Kurt Wafner (* 25. November 1918 – † 10. März 2007)

Kurt Wafner wurde am 25. November 1918 auf dem Höhepunkt der deutschen Revolution in der Franfurter Allee in Berlin geboren. Seine Familie hatte ursprünglich den Namen Wawrzyniak und seine Vorfahren waren eine Mischung aus polnischem Adel und französischen Hugenottenflüchtlingen. Sein Vater starb Anfang 1923, und seine Mutter musste eine Existenz aufrechterhalten. Durch den Einfluss seines Onkels Bernard, eines Mitglieds der Weissensee Anarchist Federation, begann er mit dreizehn Jahren die anarchistischen Klassiker zu lesen. Der Verband war in mehreren Bezirken Berlins aktiv und organisierte öffentliche Versammlungen, Vorträge, Museums- und Theaterreisen sowie verschiedene Kampagnen. Viele seiner Mitglieder gehörten auch der anarchosyndikalistischen FAUD an. Es gab eine breite Mitgliedschaft in der Föderation mit Intellektuellen und Bohemiens neben Arbeitern. In dieser Hinsicht gab es wenig Spannungen, aber eher in Fragen der Strategie. Beispielsweise hatte Erich Mühsam während der Bayerischen Betriebsräte mit den Kommunisten zusammengearbeitet. Andere wie Herbert Wehner waren völlig gegen eine Zusammenarbeit.1 Hier lernte er einen der berühmtesten libertären Schriftsteller seiner Zeit, Theodor Plievier, kennen und kannte Mühsam, Ernst Friedrich [Begründer des Antikriegsmuseums] und den Anarcho -syndikalist Rudolf Michaelis. Mit vierzehn Jahren trat er der Freien Arbeiter Jugend (FAJ) in Berlin-Südost bei, die der Anarcho-Syndicalist Youth (SAJD) angegliedert ist. Es gab ungefähr 25 Leute in dieser Gruppe.

In den 1930er Jahren war er in einen Studentenstreik verwickelt, als der jüdische und sozialdemokratische Rektor seiner Hochschule entlassen wurde. Infolgedessen wurde Wafner ausgewiesen. Der Weissensee-Bund wurde Ende 1934 aufgelöst und konnte deshalb seine Ingenieurkarriere nicht fortsetzen. Nach der Machtübernahme der Nazis versuchte die anarchistische Jugend, weiterzumachen. Als das Jugendzentrum, in dem sie sich trafen, geschlossen wurde, trafen sie sich in Privathäusern. Sie begannen sich dann auf dem Land zu treffen, indem sie Wanderungen und Schmetterlingsjagden als Deckung nutzten. Sie schlossen sich der Brandenburgischen Wandergenossenschaft an. Dies wurde von lokalen Historikern organisiert und war tolerant gegenüber radikalen und antifaschistischen Gruppen. Dieser und der Bund Deutscher Kleingärtner dienten als Abdeckungen für Untertagetätigkeiten.

1939 wurde er in die Armee eingezogen und diente im Arbeitsdienst. Er hatte es gerade geschafft, Zugang zu einer Ingenieurschule zu erhalten, diese wurde jedoch vom Militärdienst abgebrochen. Im Sommer dieses Jahres wurde er wegen Sehschwäche vom Militärdienst befreit. Dies wurde jedoch später außer Kraft gesetzt und er musste dann in einer Artillerieeinheit in Frankfurt dienen. Seine Augenprobleme verschlimmerten sich und er erhielt Büroarbeit. 1941 wurde er nach Berlin geschickt, um französische Kriegsgefangene zu bewachen. Er hatte in dieser Zeit die Taktik des Guten Soldaten Schweik angewandt und so wenig wie möglich für die Kriegsanstrengungen getan. Leider änderte die Invasion der Nazis in Osteuropa all dies und er wurde gezwungen, an die Ostfront zu gehen. Während er auf einer Wiese saß, kam er mit einem anderen Soldaten ins Gespräch, Rudi Kuhn. Das Gespräch lief so ab: „Diktaturen führen zum Krieg“ … Wafner wagte zu sagen, man müsse auf Spione aufpassen. Rudi antwortete: „Können Sie sich eine Gesellschaft ohne Regierung vorstellen?“ „Wie Bakunin, Kropotkin oder …“, „Oder die anarchistische Union der FAUD?“. Kurt entdeckte, dass Rudi Schneider war und in der FAUD aktiv war. Er stieß auch auf zwei Mitglieder der Kommunistischen Partei in der Einheit. Sie wurden geschickt, um russische Kriegsgefangene in Minsk zu bewachen. Zusammen beschlossen sie, sich so menschlich wie möglich zu verhalten. Einer der Kommunisten ließ einige Gefangene fliehen, mit der Begründung, er sei betrunken gewesen. Er wurde von der Militärpolizei festgenommen und von der Gruppe nie wieder gesehen.

In dieser Zeit sammelte Kurt eine Sammlung von Fotos, einige von ihm gemacht, andere von Soldaten gekauft, die Zeugen der von den Nazis begangenen Gräueltaten waren: Partisanen, die an Schlingen hingen, russische Kriegsgefangene, die abgeschossen und in Massengräber gelegt wurden. Die Wehrmacht war daran nach Kurts Einschätzung ebenso schuld wie die SS und die Polizei.

Im Verlauf des Krieges unternahm Kurt weitere Anstrengungen, um auf eine Krankenliste gesetzt zu werden. Schließlich wurde er in ein Physiklabor bei Siemens verlegt. Hier stieß er auf Herbert Treschow, an den er sich von der FAJ erinnerte. So konnten sie unterirdisch tätig werden. Im August 1943 begann er eine Beziehung mit einer Frau. Das Kind, das sie kurz nach der Geburt gestorben waren.

Unter dem Regime in Ostdeutschland schloss er sich der Miliz und der Kommunistischen Partei an, unter Beibehaltung seiner anarchistischen Ideen. 1947 wurde er gebeten, sich der Geheimpolizei der Stasi anzuschließen, doch er lehnte dieses Angebot ab. Wenig später erkrankte er an Tuberkulose und musste die Miliz verlassen, bevor er zum Bibliothekar ausgebildet wurde. 1950 verließ er die Partei. Er arbeitete in verschiedenen Berufen als Herausgeber, Leiter der Roman-Zeitung, der wöchentlich serialisierte Romane veröffentlichte, als Hörspielautor und Journalist, war sich jedoch der Macht der staatlichen Zensur stets bewusst. Er verlor einen Job beim Verlag der Gesellschaft für sowjetisch-deutsche Freundschaft, weil er sich weigerte, der Partei zu folgen.

Mit dem Mauerfall 1989 knüpfte Kurt Kontakt zur deutschen anarchistischen Bewegung und schrieb mehrere Artikel über seine persönlichen Erfahrungen. Im Jahr 2000 veröffentlichte er seine Autobiografie My Life as a Book Lover and Anarchist. Er starb am 10. März 2007.

Nick Heath

Quellen: Interview mit Kurt Wafner: www.faubern.ch/_texte/Interview%20Wafner.doc
Kurt Wafner, il cacciatore di farfalle von Hans Müller-Sewing. www.centrostudilibertari.it/index.php/…/162-bollettino-32.html

1. Wehner (1906-1990) wechselte 1927 zu den Kommunisten und wechselte nach dem Zweiten Weltkrieg zu den Sozialdemokraten (SPD) und wurde führender Bundestagsabgeordneter, Bundesminister für gesamtdeutsche Angelegenheiten im Christentum Demokratisch-sozialdemokratische Koalition von 1966 und dann Vorsitzender der Fraktion der SPD unter der Regierung Brandt.

Karl Gültig (* 20. November 1906 – † 4. April 1992)

Geboren am 20.11.1906 in Offenbach am Mein (Bürgel), geriet Karl Gültig schon als Jugendlicher mit der Arbeiterbewegung in Berührung. Zunächst Mitglied der „Kommunistischen Jugend“ (KJ) innerhalb der KPD, lernte er 1923 Georg Usinger (1900-1990), Mitbegründer der Offenbacher Ortsgruppe der „Freien Arbeiter Union Deutschlands“ (FAUD), kennen. Durch ihn gelangte er in Kontakt mit anarchosyndikalistischen Kreisen und betätigte sich seit Mitte der 20er Jahre vor allem in der anarchosyndikalistischen Jugendorganisation „Syndikalistisch-Anarchistische Jugend Deutschlands (SAJD). Daneben engagierte er sich auch in der atheistischen und föderalistischen Gemeinschaft Proletarischer Feidenker. Die praktische Wirkung der Offenbacher libertären Bewegung umfaßte vor allem öffentliche Aufklärung und Bewußtseinsbildung: wöchentliche Gruppenzusammenkünfte, öffentliche Versammlungen, Lesungen, Vorträge (Rudolf Rocker, Emma Goldman, Augustin Souchy, Erich Mühsam, Theodor Plievier), Herausgabe der Zeitschrift „Junge Anarchisten. Organ der Syndikalistisch-Anarchistischen Jugend Deutschlands“, Antimilitarismus, Kampagnen (z.B. zur Verhinderung des Todesurteils gegen Sacco und Vanzetti). Daneben bestanden enge Verbindungen zu anarchosyndikalistischen Organisationen in Darmstadt (Kontakt: Gustav Doster), Frankfurt am Main (Anni und Georg Hepp), Mannheim (Karl Schild), Ludwigshafen, Münster und Wiesbaden. Dabei schuf sich der gelernte Schreiner und Dachdecker Karl Gültig rasch einen Namen als geschätzter und begabter Debattenredner. So nutzte er jede Gelegenheit zum politischen Disput mit Menschen unterschiedlicher Weltanschauung: Kommunisten, Sozialdemokraten, Geistliche – sogar auf Versammlungen der aufkommenden Nazi-Bewegung zu Anfang der 30er Jahre erhob er seine Stimme.

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten bedeutete auch für die anarchosyndikalistische Bewegung im Rhein-Main-Gebiet eine deutliche Zäsur. Organisierte Widerstandsaktionen gegen die NS-Diktatur nach 1933, an denen sich auch Karl Gültig beteiligte, gelangten nicht über Fluchthilfe, illegalen Zeitschriftenvertreib und einige geheime Zusammenkünfte hinaus. Der im Sommer vor dem Volksgerichtshof in Darmstadt angestrengte Prozeß gegen sieben Angeklagte wegen organisierter Widerstandstätigkeit der verbotenen FAUD in Südwestdeutschland (Anni und Georg Hepp, Karl Schild u.a.) endete mit hohen Zuchthausstrafen. Karl Gültig hatte Glück: Anfang 1935 verhaftet, erlitt er nur wenige Wochen Freiheitsentzug. Weil ihn niemand verriet, und ihm daher nichts Konkretes nachgewiesen werden konnte, wurde er schließlich freigesprochen. Nach seiner Rückkehr aus jahrelanger russischer Kriegsgefangenschaft in Karaganda (Kasachstan) Ende 1949 – dort arbeitete er als Berg- und Bauarbeiter und wirkte mit im dortigen, um politische Aufklärung bemühten Antifa-Komitee -, trat er Anfang der 50er Jahre der KPD (später DKP) und der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN) bei. Organisatorische Zusammenhänge unter deutschen AnarchistInnen existierten damals kaum. In seinem Herzen blieb Karl Gültig allerdings stets ein libertärer. Seit den 50er Jahren engagierte er sich in der Ostermarschbewegung. Die weltweite, vor allem studentische Jugendrevolte Mitte der 60er Jahre begleitete er mit hoffnungsfroher Offenheit. Auch an den sogenannten „Neuen Sozialen Bewegungen“ der letzten zwanzig Jahre nahm er lebhaften Anteil. Sein aufgeschlossener Humanismus bewahrte ihn vor Engstirnigkeit und Dogmatismus.

Seitdem ich ihn und seine Frau Elise zusammen mit einigen Freunden Anfang 1988 kennenlernte, regte uns Karl Gültig bei allen Besuchen durch seinen unverbrauchten Optimismus an. Bis zuletzt legte er besonderen Wert auf intensiven Kontakt zur Jugend. Bedauerlicherweise fand die Begegnung mit ihm wie auch mit anderen „großelterlichen“ Libertären viele Jahre zu spät satt. Auch wenn ihm mit zunehmendem Alter bewusst war, dass er selbst wohl nicht mehr die herrschaftslose und freiheitliche Gemeinschaft erleben werde, ermutigte er seine GesprächspartnerInnen, in diesem Streben fortzufahren. So bezeugte uns Karl Gültig, gerade aufgrund seiner lebensbiographischen Erfahrungen, dass es darauf ankommt, sich weder von der bestehenden Machtordnung noch von dem subjektiven Gefühl eigener, vermeintlicher Machtlosigkeit entmutigen zu lassen.

Siegbert Wolf

Aus: Schwarzer Faden, Heft 2 (1992)

Marietta aka Etta Federn (* 28. 1883- † 1951)

Etta Federn

Etta Federn wurde am 28. April 1883 in Wien als jüngste Tochter einer assimilierten jüdischen Familie geboren. Sie war die Tochter der Suffragette Ernestine Federn und des Arztes Salomon Federn und die Schwester von Paul, der Analytiker wurde, Karl, der Anwalt und Schriftsteller wurde, und Walter, der Journalist.

Sie hatte eine Ausbildung auf Augenhöhe mit ihren Brüdern. Sie studierte Literaturgeschichte, deutsche und griechische Literatur. Nach ihrem Abschluss begann sie, Deutsch und Philosophie zu studieren. Darüber hinaus erhielt sie eine breite Ausbildung in Fremdsprachen.

Sie trennte sich von ihrer Familie und zog nach Berlin, wo sie ihr Studium mit einer Arbeit über Faust abschloss. Sie verdiente ihren Lebensunterhalt dort zunächst als Lehrerin und dann als Übersetzerin aus dem Englischen, Französischen, Dänischen, Russischen und Jiddischen. Sie übersetzte Alexandra Kollontai, Hans Christian Anderson und Shakespeare.

Sie arbeitete als Literaturkritikerin für das Berliner Tageblatt. Sie veröffentlichte viele Biografien, darunter die von Dante und Goethe. Gleichzeitig begann sie, Essays, Biografien, Autobiografien, Geschichten, ein Theaterstück und Gedichte zu schreiben. Sie heiratete zweimal, beide Ehen endeten in einer Trennung.

Sie nahm Kontakt mit der anarchistischen Bewegung in Berlin auf und begann, sich an den Aktivitäten der FAUD (Freie Arbeiter Union Deutschlands) zu beteiligen, die regelmäßig Artikel für ihre Presse verfasste. Sie begann, viele Freunde in dieser Bewegung zu finden.

Die anarchistische Bewegung in Berlin zog in Ettas eigenen Worten viele „selbstmotivierte jüdische Frauen an, die ihre intellektuelle, emotionale und politische Unterstützung für die Ideen der sozialen Revolution, der freien Bildung, der Bedeutung der Kulturarbeit, der Frauenemanzipation und der Bedeutung von Solidarität und Solidarität anboten verantwortungsbewusstes Verhalten “.

Sie lernte unter anderem Emma Goldman, Mollie Steimer und Sonia Flechin kennen. Insbesondere mit Rudolf Rocker und Milly Witkop pflegte sie ein Leben lang eine enge Freundschaft. Sie beteiligte sich aktiv an der von der FAUD gegründeten Frauenorganisation des Syndikalistischen Frauenbundes (SFB).

Sie erhielt Morddrohungen von den Nationalsozialisten aufgrund ihrer 1927 veröffentlichten Biographie des von rechten Offizieren ermordeten liberalen Politikers Walter Rathenau. Außerdem übten die Reaktionskräfte Druck auf die Zeitungen und Verlage aus, für die sie normalerweise schrieb , so dass ihre Einnahmequellen versiegten.

Sie verließ Deutschland 1932 mit ihren beiden Söhnen im Alter von 49 Jahren nach Barcelona. 1933 wurden ihre Bücher bei den öffentlichen Nazibuchverbrennungen zerstört und sie wurde auf die schwarze Liste der Nazis gesetzt.

In Barcelona wurde sie weiterhin von den noch in Berlin lebenden anarchistischen Kreisen unterstützt und konnte die später nach Berlin flüchtenden wieder aufnehmen. Sie konnte sich schnell an Barcelona gewöhnen, schrieb innerhalb weniger Wochen Artikel für die spanische Presse und begann Katalanisch zu lernen. Sie blieb jedoch finanziell angeschlagen und musste sich auf kleine, aber regelmäßige Geldtransfers von ihren nahen Verwandten in den USA verlassen.

Während der spanischen Revolution schloss sie sich im Juli 1936 der anarchistischen Frauenbewegung Mujeres Libres (Freie Frauen) an. Sie unterrichtete Literatur, Sprache und Bildung im Kulturzentrum, das von Mujeres Libres, dem Haus der Arbeiterinnen, gegründet wurde Lehren des spanischen libertären Pädagogen Francisco Ferrer.

Später, im Jahr 1937, gründete sie in Zusammenarbeit mit Mujeres Libres vier libertäre Schulen in der katalanischen Stadt Blanes. Diese Schulen, deren Direktorin sie war, bildeten Lehrer aus und unterrichteten Kinder. Sie waren koedukativ und orientierten sich am Atheismus und Antimilitarismus. Sie sollten eine angstfreie, anregende und fürsorgliche Atmosphäre für Kinder schaffen.

Im Mai 1937 kehrte sie nach Barcelona zurück und ließ ihr Buch Mujeres de las Revoluciones, das biografische Skizzen von zwölf berühmten Frauen enthielt, bei Mujeres Libres veröffentlichen.

1938 reiste sie wegen der massiven Bombenangriffe auf Barcelona mit ihren beiden Söhnen nach Paris.

Zwischen 1940 und 1945 zog sie nach Lyon. Sie war inzwischen körperlich völlig erschöpft und manchmal schwer krank. Trotzdem engagierte sie sich in der Widerstandsarbeit durch Übersetzungen, Propagandaarbeit und Organisation.

Ihr ältester Sohn Hans starb 1944 bei den Kämpfen bei Vercors. Paradoxerweise hatte sie deshalb Anspruch auf die französische Staatsangehörigkeit und eine kleine monatliche Rente, obwohl sie bis zu ihrem Tod in Paris am 9. Mai 1951 in Armut blieb.

Sie spielt als literarische Persönlichkeit in einem Roman des schwedischen Anarchisten Stig Dagerman (der die deutsche Anarchistin Annemarie Goetze geheiratet hatte), Skuggen av Mart (Stockholm 1947) und in Utan Vaiaktig stad (Stockholm 1948) den Roman eines anderen schwedischen Schriftstellers, Arne Fosberg.

Nick Heath

Quellen: https://libcom.org

Czakon, Paul (* 14. Juli 1897 – † 1952) aka Max aka Maximo Mas

Paul Czakon wurde am 14. Juli 1897 in Neider-Heiduk geboren. Er arbeitete als Bergmann und Schlosser. Czakon war seit 1921 Vorsitzender der FAUD in Beuthen (heute Bytom) in Oberschlesien und gehörte 1930 zu den Gründern der Schwarzen Scharen in der Region. Bei einer Hausdurchsuchung im Mai 1932 entdeckte die Polizei den Waffen- und Sprengstoff-Cache der Gruppe. Czakon floh mit zwei weiteren Kameraden, Alfons Molina und Bernhard Pacha, nach Spanien. In seiner Abwesenheit im März 1933 wurde er wegen Hochverrats und Sprengstoffbeschuldigungen zu 15 Jahren Haft verurteilt. Czakon, der in Spanien unter dem Namen Maximo Mas firmierte, war verantwortlich für das Artillerie-Bataillon Sacco und Vanzetti in der anarchistischen Milizkolonne Tierra y Libertad. Im September 1936 kämpfte er mit der Kolonne in Madrid und im Frühjahr 1937 in Cuenca an der Teruel-Front.

Auf der Flucht nach Frankreich mit dem Zusammenbruch der Republik wurde er im Internierungslager Gurs inhaftiert, wo er einer der Sprecher der 9. Kompanie war, die sich der Dominanz der kommunistischen Freiwilligen im Lager widersetzte. Nach der deutschen Besetzung Frankreichs schloss sich Czakon einer Militäreinheit im Widerstand an. Er kehrte nach Deutschland zurück, wo er mit seiner Frau, die am Ende des Krieges in ein Konzentrationslager gebracht worden war, wieder vereint wurde. Um einer Verhaftung zu entgehen, floh er aus der sowjetischen Besatzungszone nach Salzgitter, wo er 1952 in extremer Armut starb.

Quellen: Internationalismus im Dreiländereck von Dieter Nelles

Anna Götze (* 06. April 1875 – † 18. Juli 1958)

Anna Götze wurde am 6. April 1875 geboren. Sie war von 1897 bis 1917 Mitglied der Sozialdemokratischen Partei und mit Kriegsende und Revolution eine der Gründerinnen des Spartakusbundes. Anfang der 1920er Jahre wechselte sie zu einer klaren anarchistischen Position und trat der FAUD bei. Sie arbeitete als Ordner in der Druckindustrie.

Sie hatte drei uneheliche Kinder. Ihr Sohn Ferdinand Götze, bekannt als Nante, und ihre Tochter Irma waren ebenfalls in der FAUD aktiv, während ihr anderer Sohn Waldemar in der KPD (der offiziellen deutschen Kommunistischen Partei) militant war. Dies führte zu heftigen Auseinandersetzungen in der Familie, obwohl Waldemar später bereit war, mit dem Rest der Familie bei Untergrundarbeiten zusammenzuarbeiten.

Anna hatte eine emanzipierte Einstellung zur Sexualität. Der Anarchist Karl Brauner sollte bezeugen, wie beeindruckt er von der Art und Weise war, wie Anna mit ihrer Tochter über sexuelle Angelegenheiten sprechen konnte.

Nach dem Aufstieg Hitlers war Anna in den unterirdischen FAUD-Netzwerken aktiv. Ihre Wohnung in Leipzig war eines der Zentren dieser Netzwerke.

Sie wurde zum ersten Mal 1935 und am 1. Oktober 1937 erneut verhaftet. Am 12. April 1938 wurde sie zu drei Jahren Haft verurteilt, die sie im Waldheimer Gefängnis verbüßte. Sie wurde im KZ Ravensbrück inhaftiert, wo auch ihre Tochter Irma inhaftiert war. Beide konnten von dort fliehen, als die Nazis im April 1945 mit dem Todesmarsch der Häftlinge begannen.

Ihr Sohn Waldemar konnte in die Sowjetunion fliehen und wurde dort höchstwahrscheinlich von den Stalinisten ermordet.

Nach dem Krieg traten Anna und ihre Tochter Irma der SED bei, ebenso wie viele andere überlebende Leipziger FAUD-Mitglieder wie Karl Brauner, Richard Theide und Paul Helberg.

Sie starb am 18. Juli 1958.

Quelle: https://libcom.org/ (aufgerufen 09.12.2019)

PS:
Annemarie Götze, das Enkelkind von Anna Götze, heiratete schließlich Stig Dagerman, den wahrscheinlich bekanntesten anarchosyndikalistischen proletarischen Schriftsteller Schwedens.

Ihre Mutter war eines von drei Kindern von Anna Götze; da waren Ferdinand und Irma, beide Anarchisten, und der jüngere Bruder Waldemar, der sich den Kommunisten anschloss. Ferdinand lernte seine zukünftige Frau Elly in der deutschen libertären Jugendbewegung kennen. Als ihre Tochter Annemarie 1924 geboren wurde, lebte die ganze Familie in Annas Haus, und obwohl politische Meinungsverschiedenheiten oft zu heftigen Diskussionen führten, hielt die unmittelbare Gefahr des Aufstiegs der Nazis zur Macht die Familie zusammen.

Nach der Machtübernahme Hitlers floh die Familie nach Spanien – 1934 ließ sich Elly Götze in Barcelona nieder und überließ Annemarie ihren Großeltern, bis sie 1935 zu ihr stieß. In Barcelona engagierte sich die Familie im DAS – den Deutschen Anarcho-Syndikalisten im Ausland – und als Annemarie 2012 interviewt wurde, erinnerte sie sich noch daran, wie sie zusammen mit Emma Goldman die Beerdigung von Durruti miterlebte.

Als Barcelona fiel, gelang es der Familie zu fliehen und sie landete zuerst in Norwegen. Als die Wehrmacht 1940 einfiel, rang sie nach der schwedischen Grenze. Nachdem der Bus, in dem sie saßen, von Nazis beschossen worden war, gelang es nur der jungen Annemarie, die Grenze zu überqueren. Es gelang ihr, Kontakt mit dem SAC aufzunehmen, und dank der Gewerkschaft wurden ihre Eltern schließlich aus den staatlichen Internierungslagern für Flüchtlinge entlassen, die sie nach ihrer endgültigen Überquerung der Grenze einsetzten.

Wie im obigen Artikel erwähnt, war der Rest der Familie im KZ Ravensbrück interniert worden. Ferdinand, Elly und Annemarie blieben in Schweden, wo sie in der syndikalistischen Bewegung sehr aktiv wurden. Ich denke, ich sollte das etwas gründlicher aufschreiben.

Das Interview von Herranz und Lindblom, das zuvor im Mai 2012 in Arbetaren veröffentlicht wurde, enthält viele großartige Informationen – http://anarkism.nu/pa-liv-och-dod-i-katalonien/

Stefan Bellmann (* ? – † 19. März 1949)

Als Antimilitarist im Ersten Weltkrieg beteiligte sich Stefan Bellmann als Mitglied des Spartakusbundes aktiv an der Streikbewegung. Später beteiligte er sich am Spartakus-Aufstand im Winter 1918 und am Aufstand gegen den Kapp-Putsch im März 1920. Als Antiparlamentarier und Antikapitalist musste er als politischer Flüchtling an die Ruhr fliehen. Dort nahm er an den Aktivitäten der anarchosyndikalistischen Freien Arbeiter Union Deutschlands (FAUD) teil, der einst 12.000 Mitglieder im Ruhrgebiet angehörten. Während des Zweiten Weltkriegs setzte er die illegale Untergrundbewegung fort.
Er starb am 19. März 1949

Quellen: Freedom 11. Juni 1949

Heinrich Hellmann (* ? – † 7. Februar 1948)

„Vielen als großartiger Kamerad und Freund bekannt“, verlor Heinrich sowohl seinen Vater Wilhelm als auch seinen Bruder Willi, der 1920 während des Ruhraufstands getötet wurde. Aktiv in der Ruhr-FAUD. Seine Mutter Rosa war ebenfalls eine aktive Anarchistin und wurde zusammen mit ihrem Gefährten Karl Börder und ihrem Sohn festgenommen, als Hitler an die Macht kam. Er wurde in der Freedom Notice zu seinem Tod (7. Februar 1948) als einer der wenigen anarchistischen Bergleute im Ruhrgebiet beschrieben, die noch übrig waren. Er starb bei einem Bergbauunfall. Er war im Ruhrgebiet beliebt und bekannt, wie Tausende bezeugen, die sich seinem Bestattungszug anschlossen

Quellen: Freedom 11. Juni 1949

Nowak, Franz (1983-1945) aka Zigeuner

Franz Nowak wurde am 30. August 1983 in Kravarn in Oberschlesien geboren. Im Sommer arbeitete er als Maurermeister auf Baustellen in der gesamten Region. Ab 1907 wurde er als Anarchist von der politischen Polizei überwacht. Er wurde mehrere Male verhaftet, unter anderem während der Besuche des Kaisers in Breslau (heute Breslau) in den Jahren 1909 und 1910. Von 1912 bis 1914 lebte er in Lodz, das sich damals im russischen Reich befand. 1915 wurde er für mehrere Wochen in Hindenburg inhaftiert und später in Breslau als Soldat einberufen. Nach 1918 war er neben Alfons Pilarski einer der führenden Anarchosyndikalisten der FAUD in Oberschlesien. Er lebte im Winter in Kravarn (Tschechoslowakei), von wo er 1922 ausgewiesen wurde. Anschließend lebte er in Waldorf bei Rückers (Kreis Glatz). Von März 1933 bis Dezember 1933 war er im KZ Esterwegen inhaftiert. Am 28. Oktober 1944 wurde er erneut festgenommen. Im Januar 1945 wurde er im Konzentrationslager Groß-Rosen von den Nationalsozialisten ermordet.

Quellen: Internationalismus im Dreiländereck von Dieter Nelles

Interview zur 1. Libertären Medienmesse

ImageVom 3. bis 5. September 2010 wird wird in Oberhausen, im Westen des Ruhrgebiets die 1. Libertäre Medienmesse (Limesse) stattfinden. Mehr als 40 Verlage, Radios, Web-Projekte und andere MedienproduzentInnen aus der BRD, Österreich, der Schweiz, Spanien und Großbritannien haben sich bereits zur Messe angemeldet. Im Rahmen der Messe werden mehrere Dutzend Lesungen und Projektvorstellungen, sowie ein Konzert von „Anarchist Academy“ stattfinden. Wir haben Anna, Paula und Kalle aus der Vorbereitungsgruppe gebeten, uns in einem Interview mehr über die 1. Libertäre Medienmesse zu erzählen.

Weiter lesen „Interview zur 1. Libertären Medienmesse“

(Otto ?) Hartwig (* – † )

Halle, KAPD/AAUD; später um 1926-1932 FAUD?

Quelle: Clemens Klockner (Hrsg.), Protokoll des außerordentlichen Parteitages der Kommunistischen Arbeiter-Partei Deutschlands vom 11. bis 14.9.1921 in Berlin, Verlag für wissenschaftliche Publikationen, Darmstadt 1986, Anmerkung 214, S. 70; Freiheit und Brot. Die Freie Arbeiter-Union Deutschlands. Eine Studie zur Geschichte des Anarchosyndikalismus, Libertad Verlag, Berlin/Köln, 1994, S. 297.

Wilhelm Buchholz (* 1887 – † 1984)

Bremen, SPD, Nov. 1918 IKD, Mitglied des Arbeiter- und
Soldatenrats in Bremen, Dez. 1918; KPD, KAPD/AAU; später FAUD Agitations-kommission, 1924.

Quellen: Peter Kuckuk, Revolution und Räterepublik in Bremen, Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main, 1969; Helge Döhring: Frei die Stadt! Bremens syndikalistischer Stadfürher : https://syndikalismusforschung.files.wordpress.com/2012/05/syfo-guide-bremen.pdf.

Rudolf Zimmer (* ? – † ?)

Berlin, AAU, danach AAUE, FAUD, Hauptkassierer der Gemeinschaft proletarischer Freidenker (GpF). Zur 2. Reichskonferenz der Allgemeinen Arbeiter-Union definiert er die AAU, „Kampforganisation des Proletariats“, „antiautoritären Charakters“, als „eine Abkehr von allen überlieferten Organisationsformen“. Das Wesen der AAU wäre „eine durchgreifende Revolutionierung der Gehirne“ auf jedem Schritt der Weltrevolution:
„Da die AAU der beginnenden Selbstbewusstseinsentwicklung ihre Existenz verdankt, kann sich ihr Kampf nur auf das proletarische, antikapitalistische und antinationale Klasseninteresse der Arbeiter der Welt einstellen und muss mit aller Schärfe gegen alle ganz gleich wie gearteten Tendenzen opportunistischer und reformistischer Färbung vorgehen… Ist in der AAU verkörpert die proletarische
Organisationsform, die ihren Niederschlag findet im Rätesystem“.
In 1924, AAUE-Mitglied geworden, beklagt er den Misserfolg einer „Einheitsfront wenigstens zwischen der FKAD (Föderation Kommunistischer Anarchisten Deutschlands) und den syndikalistischen Unionen der FAUD und AAUE“.

Quellen: Bundes-Archiv Lichterfelde, RY 1/ I/5/4/1; R.Z.: „Kongress-Bericht: Zur 2. Reichskonferenz der Allgemeinen Arbeiter-Union“, Die
Aktion , Berlin 1920, S. 297-299; „Die Rolle der Organisation in der proletarischen Revolution“, Die Aktion Nr. 33/34, 20. August 1921; S.
478-480; „Drei Jahre AAUE“, Die Aktion Nr. 11, 15. Juni 1924, S. 314-318; „Das Gebot der Stunde“, Der freie Arbeiter Nr. XVII, Berlin 1924;
Hartmut Rübner, Freiheit und Brot. Die Freie Arbeiter-Union Deutschlands. Eine Studie zur Geschichte des Anarchosyndikalismus, Libertad
Verlag, Berlin/Köln, 1994, S. 247, 251

Hermann Rüggebrecht (* 1904 – † ?)

Berlin, Gießereiarbeiter, seit 1919 Freidenkerbewegung;
um 1922-1933 FAUD; nach 1945, KPD/SED, GIS/SWV; Ende der 50. Jahre Mitglied der Anarchistischen Vereinigung um Rudolf Oestreich; Anfang der 60. Jahre kurzeitig Herausgeber der Befreiung, Mühlheim.

Quelle: Michael Kubina, Von Utopie, Widerstand und Kaltem Krieg. Das unzeitgemäße Leben des Berliner Rätekommunisten Alfred Weiland
(1906-1978), LIT Verlag, 2000, S. 207.