalten unter 25jährige Erwachsene für mindestens 3 Monate keine Geldleistungen mehr und werden die Leistungen des ALG II auf die Übernahme der Unterkunfts- und Heizkosten beschränkt.

Kommt noch eine zweite Pflichtverletzung hinzu, fallen alle Leistungen vollständig weg. Im ersten Fall kann der Leistungsträger Lebensmittelgutscheine in Höhe von 39% der Regelleistung ausgeben, muss es aber nicht, wenn der Betreffende kein Wohlverhalten an den Tag legt.

Treffen andauernder Behördendruck und eine zunehmend beobachtbare Lethargie bei Langzeitarbeitslosen zusammen, haben Menschen, die zu Depressionen neigen und über keine nennenswerte sozialen Kontakte mehr verfügen, schnell ein erhöhtes Mortalitätsrisiko. Der bürokratische Verwaltungsapparat ist nicht in der Lage zu erkennen, ob nun ein gesunder Trotz zur Verweigerung führt oder eine mögliche Arbeitsunfähigkeit wegen einer psychischen Erkrankung vorliegt.

Gerade auch von linker Seite kommt des öfteren der Einwand: Muss der Staat sich denn um alles kümmern, ist das nicht vielmehr eine Tragödie die sich nun mal nicht verhindern lässt ? Nun, die „Fürsorgepflicht“ des Staates geht bei Verdachtsfällen von Leistungsmißbrauch immerhin so weit, dass Nachbarn ausgefragt werden und sogar in der Schmutzwäsche von Betroffenen nach Spuren eines eheähnlichen Zusammenlebens gesucht wird. Auf der anderen Seite, wenn Leistungen gekürzt oder eingestellt werden, kümmert sich die verantwortliche Behörde nicht weiter um die Folgen solcher Zwangsrationierungen.

Würde der Gesetzgeber hingegen auf die Umsetzung besonders harter Sanktionsmaßnahmen (sanctus = heilig, fromm, vollkommen !?) verzichten, wäre der Burgfrieden in diesem „Sozialstaat“ zwar auch noch nicht wiederhergestellt, trotzdem – wie auch der Sozialexperte der Partei DIE LINKE, Ulrich Maurer feststellte – unter der alten gesetzlichen Regelung wäre dieser Mensch wahrscheinlich nicht zu Tode gekommen.

Aber wie die verhärteten Fronten in unserer Gesellschaft nun mal so sind: Die Stadtverwaltung von Speyer will ein geplantes Mahnmal für den Toten nicht zulassen. Begründung: Dadurch würde das Stadtbild beeinträchtigt und öffentliche Anpflanzungen beschädigt.

Quellen:
Verhungerter hätte Hartz IV bekommen müssen (SWR, 15.06.2007)
Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE: Hungertod eines Hartz-IV-Empfängers und Verantwortung des Gesetzgebers (Drucksache 16/5393, 06.06.2007)
Mann verhungert: Amt räumt Fehler ein
(Pressemitteilung DIE LINKE im Bundestag, Ulrich Maurer, 15.06.2007)
Kein Kranz, kein Blumenstrauß …
(speyer-aktuell.de, mit Forum, April 2007)
Hunger! – Eine hausgemachte Tragödie deutscher Sozialpolitik
(Linke Zeitung, 24.06.2007)
Hungertod: Chronologische Artikelübersicht
(Bürgerinitiative „MALZ für ein soziales Minden“)
Sanktionskatalog ALG II
(ausführlich, mit Beispielen, tacheles-sozialhilfe.de, März 2007)
Tacheles – TV : GfA diskriminiert kranke Mitmenschen (Videos, toky.it,)

Eigene Berichte:
Hartz IV: Hungertod durch Leistungsentzug (1) (WCN, 19.04.2007)
Hartz IV: Hungertod durch Leistungsentzug (2) (WCN, 27.04.2007)

Hartz IV: Hungertod durch Leistungsentzug (2)

Rund eine Woche, nachdem bekannt wurde, dass in Speyer ein 20-jähriger Hartz IV-Empfänger an Unterernährung starb, weil ihm von den Behörden alle Sozialleistungen gestrichen wurden (World.Content.News berichtete), fanden letzten Donnerstag Mahnwachen und eine Kundgebung statt. Die örtliche Staatsanwaltschaft hat inzwischen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, nicht etwa gegen die Behörden – sondern gegen die Mutter des Toten, die immer noch im Krankenhaus liegt. Es wird gegen sie wegen unterlassener Hilfeleistung ermittelt. Das Grundgesetz mit der Garantie der Menschenwürde und das darin verankerte Sozialstaatsprinzip bleiben derweil rechts liegen.

Hierzu der Wortlaut des bisher einzigen Presseberichtes:

Mannheimer Morgen vom 27.04.07

Staatsanwälte ermitteln gegen Mutter des Verhungerten

Mahnwache für den toten Speyerer in Ludwigshafen / Behörde untersucht Verdacht der „Tötung durch Unterlassung“

Von Andreas Dauth und Martin Geiger

Ludwigshafen/Speyer. Wut, Trauer und Protest bestimmen die Stimmung. Laute Buhrufe und gellende Pfiffe verleihen ihr Ausdruck: Vor der Gesellschaft für Arbeitsmarktintegration (GfA) in der Ludwigshafener Kaiser-Wilhelm-Straße kam es gestern zu einer Mahnwache mit anschließender Kundgebung. Dazu aufgerufen hatte der Verein Soziales Netzwerk Deutschland. Der Anlass war der Tod des 20-jährigen Arbeitslosen, der vor zwei Wochen in seiner Wohnung in Speyer verhungerte. Gegen dessen Mutter läuft derweil ein Ermittlungsverfahren.

Rund 30 Betroffene und Aktive der Montagsdemonstrationen Mannheim, Heidelberg und Ludwigshafen beteiligen sich an der Mahnwache, die ebenso wie die Kundgebung friedlich verläuft. Jobsuchende auf dem Weg zur GfA bleiben immer wieder an den Ständen stehen und hören den Rednern zu. Diese bekräftigen ihre Entschlossenheit, Hartz IV zu bekämpfen und erklären sich zur Solidarität mit den Gewerkschaften bereit. Einig ist man sich darin, dass in einem der reichsten Staaten der Welt kein Mensch verhungern dürfe: Ein Vorwurf, der in Richtung GfA geht, die dem Speyerer und seiner Mutter die Fördergelder strich, nachdem beide mehrere Termine platzen ließen.

Von Seiten der Staatsanwaltschaft wird der Behörde indes nichts vorgeworfen. Es wird nur gegen eine Person ermittelt, erklären die zuständigen Beamten in Frankenthal, und das sei die 48-jährige Mutter des Verstorbenen. „Tötung durch Unterlassung“ lautet der Verdacht, erläutert der Leitende Oberstaatsanwalt Lothar Liebig und fügt hinzu: „Der Frau kann allerdings nur ein Vorwurf gemacht werden, wenn sie selbst in der Lage gewesen wäre, lebensrettend einzugreifen, und zwar in dem Moment, in dem der Sohn nicht mehr Herr seiner Entscheidungen war.“

Ob die selbst stark unterernährte Frau dazu noch in der Lage war, muss ein ärztliches Gutachten über ihre Verfassung klären. „Das ist die entscheidende Weichenstellung“, so Liebig. Sollten die Mediziner zu der Einschätzung kommen, dass die 48-Jährige nicht fähig war, ihrem Sohn zu helfen, könnte es zu einer Einstellung des Verfahrens kommen. Im anderen Fall droht ihr eine Anklageerhebung wegen fahrlässiger oder vorsätzlicher Tötung. Für Ersteres sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe vor. Ein Vorsatz würde das Höchststrafmaß auf 15 Jahre erhöhen.

Entscheiden wird sich dies allerdings erst in mehreren Wochen nach Ende der Ermittlungen und nach „sorgfältiger Überprüfung der Gesamtsituation“, wie Liebig betont. Derzeit könne die Betroffene selbst nicht vernommen werden, weil ihr Gesundheitszustand dies nicht zulasse. Frühestens in zwei Wochen sei damit zu rechnen.

Derweil befindet sich die Frau nach wie vor in einer Klinik. „Sie ist noch nicht in der Lage zurückzukehren“, berichtet eine Sprecherin der Stadt Speyer. Man stünde jedoch mit den Ärzten in Kontakt, um das gegebene Versprechen erfüllen zu können: Nach ihrer Entlassung dafür zu sorgen, dass sie eine neue Wohnung bekommt.

Related News:
Kritik an Behörden nach Hungertod in Speyer
(Evangelischer Pressedienst, 27.04.2007)
Von Arbeit muss man leben können und ohne Arbeit auch
(PR-SOZIAL, 25.04.2007)
Montagsdemos: „Hier stimmt was nicht mit dem ganzen System!“
(Rote Fahne News, 24.04.2007)
Hartz IV – Die hungernden Kinder der Koalitionspolitik
(Sozialticker, 24.04.2007)

Siehe auch :
Hartz IV: Hungertod durch Leistungsentzug (1) (WCN, 19.04.2007)
Hartz IV: Hungertod durch Leistungsentzug (2) (WCN, 27.04.2007)
Hartz IV: Hungertod durch Leistungsentzug (3) (WCN, 27.06.2007)

Hartz IV: Hungertod durch Leistungsentzug

Wer arbeitet, soll etwas zu essen haben, wer nicht arbeitet, braucht nichts zu essen.“ Dieses furchtbare Zitat von Franz Müntefering, gefallen im Mai letzen Jahres auf einer SPD-Fraktionssitzung im Zusammenhang mit dem Hartz-IV-Fortentwicklungsgesetz, hat jetzt offiziell ein erstes Todesopfer nach sich gezogen: Ein 20-jähriger Jugendlicher aus dem pfälzischen Speyer starb an Unterernährung, weil ihm die Behörden wegen „Pflichtverletzungen“ sämtliche sozialen Leistungen entzogen hatten.

Der junge Mann hatte sein Leben noch vor sich, doch die Behördenbürokratie hat mit ihren brutalen Sanktionsmaßnahmen erreicht, was laut Grundgesetz und allen zivilisatorischen Einsichten gar nicht sein dürfte: Verhungern durch unterlassene Hilfeleistung.

Die dortige ARGE (in diesem Fall namentlich GfA – Gesellschaft für Arbeitsmarktintegration) weist jegliche Schuld von sich: Sie argumentiert, in Speyer gäbe es doch kirchliche Einrichtungen, bei der sich der Jugendliche sein Essen hätte besorgen können. Hätte Könnte. Darf der Staat seine Fürsorgepflicht an private Einrichtungen einfach so abschieben?

Tatsächlich sind bei Hartz IV keinerlei Regelungen vorgesehen, die bei einer Leistungskürzung oder dem vollständigen Entzug die möglichen Folgen einer solchen Maßnahme im Auge behält. Hier werden Menschen quasi einfach auf den Müll geschmissen und müssen selbst zusehen, wie sie über die Runden kommen, wenn sie sich „Fehlverhalten“ zuschulden kommen haben lassen. Und wer das aus psychischen oder körperlichen Gründen nicht kann, etwa weil er zu stolz zum Betteln ist?

Was viele nicht wissen (wollen?): Der Hungertod in unseren „sozialen“ Marktwirtschaften ist nicht unbedingt eine Ausnahmeerscheinung. Meistens sind es ältere Menschen, die wegen eines zu geringen Lebensunterhaltes an den Folgen einer Mangelernährung sterben. Dies wird jedoch in den seltensten Fällen publik. Aus Scham, ergänzende Sozialleistungen beantragen zu müssen, durchsuchen sie Nächtens lieber die Mülltonnen nach Pfandflaschen und Essbarem. Nicht nur Politiker schauen gerne weg.

Mit Langzeitarbeitslosen, die sich den oft schikanierenden und manchmal auch menschenunwürdigen Behördenhandeln widersetzen oder meist nur passiv Versäumnisse verschulden, wird nach §31 SGB kurzer Prozess gemacht: Dreimal verkehrt reagiert (Kürzungen: 30-60-100 Prozent, bei unter 25-jährigen reichen bereits zwei Verstöße) und der Hilfsbedürftige findet sich auf der Straße wieder. Das Sozialgesetzbuch verkommt zum Strafgesetzbuch, die Würde des Menschen wird außer Kraft gesetzt. Nach einem Bericht der Bundeagentur für Arbeit müssen inzwischen knapp 20.000 Langzeitarbeitslose mit zwei und mehr Sanktionen leben.

Der jetzt unter noch nicht ganz geklärten Umständen verhungerte junge Mann (seine Mutter wurde mit ernährungsbedingten Mangelerscheinungen ins Krankenhaus eingewiesen) ist wohl der erste einfach so Verhungerte, aber längst nicht das erste Opfer, das diese unsoziale Gesetzgebung hervorgebracht hat. Bereits im November 2004 nahm sich ein Mann in Ludwigsburg das Leben, indem er mit seinem Auto in den Haupteingang der regionalen Arbeitsagentur raste. Die Zahl der Selbstmorde von Arbeitslosen, die sich wegen einer finanziell ausweglosen Situation umbringen, steigt von Jahr zu Jahr kontinuierlich.

Aber auch die Zahl derer wächst, die sich den Androhungen und Zwangsanordnungen verbal entgegenstellen. Fast täglich kommt es auf den Fluren der meist spartanisch eingerichteten ARGEn zu lautstarken Auseinandersetzungen, aus Angst vor Handgreiflichkeiten hält sich in den meisten größeren Städten zusätzliches Sicherheitspersonal zum Eingreifen bereit. Die angestellten Sachbearbeiter, denen oft keine andere Wahl bleibt und die aus Angst vor Entlassung die Vorschriften ohne einen eigenen Ermessungsspielraum buchstabengetreu umsetzen müssen, sind völlig überfordert, der Krankenstand in diesem Bereich zählt zu den höchsten in dieser Republik.

Inzwischen gibt es auch eine erste Reaktion von Speyrer Arbeitsloseninitiativen. Mit einer Mahnwache und Kundgebungen wollen sie am 26. April auf dieses unfassbare tragische Ereignis aufmerksam machen. Es ist davon auszugehen dass es nicht dabei bleibt und sich bundesweit auch andere Organisationen mit entsprechenden Aktionen anschließen.

Damit Hartz IV und dumme Sprüche von sogenannten Sozialdemokraten endgültig der Vergangenheit angehören werden.

Quellen:
Hungertod eines Arbeitslosen – Tödliche Gesetzes-Logik
(stern.de, 19.04.2007)
Behörde sieht keine Schuld am Tod eines Arbeitslosen (N 24, 18.04.2007)
Ludwigshafen: Betreiber von HARTZ IV verwalten den Hunger und übersehen den Tod (stattweb.de, 18.04.2007)
Aktuelles vom Alg2-Hartz4-Forum (alg2-hartz4.de, 19.04.2007)
Arbeiten fürs Essen (Die Zeit, 10.5.2006)
Arbeitsloser tötet sich vor Arbeitsagentur (soned.at, 10.11.2004)

UPDATE: 20.04.: News und Reviews

Protest:
Ort und Rahmen des lokalen Gedenkens stehen inzwischen fest:
Donnerstag den 26.04.07 von 10.00 – 17.00 Uhr Mahnwache und Kundgebung vor der GfA -Vorderpfalz in Ludwigshafen!
Abschlusskundgebung von 15.30- 16.30 am Theaterplatz vor dem Pfalzbau
Mehr dazu…

Der Hungertod hat bisher (20.4., 16:00) in der Presse eine eher verhaltene Resonanz gefunden. Größere Tageszeitungen (Süddeutsche, FR, FAZ, Welt) waren sachlich, Berichte von Stern de und des Kölner Stadtanzeigers vermitteln Betroffenheit. ARD, ZDF, Spegel Online und Bild haben davon überhaupt keine Notiz genommen, hier steht stattdessen das Wohlergehen des Eisbären Knut im Vordergrund. Auffallend ist, dass in den Artikeln eine depressive Erkrankung des Opfers zentral herausgehoben wird, als wäre dies bei Langzeitarbeitslosen etwas Besonderes. Dass dem 20jährigen kein einziger Euro mehr überwiesen wurde (was seine Mutter erhielt ist noch unklar…) geht in der Berichterstattung eher unter. Ein Blogger will wissen, der 20jährige hätte beim Auffinden nur noch 35 kg gewogen.

Kölner Stadtanzeiger: Arbeitsloser qualvoll verhungert
… Die Verhältnisse in der Sozialwohnung, in der Sascha K. und seine 48-jährige Mutter Elisabeth wohnten, beide Hartz-IV-Empfänger, waren aber alles andere als normal. Vermutlich haben die beiden monatelang ohne ausreichende Nahrung und ohne Kontakte dahinvegetiert. „Leben“, sagt Nachbar …, „kann man das ja nicht nennen.“ … Im Polizeiprotokoll ist vermerkt, es seien keinerlei Lebensmittelvorräte gefunden worden. … Zum Artikel …

Juraforum: „Das Sozialstaatsprinzip verpflichtet zur Hilfe!“
… Im Grundgesetz heißt es: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“, Art. 1 Abs. 1 GG. Außerdem sind Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung an die nachfolgenden Grundrechte „als unmittelbar geltendes Recht“ ausdrücklich gebunden, Art. 1 Abs. 3 GG. Für den 20-jährigen Mann aus Speyer müssen die Garantie der Menschenwürde und das Sozialstaatsprinzip nur leere Worthülsen und nicht sättigende Absichtserklärungen gewesen sein. Der arbeitslose Mann verhungerte im April 2007 in Deutschland, weil das Geld für Lebensmittel fehlte. … Wer Sanktionen verhängt, darf nicht die Augen vor den Folgen verschließen! … Zum Artikel …

und soeben frisch aus dem Ticker geflossen:
Hungertod durch Hartz IV. Caritas fordert mehr ALG

In der Debatte um Mindestlohn und Freibetragsregelung bei ALG2 gibt es neue Äußerungen von Münterfering:

Der Sozialticker: Hartz IV Empfänger verdienen wohl noch zu viel
… So ist laut Müntefering zufolge – der Mindestlohn und die Zuverdienstmöglichkeiten der Bezieher von Arbeitslosengeld II noch strittig. Er halte eine Verständigung für möglich, den Freibetrag von 100 Euro bei Zuverdiensten auf einen Sockelbetrag von 35 bis 40 Euro zu verringern. Dadurch soll der Anreiz steigen, dass sich Arbeitslose nicht mit einem geringen Zuverdienst und staatlichen Zahlungen einrichten. Quelle: Reuters. Damit folgt ein weiterer Schritt in die Ausgrenzung von sozial Schwachen in Richtung Armut trotz Arbeit. Wie auch sein letzter Coup: “Wer nicht arbeitet – soll auch nicht essen”, hatte der SPD Politiker schon einen messbaren Erfolg erzielen können, denn wie den Medien bekannt, gibt es bereits ein erstes Hartz IV Todesopfer, welcher den qualvollsten Tod unterlegen ist – dem Verhungern. … Zum Artikel …

Wiesbadener Kurier: „Hartz IV plus X“
… Müntefering betont stattdessen, dass er einen generellen Mindestlohn favorisiert. Differenzierungen seien möglich, etwa nach Ost und West sowie nach „ungelernten und grundqualifizierten“ Mitarbeitern. … Einig sind sich Union und SPD bisher über Kombilöhne bei jüngeren Arbeitslosen und besonders schwer Vermittelbaren. Auch die Zuverdienstmöglichkeiten bei Hartz IV sollen strenger gefasst werden. Bisher dürfen die ersten 100 Euro, die neben dem Arbeitslosengeld II verdient werden, komplett behalten werden. Dies soll nach Münteferings Vorstellungen auf „35 oder 40 Euro“ abgesenkt werden. Ziel ist es, die Langzeitarbeitslosen zu animieren, möglichst Vollzeitstellen zu suchen, statt sich mit Mini-Verdiensten neben Hartz IV zufrieden zu geben. … Zum Artikel 

Siehe auch :
Hartz IV: Hungertod durch Leistungsentzug (1) (WCN, 19.04.2007)
Hartz IV: Hungertod durch Leistungsentzug (2) (WCN, 27.04.2007)
Hartz IV: Hungertod durch Leistungsentzug (3) (WCN, 27.06.2007)

3.2 Anarcho-SyndikalistInnen und die Siedlung ‘Freie Erde’ 1921-23

3.2 Anarcho-SyndikalistInnen und die Siedlung ‘Freie Erde’ 1921-23
Quelle: 3.2 Anarcho-SyndikalistInnen und die Siedlung ‘Freie Erde’ 1921-23 (medienflut.de)


Am 6. Juli 1921 besetzen rund 25 AnarchistInnen und Anarcho-SyndikalistInnen, durchweg ArbeiterInnen und Arbeitslose, ein Gelände des staatlichen Forstes im Bezirk der Bürgermeisterei Erkrath, angrenzend zu Hilden, Erkrath, Benrath und Düsseldorf – die sogenannten ‘Hildener Banden’. Alle Mitglieder gehören ausnahmslos der ‘Freien Arbeiter Union Deutschlands’ (FAUD [S] [271]) an [272].
Düsseldorf, das ist heute weitgehend unbekannt, war eine Hochburg der anarcho-syndikalistischen Bewegung. Die FAUD hatte hier zeitweise bis zu 20.000 Mitglieder, und zwar “überwiegend Metall und Stahlarbeiter, Bauarbeiter und Fliesenleger, und sogar einzelne (kaufmännische und technische) Angestellte ”.[273] In Düsseldorf wurde auch – von 1921 bis 1923 – die einzige anarcho-syndikalistische Tageszeitung herausgegeben, die den programmatischen Titel trug: ‘Die Schöpfung – sozialrevolutionäres Organ für ein sozialistisches Neuland’. Arbeitskämpfe von in der FAUD organisierten ArbeiterInnen – wie zum Beispiel die Auseinandersetzungen um die 5-Tage-Woche, die 1929 gewonnen wurden – liefen nicht selten militant ab: StreikbrecherInnen wurden konsequent am Betreten des bestreikten Betriebes gehindert, revolutionäre Fliesenleger schlugen die bereits verlegten Fliesen nachts wieder ab [274]. Weiter lesen „3.2 Anarcho-SyndikalistInnen und die Siedlung ‘Freie Erde’ 1921-23“

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Fünf Berichte aus der Praxis und ein kleines Resümee:

Das „Tigges“ – die FAUD – die Arbeitskämpfe

 

The first Tale – oder wie wir ohne Sorgen Krank sein wollten

Zu dem zeitpunkt unserer „Geschichte“ arbeiten im „TIGGES“, außer in der Küche, ausschließlich sogenannte „Aushilfen“. 90% dieser Aushilfen waren „Hauptberuflich“ Studierende. Das „TIGGES“ selbst ist eine stadtbekannte linke studentische Szenekneipe in Düsseldorf. Che an der Wand und Friedenstaube über dem Klo. Nachdem ich die JobberInnenbroschüre (Dein Recht als JobberIn) [1] geschrieben hatte, dachte ich mir, dass mein Anarchosyndikalismus auch mal praktisch werden müsste.
Also luden eine weitere Genossin der FAUD, welche im „TIGGES“ damals auch meine Kollegin war, und ich im April 2000 unsere KollegInen zu einer „kleinen“ Betriebtsversammlung ein. Diese fand ein paar Tage vor der offiziellen Betriebsversammlung staat. Wir stellten dort die Broschüre vor und diskutierten sowohl über Lohnfortzahlung im Krankheitsfall als auch über bezahlten Urlaub und Kündigungsfristen. Natürlich diskutierten wir auch über die Methoden, die wir ggf anwenden müssen, um unser (juristisches) Recht auch durchsetzen zu können. Dabei zeichnete sich schon ab, dass ein Konflikt vermieden werden sollte. Gemeinsam beschlossen wir vorerst nur die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ein zu fordern. Der Grund dafür lag in der Tatsache, dass der Chef auf Antrag bei der Krankenkasse bis zu 80% der gezahlten Löhne „zurück“ bekommen kann, und genau damit sollte es dem Chef auch schmackhaft gemacht werden. Die Reaktion des Chefs war ein leichtes Schulterzucken und die Bemerkung „das haben wir früher nie gemacht“, „das können wir machen“ und „ich frag mal meinen Steuerberater“. In den sieben Monaten danach waren zwar einige Leute krank, eine Kollegin war sogar im Krankenhaus (wo sie der Chef auch einmal kurz besuchte), aber eine Lohnfortzahlung erhielt niemand. Das lag aber noch nicht mal am Chef selbst, sondern auch an den KollegInnen, die sich partout nicht dazu durchringen konnten, einen „Gelben“ ein zu reichen. Sieben Monate später (18.11.2000) – Wieder eine Betriebsversammlung. Dieses Mal organisierten wir vorher kein Treffen. Stattdessen wurde diesmal von der FAUD ein Info-Blatt vorbereitet, das in Kürze JobberInnenrechte wie Mutterschutz, Lohnvortzahlung im Krankheitsfall, Kündigungsfristen, Urlaubsansprüche, Aushilfdarbeitsverhältnisse etc beschrieb.
Die Betriebsversammlung fing erwartungsgemäß mit der Erstellung einer Tagesordnung an. Wir wollten die Top’s „Lohnfortzahlung im Krankheitsfall“ und „bezahlter Urlaub“ besprechen und forderten diese auf die Tagesordnung zu setzten. Dies geschah auch ohne weiteres. Aufgenommen wurden, wie üblich, auch so „interessante“ Top’s wie „die Gestaltung des Tigges-Tellers“ (ein Gericht, welches wir seit einigen Jahren auf der Karte hatten) und ähnliches.Die eingebrachten Tagesordnungspunkte wurden noch einmal kurz erläutert und das Info-Blatt der FAUD an alle (auch an den Chef) verteilt. Noch bevor der Chef auch nur ein Wort sagen konnte, war klar, dass ein Teil der Belegschaft eine Antihaltung gegenüber den genannten Forderungen hatte. Den Rücken mental gestärkt, entfachte der Chef eine nicht nur persönlich beleidigende, sondern auch eine im höchsten Maß unsachliche „Unterhaltung“ mit mir. Neben Sätzen wie „ich habe mich schon immer für Arbeiterrechte eingesetzt und werde das auch immer tun“, „das haben wir bisher nie gemacht, nicht um Leute zu benachteiligen, sondern weil das nie jemand wollte“ kamen auch Sätze wie, „wenn du hier eine Gewerkschaft grpnden willst, dann brauchst du morgen nicht zur Arbeit zu erscheinen“, „wenn du auf dein Recht bestehst, dann bist du fristlos entlassen“. Alles in allem wurde sehr schnell von ihm mit fristloser Entlassung gedroht. Immer wieder kam auch der Hinweis, dass es da erst seinen Steuerberater fragen müsste. Als er gefragt wurde, wann er sich beim Steuerberater erkundigen wolle und wann er dann schließlich uns informieren wolle, sagte er nur „Ich werde dir keinen Termin sagen. Ich möchte mich da nicht festlegen!“ Dies und die üblichen beleidigungen („du scheinst kleine Gehirnzellen zu habe“) hatte ich schon für mich eingeplant. Schlussendlich brachte ich ihn soweit (und das hat nicht lange gedauert), seine wahre Haltung preis zu geben. Die lässt sich auf folgende Punkte reduzieren:
1: alles bleibt vorerst wie es ist
2: in Zukunft wird sich daran nichts ändern
3: wenn du auf deine Rechte bestehen möchtest, bist du fristlos entlassen
4: wenn du hier eine Gewekschaft gründen willst, bist du fristlos entlassen
Damit waren die kollektiven Versuche, unsere Rechte im „TIGGES“ durch zu setzten, vorerst gescheitert. Leider muss ich festhalten, dass sie nicht nur am Chef, sondern auch an den KollegInnen gescheitert sind. Einige sagten später zwar, dass sie die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sehr gut fänden, leider haben sie es aber nicht geschafft, in den sieben Monaten zwischen den beiden Betriebsversammlungen Tatsachen zu schaffen. Sie haben es auch nicht geschafft, bei der zweiten Versammlung sich dem Chef gegenüber dahingehend DEUTLICH zuäußern. Einige haben sogar ganz klar Arbeitgeberpositionen vertreten. Über die Gründe dafür kann ich nur spekulieren.

The second Tale – oder wie ich „alleine“ versuchte weiter zu machen

Knapp zehn Tage nach der letzten und so katastrophal verlaufenen Betriebsversammlung ging ich mit der Forderung nach bezahltem Urlaub (ab dem 01.12.2000) und einem FAU-Gewerkschaftsbrett ins „TIGGES“. Begleitet von ein paar GenossInnen der fAUD und weiteren FreundInnen stellte ich den Chef zur Rede. Genauer gesagt, ich versuchte es, denn der Chef ignorierte mich konsequent. Daraufhin befestigte ich das mitgebrachte FAUD-Brett und hing auch gleich ein paar Gewerkschaftsinfos daran auf (eine kurze Rechtsbelehrung zu den im Infoblatt oben genannten Themen). Auf weiter Nachfrage sagte der Chef, dass er „jetzt keine Zeit“ hätte und dass wir das „später“ besprechen würden. Natürlich habe ich weiter nachgehakt und schließlich einen Termin (30.11.2000) mit ihm ausgemacht, um die Frage mit dem bezahlten Urlaub für mich zu klären. Zu diesem termin begleiteten mich wieder GenosInnen der FAUD und der Anarchistischen Studierenden Initiative (A.St.I.). Im Vorfeld hatten wir in der FAUD viel darüber diskutiert, was wohl passieren könnte. Eine fristlose Entlassung war von uns mehr oder weniger fest „eingeplant“ worden. Stattdessen überraschte uns der Chef mit einer Hinhaltetaktik. Hatte der Chef noch auf der Betriebsversammlung gesagt, er wolle seinen Steuerberater fragen (ohne sich auf einen Termin festzulegen!), machte er mir nun weis, er müsse erst seinen Anwalt (!), seinen Steuerberater (!) und den Gaststättenverband (!) zu dem Thema befragen. Besonders „lustig“ war in diesem Zusammenhang, dass er angeblich in der nächsten Woche einen Termin bei seinem Anwalt hat. Den Aussagen seines Anwaltes will er aber nicht alleine vertrauen und bestand darauf, auch die anderen beiden Institutionen zu befragen. Daraufhin empfahlen wir ihm den Anwalt zu wechseln, da dieser sehr schlecht sein muss, wenn er meint, dass dieser sich im Arbeitsrecht schlechter auskennt als zum Beispiel sein Steuerberater. Aber zurück zur Sache. Obwohl ich ihn mehrfach aufforderte, mir einen Termin zu nennen an dem er mir mitteilt, was er mit meinem Urlaub zu tun gedenkt, konnte ich ihn nicht zu einer konkreten Aussage bewegen. Er wiederholte immer nur, dass er mir Bescheid geben würde, sobald er mit allen drei Institutionen geredet, bzw. sich dort informiert hätte. Auf meinen Hinweis, dass ich meinen Urlaub noch in diesem Jahr nehmen müsste, da er sonnst verfiele, sagte er mir, dass ich den auch noch 2001 nehmen könnte (eine Tatsache die nur sehr eingeschränkt richtig ist und die wir kannten). Zur Gewerkschaftsarbeit sagte er diesmal, das ich diese ruhig in seinem Betrieb machen könne, damit hätte er nichts zu schaffen. Wenn die Gewerkschaftsarbeit jedoch geschäftsschädigend sei, dann „könne“ es sein, dass er mich fristlos entlässt. Im Laufe der Diskussion wies er auch auf die „Betriebsinternen Absprachen“ hin. Wonach wir nicht nur unseren Lohn bekommen (welche Großzügigkeit!), sondern auch noch Trinkgeld (Wow – wer hätte das gedacht!) und Speis und Trank (DANKE!). Dem Tonfall nach war die Drohung unmissverständlich – wer seine Rechte haben will, muss auf Speis und Trank verzichten! Ohne weitere Ergebnisse zogen wir wieder ab. Nach Rücksprache mit einem Anwalt stellten wir dem Chef schließlich ein Ultimatum. Bis zum 02.01.2001 sollte er sich klar äußern und verbindlich festlegen, andernfalls würden wir weitere Maßnahmen (zum Beispiel Fleyer an die Gäste verteilen) ergreifen. Am 31.12.2000 bat mich der chef zu einem Gepräch unter vier Augen. Nachdem er eine ganze Weile über die guten alten Zeiten und was wir nicht alles gemeinsam erlebt hätten gesprochen hatte, kam er endlich doch noch zum Punkt und bot mir 400 DM an (was 230 DM weniger war als mir zustand). Ich überlegte kurz und willigte ein.

The third Tale – oder wie die ArbeiterInnen im „TIGGES“ mehr Geld verdienen wollten

Diese Geschichte ist kurz und schnell erzählt. Die Genossin der FAUD, welche noch immer im TIGGES arbeitet, traf sich mit den KolegInnen des TIGGES, um mit ihnen gemeinsam über die Möglichkeiten einer Lohnerhöhung zu diskutieren. Seit ca: 8 Jahren zahlt der Chef den KellnerInnen (abends) 12.-/pro Stunde. Die Versammlung beschloss auf der nächsten „offiziellen“ Betriebsversammlung die Forderung nach 15.-/pro Stunde zu stellen. Der Chef reagierte mit einem Schulterzucken und der Mitteilung das er das selbst auch schon vorhatte und das es o.k. sei! Doch schon am nächsten Tag sprach er alle ArbeiterInnen einzeln an und teilte ihnen mit das er sich das mit den 15.- noc überlegen müsse. Überhaupt – es wäre nie die Rede davon gewesen das „ab sofort“ mehr gezahlt würde. Es käme darauf an wie der Sommer läuft, dann gäbe es im Sommer mehr (im Winter dan wieder 12.-). Fakt ist: Niemand bekam auch nur eine Mark mehr. In persönlichen Gesprächen wurde klar das zwar einerseits die Lohnerhöung gewollt ist, das aber (um des lieben Friedens willen) keine Bereitschaft zum Arbeitskampf da ist.

The fourth Tale – oder Lohnraub im „TIGGES“

Die Einführung des Euro benutzte der Chef des „TIGGES“ zur Lohnkürzung. So rechnete er weder den Lohn (12 DM/Stunde) korrekt um, noch zahlte er, wie Ende des Jahres 2002 auf einer Betriebsversammlung offiziell angekündigt, ab dem 01.01.2003 7 €/Stunde. Stattdessen gab es plötzlich nur noch 6 €/Stunde. Die Reaktion war Wut. Die Belegschaft des „TIGGES“ traf sich mit der FAUD und besprach die Situation. Es wurde beschlossen, dem Chef eine Frist zu setzten. Wenn er bis zu dieser nicht 7 €/Stunde zahlen würde, dann würde die Belegschaft sich (unterstützt durch die FAUD) weitere Maßnahmen vorbehalten. Dies wurde dem Chef in unzweifelhaftem Ton mitgeteilt. Der Effekt war, dass er fristgerecht anfing, den versprochenen Lohn zu zahlen.

The fifth Tale – Fristlose Kündigung im „TIGGES“

Anfang 2003 feuerte der Chef zwei Koleginnen (die Sonntagabendschicht). Wie üblich gab er weder eine Begründung noch hielt er sich an irgendwelche Fristen. Ihm passten einfach die zwei Nasen nicht mehr. Glücklicherweise holten die beiden direkt Rat bei der FAU-Düsseldorf ein (eine Genossin arbeitete immer noch dort). Nach einem kurzen Gespräch über unsere Möglichkeiten und die Bereitschaft der beiden Kolleginnen, sich einer Auseinandersetzung mit dem Chef zu stellen, beschlossen wir, wenigstens je einen Monatslohn für beide zu bekommen. Beide wollten nicht mehr im „TIGGES“ arbeiten, waren aber von dem Geld abhängig und wären den Monat auch noch arbeiten gegangen (die Kündigungsfrist hätte bei beiden je einen Monat betragen). Wir beschlossen, dass beide zur nächsten Schicht gehen sollten, so als wäre nichts geschehen. Die FAUD war mit zwei GenossInnen anwesend, um die Situation wie besprochen zu beobachten. Wie erwartet forderte der Chef sie mehrfach auf zu gehen, da sie nicht mehr im „TIGGES“ arbeiten würden. Daraufhin gaben die beiden zu verstehen, dass sie zum Arbeitsgericht gehen würden und sich ggf. auch noch andere Maßnahmen vorbehalten. Nachdem die beiden gegangen waren, wurde der Chef von der FAUD noch einmal darauf hingewiesen, dass die KollegInnen Recht hätten und auch vor Gericht Recht bekämen. 24 Stunden später meldete sich der Chef bei der FAUD (!) und teilte mit, dass er die beiden gerne treffen wollte, er würde ihnen den Lohn für vier Wochen auszahlen und arbeiten sollten sie auch nicht mehr kommen. Zwei Tage später war es soweit, gegen eine Empfangsbestätigung bekamen die KollegInnen, was sie wollten.

Resümee

Anarchosyndikalismus im „eigenen“ Betrieb zu praktizieren ist durchaus eine belastende und anstrengende Sache. ABER: Angefangen beim ersten Konflikt bis hin zum letzten ist eine Entwicklung zu erkennen. Zum einen wird die FAUD im „TIGGES“ sowohl von den KollegInnen als auch vom Chef als Gewerkschaft wahrgenommen. Zum anderen wurden einige wenige Dinge auch durchgesetzt. Auch die Solidarität der („älteren“) KollegInnen untereinander ist stärker geworden. Was noch fehlt ist ein „öffentlichkeitswirksamer“ Arbeitskampf. Dieser könnte evtl. helfen, KollegInnen in anderen betrieben zu mobilisieren und zu organisieren. Ein „Höhepunkt“ in der Entwicklung könnte ein kämpferisches Gastronomie/Service-Syndikat sein.

Anarchie in Düsseldorf? Zum zweiten Mal organisiert die anarchosyndikalistische Freie Arbeiter*innen Union ein Schwarz-Rotes-Wochenende.

Der Termin im November ist mit Bedacht gewählt, haben wir doch 2014[1] im November – das erste Mal seit 1933 – einen eigenen Laden in Düsseldorf eröffnet. Damit haben wir es geschafft, der lokalen anarchistischen und syndikalistischen Bewegung, die in den Jahren nach 1945 immer vorhanden war[2], eine stabile, wahrnehm- und erreichbare Basis zu verleihen. Die Pandemie hat natürlich auch bei uns zu einer enormen Einschränkung unserer öffentlichen Aktivitäten geführt. Unsere gewerkschaftliche Erstberatung haben wir aber ebenso aufrecht erhalten, wie unsere generelle gewerkschaftliche Tätigkeit, was auch 2021 zu mehr Militanten[3] in unseren Reihen führte. So waren wir nicht nur am 1. Mai auf der Straße, sondern auch mehrmals präsent vor den Düsseldorfer Gorilla-Stores, um die kämpfende Belegschaft in Berlin symbolisch zu unterstützen. Von den „Stores“ aus leifern die Kurierfahrer*innen Lebensmittel aus. Eindrucksvoll war der kleine anarchistische/syndikalistische Block auf den beiden Demonstrationen gegen das neue NRW-Versammlungsgesetz. Sehr gefreut hat uns auch der Besuch der Zapatistas, den wir einen ganzen Tag lang begleitet haben (siehe Seite 10).

Das Schwarz-Rote Wochenende

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