Zwölf Millionen Proletarier hatten innerhalb von 24 Stunden das gesamte deutsche Wirtschaftsleben lahmgelegt; dies war ein Schauspiel, das die Welt in vergleichbarer Größenordnung noch niemals erlebt hatte. Auf der einen Seite ein bis an die Zähne bewaffneter Soldatenhaufen, auf der anderen das geeinte deutsche Proletariat, ohne Rücksicht auf Parteirichtungen, fest entschlossen, die Säbel-Diktatur zu brechen. Und diesmal kam die Initiative nicht, wie am 9. November 1918, von außen; sie kam von den Arbeitern, dem gesamten arbeitenden Volke, daß sich wie ein Mann gegen die militärische Reaktion erhoben hatte. Der 13. März 1920 ist für die Geschichte der deutschen Arbeiterklasse ein größerer Gedenktag als der 9. November 1918.
Rudolf Rocker (S. 29)
Es ist nur eine kleine, unscheinbare Broschüre, die das Archiv Karl Roche im Juli 2010 veröffentlichte. Für jeden, der sich für die deutsche Arbeitergeschichte im Allgemeinen und die Märzrevolution 1920 im Besonderen interessiert, wurde allerdings ein Schatz gehoben.
Der Anarcho-Syndikalist Rudolf Rocker hatte noch Anfang April 1920 seine Sicht der Ereignisse um den Kapp-Lüttwitz-Ludendorff-Putsch im thüringischen Sömmerda aufgeschrieben und nach Schweden geschickt, wo sie umgehend übersetzt und veröffentlicht wurde. Und diese ist von einer erstaunlichen Klarheit. Da der Text nie auf deutsch publiziert wurde und das Manuskript Rockers verloren scheint, hat Erik Alfredsson ihn aus dem Schwedischen rückübersetzt – und das in einer Art und Weise, daß man in keinem Moment daran zweifelt, den „originalen“ Rocker zu lesen. Zudem wurde er mit Vorwort, Anmerkungen und Anhang versehen (verantwortlich für die Redaktion zeichnet Jonnie Schlichting), die den wohl hellsichtigsten zeitnah erschienen Text über die Ereignisse im März 1920 historisch einordnen und in glänzender Weise ergänzen. Weiter lesen „Rudolf Rocker: Der Kapp-Putsch“ →